100 Jahre Audi

Redakteur: Johannes Büttner

1909 gründete August Horch in Zwickau ein Automobilunternehmen und taufte es auf den Namen Audi. »autoKAUFMANN« blickt zum 100. Geburtstag auf die bewegte Firmengeschichte zurück.

Anbieter zum Thema

Die Tradition der Audi AG im Automobil- und Motorenbau ist älter als die 100-jährige Geschichte des Unternehmens; sie reicht bis ins 19. Jahrhundert zurück. An ihrem Anfang steht einer der Pioniere des deutschen Automobilbaus: der Ingenieur August Horch. Als Absolvent des Technikums im sächsischen Mittweida war er zunächst im Motorenbau, später als Abteilungsleiter im Motorwagenbau bei Carl Benz in Mannheim tätig. 1899 machte er sich selbstständig und gründete in Köln die Horch & Cie. Motorwagen Werke.

1902 kam Horch zurück nach Sachsen – zunächst nach Reichenbach, zwei Jahre später nach Zwickau. Dort wandelte er die Firma in eine Aktiengesellschaft um. Doch schon bald kam es zu Differenzen zwischen dem Firmengründer und dem Vorstand sowie dem Aufsichtsrat. 1909 verließ Horch das Unternehmen, das seinen Namen trug, um ein neues zu gründen. Allerdings durfte er der neuen Firma nicht seinen Namen geben. Schließlich waren die Markenrechte an „Horch“ bereits vergeben.

Also wählte er die lateinische Übersetzung seines Familiennamens: Aus „horch!“ wurde „audi!“. Die Idee, den lateinischen Imperativ des deutschen Wortes „höre – horch“ zu verwenden, stammte vom Sohn eines Geschäftspartners; der Lateinschüler hatte die Suche nach einem neuen Firmennamen mitverfolgt. Seitdem unterzeichnete August Horch seine Korrespondenz auch mit „Ihr Audi-Horch“.

Sportliche Erfolge sorgen für Ruhm

Im Dezember 1914 wurde aus der Audi Automobilwerke GmbH eine Aktiengesellschaft. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich die Marke durch sportliche Erfolge bei den österreichischen Alpenfahrten bereits international einen Namen gemacht. Nach dem Ersten Weltkrieg zog sich der Gründer aus dem Unternehmen zurück.

1921 überraschte die Audiwerke AG die Fachwelt mit dem neuen Audi 14/50 PS Typ K, dem ersten linksgesteuerten Auto in Deutschland. 1923 folgte der Typ M mit einem Sechszylindermotor, 1927 mit dem Audi Imperator der erste Achtzylinderwagen von Audi.

Im August 1928 übernahm der Besitzer der Zschopauer Motorenwerke/DKW, Jörgen Skafte Rasmussen, die Aktienmehrheit der Audiwerke AG und gliederte das Zwickauer Unternehmen im Jahr darauf in sein Firmenimperium ein. Mit dem Beginn der Weltwirtschaftskrise im Oktober 1929 brachen die Verkaufszahlen für große Wagenmodelle mit Sechs- und Achtzylindermotoren ein. Rasmussen ließ daraufhin von Audi einen kleinen DKW-Wagen mit Frontantrieb entwickeln, der 1931 mit großem Erfolg auf den Markt kam.

Vier Ringe für vier Marken

Auf Betreiben der Sächsischen Staatsbank, die ihr Engagement im sächsischen Automobilbau in Gefahr sah, schlossen sich am 29. Juni 1932 die Audiwerke, die Horchwerke und die Zschopauer Motorenwerke/DKW zur Auto Union AG zusammen. Gleichzeitig schloss die Auto Union einen Vertrag mit den Wanderer-Werken ab, um deren Automobilabteilung zu übernehmen. Sitz des neuen Konzerns wurde Chemnitz. Den Zusammenschluss der Werke symbolisierte ein Logo mit vier ineinander verschlungenen Ringen – bis heute das Markenzeichen von Audi.

Die Auto Union AG war mit ihrer Gründung der zweitgrößte Kraftfahrzeugkonzern in Deutschland. Die Marken Audi, DKW, Horch und Wanderer bestanden fort; jede bediente ein anderes Marktsegment: DKW stand für Motorräder und Kleinwagen, Wanderer für Automobile der Mittelklasse, Audi für das gehobene Mittelklassesegment und Horch für Luxusautos der Oberklasse. Diese klar abgesteckten Zuständigkeiten waren das Erfolgsrezept der jungen Auto Union. Die Modellpalette war perfekt aufeinander abgestimmt, alle Marken profitierten von Synergieeffekten.

Bei Audi entstand auf diese Weise der Mittelklassewagen Front Typ UW. Sein wichtigstes Merkmal war der Frontantrieb, bei dem Audi von den Erfahrungen der DKW profitierte. Als Antrieb diente ein von Ferdinand Porsche entwickelter Wanderer-Zweiliter-Sechszylindermotor; die Karosserie der Limousine stammte aus dem Horch-Karosseriebau, während die Cabriolets vom renommierten Karosseriehersteller Gläser aus Dresden kamen.

Der Audi Front Typ UW ging im Frühjahr 1933 in Serie. In den nächsten Jahren folgten der Front 225 und der Audi 920, der für ein Vierteljahrhundert das letzte Audi-Modell sein sollte. Denn bald nach Beginn des Zweiten Weltkriegs stellte der Konzern die Produktion von Zivilfahrzeugen ein und konzentrierte sich auf Rüstungsgüter. Das Ende des Zweiten Weltkriegs bedeutete auch das Aus für die in der Sowjetischen Besatzungszone gelegene Auto Union AG. Die neuen Machthaber enteigneten die Gesellschaft, demontierten die Fabrikanlagen und löschten das Unternehmen aus dem Handelsregister der Stadt Chemnitz.

Neustart in Ingolstadt

Führende Mitarbeiter der Auto Union waren bereits bei Kriegsende nach Bayern gegangen, wo sie Ende 1945 in der alten Garnisonsstadt Ingolstadt ein Depot für Auto-Union-Ersatzteile einrichteten. Daraus entstand am 3. September 1949 mit der Auto Union GmbH eine neue Gesellschaft, die die Kraftfahrzeugtradition der vier Ringe fortführte. Zunächst konzentrierte sich die neue Auto Union auf die bewährten DKW-Produkte mit Zweitaktmotoren. Die einfachen, robusten und zuverlässigen Autos und Motorräder passten hervorragend in die Nachkriegszeit.

Ab 1954 erwarb Friedrich Flick schrittweise große Teile des Gesellschaftskapitals der Auto Union GmbH. Mittelfristig suchte er einen starken Partner aus der Automobilindustrie – und hatte Erfolg: 1958 übernahm die Daimler-Benz AG 88 Prozent der Auto-Union-Geschäftsanteile, im Jahr darauf wurde das Ingolstädter Unternehmen zu einer 100-prozentigen Tochtergesellschaft.

Wiedergeburt der Marke

Das Festhalten am Zweitaktmotor ließ die Verkaufszahlen von DKW zu Beginn der sechziger Jahre kontinuierlich sinken. Daraufhin erteilte Daimler-Benz dem als technischer Direktor nach Ingolstadt abgeordneten Ingenieur Ludwig Kraus einen Auftrag: Er sollte einen Vierzylinder-Viertaktmotor, den die Schwaben als „Mitgift“ eingebracht hatten, für das neue DKW-Modell F 102 adaptieren. 1965 erschien das neue Produkt der Auto Union auf dem Markt, erstmals nach dem Krieg mit einem Viertaktmotor.

Eine neue Ära begann, und die verlangte nach einer neuen Produktbezeichnung: Der traditionsreiche Name Audi erlebte seine Wiederauferstehung. Der „Typ Audi“, zunächst ohne weitere Modellbezeichnung, entwickelte sich zu einem vollen Erfolg. Auto Union produzierte die Baureihe, mit einigen technischen und optischen Modifikationen, bis 1972.

Doch auch in anderer Hinsicht begann in Ingolstadt eine neue Ära. Ab 1965 gehörte das Unternehmen nicht mehr zu Daimler-Benz, sondern zum Volkswagen-Konzern. Die neuen Hausherren untersagten den Technikern in Ingolstadt zunächst, eigene Fahrzeuge zu entwickeln. Sie wollten die Produktionskapazitäten für die Fertigung des VW Käfer nutzen. Ludwig Kraus, zu jener Zeit Entwicklungschef und Mitglied der Geschäftsführung der Auto Union, ließ sich aber nicht davon abhalten, im Verborgenen einen neuen Audi zu entwickeln.

Im Jahr 1968 feierte das nachträglich von der Wolfsburger Konzernspitze sanktionierte Modell seine Premiere. Sein Name: Audi 100. Es war das erste Fahrzeug aus Ingolstadt, das frei von DKW-Erbmasse war. Der Audi 100 verkaufte sich gut, sein Erfolg sicherte der Auto Union das Überleben als eigenständige Marke.

Vorsprung durch Technik

Unter Regie der Volkswagenwerk AG kam es 1969 zur Fusion zwischen der Auto Union GmbH und der in Neckarsulm ansässigen NSU Motorenwerke AG. Das neue Unternehmen trug die Bezeichnung Audi NSU Auto Union AG und hatte seinen Sitz in Neckarsulm. 1971 kreierte die Firma einen neuen Werbeslogan, der seither die Geschicke des Unternehmens begleitet: „Vorsprung durch Technik“. Ganz in diesem Sinne erschien 1972 der Audi 80, der mit etlichen technischen Neuerungen wie einer OHC-Motorenbaureihe und dem spurstabilen Lenkrollradius glänzte. Bis zum Produktionsende der ersten Generation stellte Audi über eine Million Exemplare her.

1974 übernahm – zunächst als Leiter der Technischen Entwicklung – ein Mann die Nachfolge von Ludwig Kraus, der in der deutschen und internationalen Automobilwirtschaft bis heute eine herausragende Rolle spielt: der aktuelle VW-Aufsichtsratsvorsitzende Ferdinand Piëch. Mit ihm entwickelte sich Audi zum technisch innovativen Automobilhersteller.

Gleichzeitig machte sich Piëch daran, die Marke Schritt für Schritt höher zu positionieren. Die Einführung eines Fünfzylindermotors (1976), der Turboladertechnik (1979) und des Allradantriebs quattro (1980) stehen für diesen Weg.

Premiumhersteller aus Ingolstadt

1985 wurde aus der Audi NSU Auto Union AG die Audi AG. Seither tragen das Unternehmen und die Produkte den gleichen Namen. Der Firmensitz wanderte von Neckarsulm zurück nach Ingolstadt. Dort mauserte sich Audi endgültig zu einem Premiumhersteller, der vollverzinkte Karosserien, die seinerzeit weltweit strömungsgünstigste Großserienlimousine, Benzinmotoren mit Abgasturboaufladung und direkteinspritzende Dieselaggregate entwickelte.

Die Aluminiumkarosserie, die Hybridfahrzeuge, die Benzin-Direkteinspritzung und die Herstellung von Automobilen der Luxusklasse mit Acht- und Zwölfzylindermotoren dokumentieren den weiteren Aufstieg der Marke. 2008 verkaufte Audi erstmals in einem Jahr über eine Million Fahrzeuge, gut ein Viertel davon in Deutschland. Die meisten entstanden in den Werken Ingolstadt und Neckarsulm; doch auch im Ausland betreibt Audi Produktionsstätten, unter anderem in Ungarn, der Slowakei und China.

(ID:312548)