Anwalt erwartet Haftstrafe für Winterkorn in Deutschland
Wirtschaftsanwalt Markus Wintterle macht Martin Winterkorn wenig Hoffnung für die Zukunft: Aus seiner Sicht kommt auf den Ex-Volkswagen-Chef definitiv eine Haftstrafe zu. Derweil gibt es Berichte, dass Herbert Diess seinen Vor-Vorgänger bei den US-Behörden belastet haben soll.
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Seit einigen Tagen steht Ex-Volkswagenchef Martin Winterkorn in der Abgas-Affäre wieder im Fokus. Die US-Justiz hat einen Haftbefehl gegen ihn erlassen, in Deutschland laufen die Ermittlungen und der VW-Aufsichtsrat prüft Schadenersatzansprüche gegen den ehemaligen Manager. Der Mannheimer Anwalt Markus Wintterle hat nun im Gespräch mit dem „Spiegel“ ein düsteres Bild von Winterkorns Aussichten gezeichnet.
„Für einen Menschen wie Winterkorn ist die aktuelle Situation der Super-GAU“, so Wintterle, der als Partner bei der Wirtschaftskanzlei Kleiner Anwälte arbeitet. Er erwartet, dass der Haftbefehl in den USA auch den Druck auf die deutsche Justiz im Fall Winterkorn erhöht. „Wenn die amerikanische Staatsanwaltschaft Beweise für einen solchen dringenden Tatverdacht sieht, wird dies auch in Deutschland gelten. Die Fakten sind ja dieselben“, sagt der Jurist. Bei den möglichen Folgen macht Wintterle dem Ex-VW-Chef wenig Hoffnung: „Ich glaube nicht, dass er ohne eine Freiheitsstrafe davonkommen wird, und ich glaube auch nicht, dass er mit Bewährung davonkommt.“ Aus Sicht des Anwalts gibt es folgende vier denkbare Szenarien:
- 1. Winterkorn hat vorsätzlich gehandelt und die Manipulationssoftware in Auftrag gegeben
- 2. Winterkorn hat von der Manipulation gewusst, aber nichts dagegen unternommen
- 3. Winterkorn hätte es wissen können, hat aber die entsprechenden Hinweise ignoriert
- 4. Winterkorn hat sein Unternehmen so fahrlässig strukturiert, dass er es nicht erfahren konnte
Selbst der letzte Fall würde den Ex-Manager aus Sicht von Markus Wintterle teuer zu stehen kommen. Denn mittlerweile gilt bei Aktiengesellschaften die Beweislastumkehr. Deshalb sind die VW-Aufsichtsräte auch verpflichtet, gegen Winterkorn vorzugehen, da sie sonst selbst haften müssten.
Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Braunschweig in der Diesel-Affäre dauern weiter an. Zuletzt hieß es, dass sich die Beweisfindung auf der Zielgeraden befinde. Die Ermittler wollen demnach sichergehen, dass es nicht nur für eine Anklage gegen die Verdächtigen reiche, sondern auch für eine Verurteilung.
Hat Diess Winterkorn angeschwärzt?
Die „Bild“ will derweil erfahren haben, warum die US-Justiz plötzlich mit aller Macht gegen Winterkorn vorgeht. Der Zeitung zufolge hat der neue starke Mann bei Volkswagen, Herbert Diess, bei Ermittlern vom FBI ausgesagt – und dabei seinen Vor-Vorgänger Winterkorn belastet.
Dem Bericht zufolge ist Diess Anfang Mai in die USA gereist, um mit Vertretern des US-Justizministeriums und dem FBI zu sprechen. Auch Larry Thompson, der für die US-Justiz den Volkswagen-Konzern wegen der Diesel-Affäre beobachtet, soll bei dem Treffen dabei gewesen sein.
Das „Handelsblatt“ widerspricht in einem Bericht vom Dienstag dieser Darstellung allerdings. Weder sei Diess auf seiner jüngsten USA-Reise von den US-Staatsanwälten förmlich vernommen worden, noch habe er sich mit dem FBI getroffen, berichten Insider dem Handelsblatt. Diess-Anwalt Tido Park wollte sich auf Anfrage dazu allerdings nicht äußern.
In der US-Anklageschrift wird Winterkorn vorgeworfen, dass er bereits am 27. Juli 2015 über den Abgas-Betrug bei VW informiert worden war. Auch Diess war bei jenem Meeting zwar dabei, trat seinen Posten in Wolfsburg offiziell aber erst am 1. Oktober 2015 an. Diess könnte der US-Justiz deshalb bei der Aufklärung helfen, ohne mit strafrechtlichen Konsequenzen rechnen zu müssen.
Bereits am Montag war berichtet worden, dass Diess offenbar für sich auch einen Deal mit den Ermittlern ausgehandelt hat. Demnach erhält der Manager freies Geleit und kann weltweit frei reisen, ohne eine Verhaftung befürchten zu müssen. Im Falle einer Klage gegen ihn, sei Diess zugesagt worden, dass er vorab informiert werde, berichtete der Finanzdienst Bloomberg. Weder die Ermittler, noch VW wollten sich bislang dazu äußern.
Die US-Ermittler haben Diess bislang noch nie etwas vorgeworfen. Er hatte erst einige Monate vor Bekanntwerden des Skandals bei VW angeheuert, aber im Juli 2015 an einem Treffen teilgenommen, bei dem Führungskräfte über Unregelmäßigkeiten von Abgaswerten in den USA informiert wurden. In Deutschland wird dagegen auch gegen Diess ermittelt.
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