Auf den Straßen von Kuba: Improvisation ist alles

Autor / Redakteur: Stefan Grundhoff / Christoph Seyerlein

Als die politische Lage in Kuba 1959 kippte, verschwanden die enteigneten Amerikaner und nur ihre Autos blieben. Bis heute sichern betagte Chevys, Cadillacs und Fords die Mobilität eines ganzen Volkes.

Alte Kreuzer dominieren nach wie vor das Bild in Havannas Straßen.
Alte Kreuzer dominieren nach wie vor das Bild in Havannas Straßen.
(Bild: press-inform)

Auch wer noch nie in Kuba war, kennt die Bilder der kunterbunten US-Straßenkreuzer, die seit den 50er Jahren die grauen Straßen der Hauptstadt Havanna bevölkern. Neue Autos waren in dem Karibikstaat seit der Revolution von 1959 nicht zu bekommen. So beschaffen sich die Kubaner seit mehr als einem halben Jahrhundert die Ersatzteile auf mehr oder weniger legalen Wegen selbst. Auch wenn die wirtschaftliche Embargomauer langsam bröckelt, fehlt schlicht das Geld für Neuanschaffungen. Daher wird auch weiterhin repariert, was das Zeug hält. Geht nicht scheint es nicht zu geben.

Horge Hernandez ist gelernter Automechaniker – oder besser: automobiler Improvisationskünstler – wie sein Vater, der alten US-Limousinen vom Typ Impala, Bel Air oder Fairlane ohne große Mittel mit viel Hingabe neuen Odem einhauchte. „70 Prozent unserer Kunden wollen eine komplette Restaurierung“, erzählt Horge Hernandez und wischt sich in seinem rotgrünen Einteiler den Schweiß von der Stirn, „das dauert ein halbes Jahr oder mehr, weil wir die Teile nicht so schnell bekommen. Sonst wäre man nach ein bis zwei Monaten mit allem fertig.“

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Eine Restaurierung kostet dabei 6.000 bis 10.000 Cucs. Ein Betrag, den sich hier kaum jemand leisten kann. Die Restaurierungen werden daher meist von mehreren Freunden bezahlt, bevor die Autos zu Taxis und somit zu einer Einnahmequelle für mehrere werden. Horge betreibt in dritter Generation seine Autowerkstatt, eine halbe Stunde außerhalb von Havanna. Pro Jahr bastelt er zusammen mit ein paar Kollegen an 15 bis 30 Autos herum. Hinweisschilder oder ein Werbebanner sucht in dem Außenbezirk man vergeblich. Den Weg zu dem 56-jährigen Horge Hernandez muss man kennen – wie fast überall in Kuba. Offiziell ist hier wenig und die Reparatur von alten Autos findet abseits staatlicher Regierungsbehörden statt.

Auf dem Boden der Werkstatt stehen ein alter V8-Motor und ein Reihensechszylinder, die beide schon bessere Zeiten gesehen hat. Doch das ist schon lange her. Benzintriebwerke aus Zeiten, in denen wohlhabende Amerikaner die Karibikinsel zu ihrem liebsten Feriendomizil auserkoren hatten. Sie brachten in den 40er und 50er Jahren die ausladenden Straßenkreuzer mit, um hier standesgemäß zu reisen.

Kaum noch blubbernde V8-Klänge

Als die politische Lage 1959 kippte, verschwanden die enteigneten Amerikaner und nur ihre Autos blieben. Bis heute sichern betagte Chevys, Cadillacs und Fords die Mobilität eines ganzen Volkes. Viele Autos sind zerborsten, zusammengeschustert und wurden mehr schlecht als recht am Leben erhalten. Wer an der Straßenkreuzung den charismatisch blubbernden V8-Klang vermisst, hat keinen Hörschaden. Stattdessen rasselt und klappert es, wie im Rucksack vom Nikolaus.

„Natürlich mag ich auch einem liebsten einen 400 PS starken V8, der in einem Chevy blubbert“, lächelt Horge, „aber das ist Vergangenheit. Die gibt es hier kaum noch, weil es keine Ersatzteile mehr gab und die Dinger einfach zu durstig waren. Stattdessen sind in den meisten Straßenkreuzern Dieseltriebwerke von Mercedes, Peugeot oder VW verbaut. Die verbrauchen weniger und sind aus Europa auch zu bekommen. Die meisten Teile kommen aus Spanien.“

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