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Fahrzeugdiebstahl Autos sind spielend leicht zu knacken
Viele Autobauer weigern sich, eine zeitgemäße Technik zu verbauen, die Fahrzeuge vor Diebstahl schützt. Deshalb lassen sich 95 Prozent aller mit einem Keyless-System ausgerüsteten Pkws nach Erkenntnissen des ADAC sehr einfach entwenden.
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Mit Blick auf den bekannten Star-Wars-Titel „Die dunkle Seite der Macht“ kann man bei diesem Thema eigentlich nur titeln „Die dunkle Seite der Bequemlichkeit“: Die Rede ist von schlüssellosen Zugangssystemen zu Fahrzeugen – neudeutsch „Keyless Go“. Die erfreuen sich seitens Autokäufern, aber auch seitens Fahrzeugherstellern immer größerer Beliebtheit. Allerdings nicht nur bei denen. Nein, auch das organisierte Verbrechen schätzt das moderne Prinzip, ein Fahrzeug zu öffnen bzw. mit diesem davon zu fahren.
Weshalb? Ganz einfach: Weder der klassische mechanische Schlüssel mit Bart noch die Nachfolgevariante, der „mechanische“ Funkschlüssel mit Tastenbedienung, machen es Dieben derart leicht. Zu dieser Erkenntnis ist nun der ADAC gekommen, nachdem er in einem wahren Mammutprojekt mehr als 500 Automobile mit Keyless-Komfort-Schließsystem auf deren Sicherheit hin untersucht hat.
Denn nach wie vor ist kaum ein Fahrzeughersteller willens, die weit verbreitete Sicherheitslücke bei Keyless-Systemen zu schließen. Alles, was Kriminelle benötigen, sind zwei kleine Geräte: Mit einem müssen sich die Autodiebe nur in der Nähe des Autoschlüssels aufhalten, mit dem zweiten Gerät in der Nähe der Autotür. So verlängern sie die Reichweiten der Signale um Hunderte von Metern, und das Auto lässt sich bequem öffnen und starten. Gerade mal fünf Prozent der überprüften Autos waren gegen den Angriff mit dem Reichweiten-Verlängerer geschützt und damit sicher vor dieser Art von Diebstahl. Die Kosten für den Bau eines solchen beziffern die Experten des Automobilclubs auf rund 100 Euro.
Hersteller scheuen Kosten für Sicherheit
Bei manchen Modellen gehören Keyless-Systeme mittlerweile zur Serienausstattung. Bei anderen müssen Autokäufer eine Aufpreis von einigen 100 bis über 1.000 Euro bezahlen. Während sie sich bei der ersten Variante gegen die diebstahlträchtige Technik nicht entscheiden können, bezahlen bezahlen sie im zweiten Fall hohe Aufpreise und erhalten dafür meist ein mangelhaftes Produkt. Dabei wäre es laut ADAC ein leichtes, Keyless-Schließsysteme mit digitaler Funktechnik sicherer zu machen. Diese Technik verwendet Computerchips mit „Ultra-Wide-Band-Technik“ (UWB) im Schließsystem, mit deren Hilfe aus der Laufzeit der Funksignale sehr präzise die Entfernung des Schlüssels zum Auto ermittelt werden kann. Bei Verwendung einer Funk-Verlängerung, wie es bei dieser Form von Autodiebstahl der Fall ist, reagiert das Auto nicht mehr. Ja – und warum verbauen Automobilhersteller dann nicht solche UWB-Chips? Klare Antwort: Weil sie Geld kosten! Um die zehn Euro das Stück. Was für einen Neuwagenkäufer noch weniger als bekannte Peanuts ist, ist für einen OEM ein halbes Vermögen.
Dass es aber auch Hersteller gibt, die bereit sind, diesen Betrag zu investieren, zeigt die Marke Jaguar Land Rover: Seit 2018 verbauen die Engländer als erster Autohersteller diese Technik in neuen Modellen. Neben dem Discovery soll die gleiche neue Keyless-Technik auch in den Modellen Range Rover, Range Rover Sport (jeweils ab Modelljahr 2018), Jaguar E-Pace und i-Pace verbaut sein. Und seit 2019 verfügen auch immer mehr Modelle von Audi (A3), Seat (Leon), Skoda (Octavia) und Volkswagen (Golf 8, ID.3, ID.4, Polo, Caddy) ebenfalls über die UWB. Das zeige, so der ADAC, dass eine solche Technik auch in Fahrzeugen der preissensiblen Polo- und Golf-Klasse möglich ist. Erste Modelle gibt es jetzt auch von BMW, Genesis und Mercedes, die mit Ultra-Wide-Band denselben Schutz bieten.
Welche Fahrzeuge einen guten bzw. mangelhaften Schutz gegen Reichweitenverlängerer bieten, verrät die folgende Aufsstellung.
Bewegungssensor nur halbherzige Antwort
Einige Hersteller setzen bei Keyless-Schließsystemen auf einen Bewegungssensor im Schlüssel. Wird dieser eine gewisse Zeit nicht bewegt, so schaltet das Funksignal ab und das Fahrzeug lässt sich auf die bekannte Weise nicht mehr illegal öffnen und wegfahren. Aus Sicht des ADAC ist diese Methode aber weniger sicher, da in der Zeit bis zum Abschalten des Funksignals ein Autodiebstahl trotzdem möglich ist. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn die Diebe dem Opfer zu Fuß unauffällig folgen oder das Fahrzeug unmittelbar nach dem Abstellen entwendet wird.
Auf Basis seiner mehr als 500 Fahrzeugtests fordert der ADAC von den Autoherstellern:
- Neue Automodelle mit Keyless-Schließsystem müssen zeitgemäß gegen Autodiebstahl gesichert sein.
- Ein teureres Schließsystem mit Keyless-Technik muss mindestens genauso sicher sein wie ein Standard-System mit normalem Funkschlüssel. Es darf keinesfalls einfacher zu knacken sein.
- Hier sind die Fahrzeughersteller eindeutig in der Pflicht nachzubessern und geeignete Schutzmaßnahmen zu ergreifen – idealerweise mit einem neutralen Nachweis für die Wirksamkeit der Anti-Diebstahl-Maßnahmen.
- Wenn die Hersteller als Schutz nicht die sichere Ultra-Wide-Band-Technik (UWB) wählen und stattdessen einen Bewegungssensor im Schlüssel verbauen, sollte dieser nach spätestens fünf Minuten Ruhezeit den Schlüssel abschalten, um Autodieben nicht unnötig Zeit zu geben, ein Fahrzeug zu stehlen.
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