Neuzulassungen Chip-Hölle hält den Automarkt gefangen

Von Andreas Grimm

Der Auftragseingang steigt, die Auslieferungen sinken erneut dramatisch. Für den Kfz-Handel hat sich der Albtraum der fehlenden Ware im November fortgesetzt. Besserung ist nicht in Sicht, außer der Kunde fährt elektrisch.

Gähnende Leere: Auf vielen Autohaushöfen lichten sich derzeit die Reihen.
Gähnende Leere: Auf vielen Autohaushöfen lichten sich derzeit die Reihen.
(Bild: Stoppanski)

Die Fahrzeugneuzulassungen haben sich im November weiter dramatisch schlecht entwickelt. Trotz guter Auftragslage und Nachfrage sank die Zahl Erstzulassungen nach Angaben des Kraftfahrt-Bundesamts (KBA) um 31,7 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat. Neu auf die Straßen kamen im zurückliegenden Monat laut einer am Freitag veröffentlichten Statistik noch 198.258 Pkw.

Ein kleiner Hoffnungsschimmer ist allenfalls, dass der Zulassungsrückgang im Oktober mit 34,9 Prozent noch heftiger ausgefallen war. Insgesamt wird die Situation für den Handel aber immer dramatischer: Nach elf Monaten liegen die Neuwagenzulassungen mit knapp 2,4 Millionen Einheiten nun 8,1 Prozent hinter dem pandemiebedingt bereits sehr schwachen Vorjahreswert zurück.

Ursächlich für die akute Absatzschwäche ist der anhaltende Mangel an Neuware aufgrund fehlender Halbleiterbauteile in der Fertigung. Bei fast allen Fabrikaten können deshalb Kundenbestellungen nur verzögert bearbeitet werden.

Auch der Verband der Automobilindustrie spricht von „einem deutlich verringerten Produktionsvolumen bei den Herstellern“. In den deutschen Automobilwerken ging nach Verbandsangaben die Produktion im November um 32 Prozent zurück, während der Auftragseingang um 11 Prozent zulegte.

Andere Länder sind weniger betroffen

Interessanterweise fällt der Zulassungsrückgang in anderen europäischen Ländern im November deutlich weniger dramatisch aus als in Deutschland. Für Frankreich weist die Unternehmensberatung EY nur noch ein Minus von 3 Prozent aus. In Spanien und Österreich sind es 12 Prozent und in Italien auch „nur“ 24 Prozent.

Einen „gebremsten Absturz des Neuwagenmarkts“ konstatiert daher der EY-Automarkt-Experte Peter Fuß und warnt vor vor Hoffnung auf eine rasche Änderung: Es sei zu früh, eine Trendwende auszurufen. „Es handelt sich wohl eher um eine Stabilisierung auf sehr niedrigem Niveau.“

Fuß rechnet vorerst weiterhin mit Schwierigkeiten im Neuwagengeschäft, insbesondere mit langen Lieferzeiten für die Kunden und Umsatzeinbußen im Handel. Allerdings wird es im Einzelfall auf das bestellte Auto ankommen: „Produziert werden derzeit vor allem große, margenstärkere Modelle – und elektrifizierte Fahrzeuge.“

Tatsächlich ist inzwischen mehr als jeder dritte erstmals angemeldete Pkw ein Plug-in-Hybrid oder ein E-Modell: Exakt 34,4 Prozent waren es im November. Das schlägt sich auch in der Gewinner- und Verliererstatistik des Monats durch. Mit einem Plus von 234 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat katapultiert sich Tesla endgültig in die Liga der Volumenhersteller. Der Marktanteil lag im November bei 2,8 Prozent.

Auch Polestar verdoppelte den Absatz, allerdings auf sehr niedrigem Niveau (234 Einheiten im November). Gleichwohl sind auch klassische Marken unter den Gewinnern: Mini (+9,3 %) und Mitsubishi (+17,8 %) steigerten die Kundenauslieferungen.

ZDK mahnt mehr Einsatz der Hersteller an

Auf der anderen Seite geht es in den Handelsnetzen vieler Fabrikate zunehmend um die Existenz: Bei Mazda (–59,2 %), Ford (–55,3 %), Nissan (–49,0 %) und Citroën (–47,5 %) hat sich der Absatz zuletzt halbiert. Doch auch bei den deutschen Marken VW (–42,1 %), Audi (–44,9 %), Mercedes (–37,5 %) und BMW (–31,8 %) sind die Rückgänge dramatisch.

Angesichts der Entwicklung hat der Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK) die Hersteller nun aufgefordert, „alle verfügbaren Kräfte in den Einkaufsabteilungen darauf zu konzentrieren, um die Versorgung mit Halbleitern für die Fahrzeugproduktion sicherzustellen“. Dies sei dringend geboten, um zumindest im Jahr 2022 wieder einigermaßen in die Normalspur zu kommen, erklärte ZDK-Vizepräsident Thomas Peckruhn. An die neue Bundesregierung appellierte Peckruhn, umgehend die im Koalitionsvertrag angekündigte Verlängerung der Innovationsprämie für Elektrofahrzeuge bis Ende 2022 umzusetzen, um für Verbraucher Sicherheit zu schaffen.

Dass die Hersteller tendenziell eher margenstarke Neuwagen ausliefern, zeigt sich in der Entwicklung der Fahrzeugsegmente. Die Neuzulassungen der SUVs sind im November nur um 11,0 Prozent gesunken, während die Kompaktklasse 44,3 Prozent und die Kleinwagen 34,8 Prozent verloren. Die Neuzulassungen in der Oberklasse legten sogar um 3,8 Prozent zu. Unter dem Strich kommen die SUVs inzwischen auf einen Marktanteil von 29,1 Prozent. Der durchschnittliche CO2-Ausstoß ging – sicher getrieben durch den wachsenden Anteil der E-Modelle – um 17,4 Prozent zurück und betrug 104,3 g/km.

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