»kfz-betrieb«-Auto-Check: Polestar 2 Das schwedische Katapult
Die elegante Elektro-Limousine überzeugt durch sportliche Fahrleistungen und gute Verarbeitung. Und an einer Stelle gibt es einen überraschenden Unterschied zur Schwestermarke Volvo.
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Die Geschichte von Polestar begann als Performance-Marke des schwedischen Autoherstellers Volvo. Und auch wenn sie heute die elektrische Submarke der neuen Volvo-Konzernmutter Geely darstellt, erinnert noch ein Detail an das sportliche Erbe des Fabrikats: Anders als alle aktuellen Volvo-Modelle ist der Polestar 2 nicht bei 180 km/h abgeregelt, sondern schafft stolze 210 – gerade für ein Elektroauto eine zwar beeindruckende, aber letztlich doch sinnlose Eigenschaft.
Doch wir geben gern zu, dass auch wir einmal ganz kurz vom süßen Gift der brachialen Fahrleistungen gekostet haben, zu denen der Polestar 2 fähig ist. Der Testwagen von »kfz-betrieb« stellte nämlich die leistungsstärkste Variante des Modells dar; er trug den Beinamen Long Range Dual Motor. Die beiden Motoren bringen es zusammen auf 300 kW/408 PS und katapultieren die Sportlimousine geradezu nach vorn: Für den Sprint von 0 auf 100 km/h gibt der Hersteller glaubhafte 4,7 Sekunden an. Überholmanöver sind in Sekundenschnelle erledigt, und auch im Bereich über 150 km/h lässt die Beschleunigung kaum nach.
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Kurz getestet
Zehn Dinge, die uns am Polestar 2 aufgefallen sind
Das Ausreizen der Fahrleistungen macht natürlich kurzzeitig Spaß, doch mit dem Blick auf die Reichweitenanzeige kehrt schnell die Vernunft zurück. Zwar verspricht die 78-Kilowattstunden-Batterie der LR-Variante alltagstaugliche Reichweiten – Polestar gibt nach WLTP 480 Kilometer an – das Fahrzeug zeigte bei einem Ladestand von 90 Prozent immerhin 330 Kilometer Reichweite an. Generell gehört der Polestar Dual Motor aber zu den ineffizientesten Elektroautos am Markt, wie beispielsweise der ADAC darlegte. Im Ecotest, in dem die meisten Autos relativ niedrige Verbrauchswerte erzielen, lag der Polestar 2 Dual Motor mit 29,2 kWh auf 100 Kilometern auf einem traurigen Spitzenplatz, noch vor dicken SUVs wie dem Audi E-Tron oder dem riesigen Tesla Model X.
Fun Fact: Wer auf den zweiten Motor und die damit verbundene Dynamik verzichten kann, der bekommt mit dem Polestar 2 Single Motor eines der sparsamsten E-Autos auf dem Markt (18,5 kWh im ADAC-Ecotest). Ein so großer Unterschied zwischen zwei Leistungsvarianten des gleichen Modells findet sich bei keinem anderen E-Auto.
Dank hoher Stromkosten teurer als ein Verbrenner
Manch ein Leser könnte nun denken: „Was schert mich der Verbrauch, mit der großen Batterie habe ich trotzdem genügend Reichweite.“ Das stimmt zwar, aber angesichts der stark steigenden Strompreise werden auch die Verbrauchswerte von Elektroautos immer mehr zur relevanten Größe. Wer zum Beispiel eine längere Autobahnfahrt mithilfe der praktischen Ionity-Schnelllader (0,79 Euro pro kWh) zurücklegen will, der muss auf Basis des Realverbrauchs mit Stromkosten von rund 23 Euro auf 100 Kilometer rechnen. Da ist nicht mehr nur ein sparsamer Diesel günstiger, sondern praktisch jedes Verbrennerauto.
Die sportliche Grundhaltung des Polestar 2 macht sich nicht nur beim Verbrauch bemerkbar, sondern auch beim Fahrkomfort. Die im Testwagen verbaute, optionale Öhlins-Federung (Performance-Paket, Aufpreis 6.000 Euro inklusive 20-Zoll-Schmiedefelgen und Brembo-Bremsen) ist sehr straff abgestimmt und schränkt das Wohlbefinden der Passagiere auf schlechten Straßen spürbar ein. Eine Verstellmöglichkeit, zum Beispiel über elektronische Dämpfer, gibt es leider nicht. Und wo wir schon beim Meckern sind: Das Platzangebot auf der Rücksitzbank reicht für groß gewachsene Personen nicht aus; vor allem die Kopffreiheit ist sehr knapp.
Innenraum frei von nutzlosem Design-Chichi
Doch von diesen beiden Kritikpunkten abgesehen zeigte sich der Polestar 2 als sehr überzeugendes Angebot in der elektrischen Mittelklasse. Beginnen wir beim Design: Für das SUV-geschädigte Auge ist die mit nordischer Strenge gestaltete Fließheck-Limousine eine echte Wohltat. Zwar ist die Gestaltung eindeutig von der aktuellen Volvo-Linie beeinflusst, trotzdem fällt es dem Betrachter angesichts des markanten Heckabschlusses doch schwer, nicht wehmütig an eine andere, leider verflossene schwedische Marke zu denken.
Der Innenraum zeigt sich ebenfalls zurückhaltend und frei von nutzlosem Chichi. Die einzige Frivolität, die sich die Polestar-Designer gestatteten, sind die goldfarbenen Gurte. Die gesamte Bedienung erfolgt über einen großen Zentralbildschirm, dessen Bedienkonzept auf Android Automotive basiert. Damit kommt man nicht schlechter zurecht als mit anderen touchbasierten Systemen. Eine längere Eingewöhnungsphase ist aber unvermeidlich. Das Fehlen eines „Zurück“-Buttons stört.
Fazit: Der Polestar 2 ist ein überzeugendes Angebot im kleinen Segment der klassischen Limousinen mit Elektroantrieb. Das gute Platzangebot (mit kleinen Einschränkungen hinten) samt zweier Kofferräume macht den SUV verzichtbar. Durch die beiden Varianten Single und Dual Motor ist das Angebot weit gespreizt und der Einstieg verblüffend günstig. Der Einstiegspreis beträgt 41.930 Euro. Die Variante Long Range Dual Motor ist ab 47.930 Euro zu haben. Zum Vergleich: Der Tesla Model 3 ist ab 42.990 Euro erhältlich, der neue BMW i4 kostet mit 250 kW/350 PS ab 59.200 Euro.
Der mit den Paketen Pilot, Plus und Performance voll ausgestattete Testwagen brachte es auf 62.400 Euro.
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