Der Wirtschaftsfaktor Oldtimermarkt braucht Fachkräfte
Künftig gibt es den/die Geprüfte(n) Restaurator(in) im Kraftfahrzeugtechnischen sowie im Karosserie- und Fahrzeugbauer-Handwerk. Andrea Zeus, zuständige Referentin im Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK), erläutert die Hintergründe.
Anbieter zum Thema

Redaktion: Wie ist der Stand der Dinge bei den Fortbildungen zu den Geprüften Restauratoren im Handwerk?
Andrea Zeus: Hierzu muss ich etwas ausholen. Mehrere Spitzenorganisationen des Handwerks haben 2015 eine Initiative zur Neuordnung des Geprüften Restaurators im Handwerk gestartet. Im Jahr darauf stellte der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) den Antrag zur Erarbeitung einer Fortbildungsverordnung nach Paragraf 42 Handwerksordnung (HwO). Ebenfalls 2016 berief das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) die Sachverständigen des erforderlichen Fachbeirats. Die Fortbildungsverordnung wird seit Anfang 2018 erarbeitet. Derzeit durchläuft der Entwurf der Neuordnung die verschiedenen Gremien auf bildungspolitischer Ebene. Beim ZDK rechnen wir damit, dass Ende 2019 die Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt erfolgen wird. Dann ist der/die Geprüfte Restaurator(in) im Handwerk verordnet. Kurzum: Zu den bisher 15 Gewerken des Restaurators im Handwerk werden als 16. und 17. Gewerke der/die Geprüfte Restaurator(in) im Kraftfahrzeugtechnischen Handwerk und der/die Geprüfte Restaurator(in) im Karosserie- und Fahrzeugbauer-Handwerk hinzukommen.
Wie würden Sie die Tätigkeit von Restauratoren im Handwerk umschreiben?
Restauratoren im Handwerk sind Fachkräfte und Spezialisten für den Erhalt unseres Kulturerbes. Die Fortbildung qualifiziert Handwerker auf Basis des Meisterbriefs zu Restaurierungsexperten in ihrem Gewerk mit zusätzlichen Fertigkeiten in historischen und traditionellen Handwerkstechniken. Sie werden befähigt, Voruntersuchungen durchzuführen sowie Restaurierungskonzepte und Dokumentationen zu erstellen.
Besteht zwischen den in den 2000er Jahren unternommenen Schritten und der aktuellen Entwicklung ein Zusammenhang? Die damaligen Bemühungen scheiterten auch deshalb, weil die Oldtimerstudie des Berufsbildungsinstituts Arbeit und Technik (BIAT) einen zu geringen Bedarf feststellte.
Damals ging es nicht um den Bedarf für eine Fortbildung, sondern für einen neuen Beruf. Um einen neuen Beruf zu installieren, sind laut Berufsbildungsgesetz (BBiG) pro Ausbildungsjahr 260 Auszubildende nachzuweisen. Diesen Nachweis können wir nach wie vor nicht erbringen. Insofern besteht kein Zusammenhang – in gewisser Weise aber doch. Wir sind gestartet, um dem drohenden Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Gesehen hat man den Bedarf an Fachkräften in Oldtimerwerkstätten. Für die anderen Werkstätten war man der Ansicht, dem Mangel mit Kursen in Blechbearbeitung entgegenwirken zu können. Den Oldtimermarkt hat man nicht als separaten Markt wahrgenommen. Gängige Meinung war, dass man für ein Hobby nicht so viele Umstände machen müsse. Die Studie der Beratungsgesellschaft BBE Automotive von 2013 hat erstmals den Oldtimermarkt als Wirtschaftsfaktor nachgewiesen. Das führte zum Umdenken, kam für unsere Bemühungen aber zu spät. Aufgeben war jedoch keine Option. So entstand die Weiterbildung bei der TAK, und wir schlossen uns der Neuordnung zum Restaurator im Handwerk an.
Bei einem solchen Vorhaben gibt es üblicherweise mehr als nur ein Hindernis, welches aus dem Weg geräumt werden muss.
Glücklicherweise standen keine weiteren Hindernisse im Weg. Allerdings war es schwer, zwei Punkte zu verdeutlichen. Zum einen innerhalb des Kfz-Handwerks, dass der Restaurator im Handwerk ursprünglich aus dem Bereich der Denkmalpflege stammt. Zum anderen den Sachverständigen des Fachbeirats, also extern, dass das Karosserie- und Fahrzeugbauer-Handwerk und das Kraftfahrzeugtechnische Handwerk zwei verschiedene Berufe sind. Bei einer Restaurierung wird schließlich nicht nur die Karosserie bearbeitet. In der Ausbildung handelt es sich um zwei eigenständige Berufe, nun wird das auch beim Restaurator so abgebildet. Das bedeutet aber nicht, dass ZDK und ZKF nicht sehr eng zusammengearbeitet haben.
Welche Rahmenbedingungen – Zugangsvoraussetzungen, effektive Weiterbildungsdauer in Stunden, Gesamtdauer in Jahren, Charakter der Abschlussprüfung – sind zu beachten?
Die Voraussetzung für die Fortbildung ist zunächst eine erfolgreich abgelegte Meisterprüfung plus der Nachweis einer mindestens einjährigen Berufspraxis. Zugelassen werden kann aber auch, wer durch Vorlage von Zeugnissen oder auf andere Weise glaubhaft machen kann, dass er Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten erworben hat, die die Zulassung rechtfertigen. Die Fortbildung wird in circa 800 Stunden erfolgen. Dabei handelt es sich um Präsenzstunden. Abhängig von den Vorkenntnissen kommen entsprechende Selbstlernstunden dazu. Ob man die Fortbildung nur in Voll- oder auch in Teilzeit absolvieren kann, ist noch nicht festgelegt. Die Struktur der Fortbildung gliedert sich in übergreifende und spezifische Qualifikationen; diese beiden Teile werden schriftlich geprüft. Sie bestehen jeweils aus drei Aufgaben, abgeleitet aus einer praxisbezogenen Situation. Ein weiterer Prüfungsteil ist die Projektarbeit, die aus der Projektierung, der Ausführung von Erhaltungs-, Restaurierungs- und Konservierungsmaßnahmen, der Dokumentation, der Präsentation und einem Fachgespräch besteht. Es gibt eine umfängliche und zusammenhängende Fragestellung zur Erhaltung des handwerklich-immateriellen Kulturerbes sowie zur Restaurierung und Konservierung des materiellen Kulturerbes. Anzuwenden sind handwerkliche Verfahren und wissenschaftliche Methoden.
Wie lässt sich der deutsche Restaurator im Kfz-Handwerk auf europäischer Ebene einordnen?
Das kann schlussendlich erst nach der Verordnung festgelegt werden. Bei der Neuordnung sind wir mit dem Anspruch auf die Einstufung DQR 7 – akademische Ebene – innerhalb des Deutschen Qualifikationsrahmens (DQR) angetreten. Entsprechend wurden die Inhalte definiert. Doch erst nach der Verordnung ist es die Aufgabe der Bund-Länder-Koordinierungsstelle, die Zuordnung in Zusammenarbeit mit dem Arbeitskreis DQR auf ihre Stimmigkeit zu prüfen. Daraufhin erfolgt die Einstufung.
In der Schweiz startete im November 2015 die Weiterbildung zum Fahrzeugrestaurator mit eidgenössischem Fachausweis. Hat die schweizerische Weiterbildung eine Vorbildfunktion für den deutschen Restaurator im Kfz-Handwerk inne?
Wir wissen aus Gesprächen mit Schweizern aus der Kfz-Branche, dass die dortige Weiterbildung erfolgreich läuft. Es wäre super, wenn wir das in Deutschland in drei Jahren auch sagen können. Von daher ist die schweizerische Weiterbildung schon ein Vorbild. Allerdings müssen wir zwischen Weiterbildung und Fortbildung unterscheiden. Eine Weiterbildung ist die Fortführung des Lernens. Eine Fortbildung erhält ihre Abgrenzung zu anderen Bildungsmaßnahmen durch das Berufsbildungsgesetz. Mit einer Fortbildung qualifiziert man sich zu einer höheren beruflichen Position. Vor diesem Hintergrund ist die schweizerische Weiterbildung nicht mit dem deutschen Restaurator gleichzusetzen. In Deutschland handelt es sich um eine Fortbildung nach Paragraf 42 a HwO mit einer Abschlussprüfung vor der Handwerkskammer. Die Inhalte der fachspezifischen Weiterbildung obliegen den Sachverständigen der jeweiligen Fachrichtungen. Den Rahmen gibt das Berufsbildungsgesetz vor. Das BIBB bereitet die Neuordnung einer Ausbildungsordnung vor. Es erarbeitet die Entwürfe gemeinsam mit Sachverständigen aus der Berufspraxis, die von den Arbeitgebern und Arbeitnehmern entsandt werden. Viele im Berufsbildungsgesetz festgelegte Vorschriften für die Ordnung der Berufsausbildung beruhen auf Regelungen, die zuvor in der Ausbildungspraxis entwickelt wurden und sich dort bewährt haben.
Führt man sich die heutige Kfz-Ausbildung in Deutschland vor Augen, in der mehr Erneuern als Instandsetzen gelehrt wird, entsteht der Gedanke, dass es einem späteren Restaurator des Kfz-Handwerks schwerfallen wird, tatsächlich zu restaurieren, also materialschonend und erhaltend zu arbeiten, statt handwerklich-produzierend zu erneuern. Sieht man auch beim ZDK diese Gefahr?
Im Grunde genommen wird schon heute in den Fachbetrieben restauriert, also materialschonend und erhaltend gearbeitet. Nicht vergessen darf man, dass es rechtliche Bestimmungen und Regelwerke im Kulturerbekontext gibt; auch das Denkmalschutzgesetz greift. Da heißt es beispielsweise: Kulturerbe kultur- und handwerksgeschichtlich einordnen und sichern, aufbereiten und an die nächste Handwerksgeneration weitergeben. Auszubildende, die sich für historische Fahrzeuge interessieren, werden auch lernen, erhaltend zu arbeiten. Das eine schließt das andere nicht aus.
In diesem Zusammenhang: Die im »kfz-betrieb« Mitte Juni online veröffentlichten Sollfähigkeiten eines Restaurators im Kfz-Handwerk erwecken einen eher theoretischen als praktischen Eindruck. Ist dieser Eindruck falsch?
Nein, dieser Eindruck ist nicht falsch. Wie schon erwähnt setzt die Fortbildung den Meister voraus. Wollen wir dem Meister noch die Praxis, also sein Handwerk beibringen? Das sollte er doch beherrschen. Wir bewegen uns auf der Bildungsstufe DQR 7, was bedeutet, hier wird wissenschaftlich gearbeitet. Für Handwerker hört sich das sehr hochgestochen an. Das ist es aber nicht. Wer sich intensiv mit der Restaurierung, Konservierung, Instandhaltung, Instandsetzung etc. beschäftigt, handelt bereits wissenschaftlich, ohne es zu wissen. Zum Beispiel, wer Versuche macht, wie sich Material unter bestimmten Bedingungen verhält, hat schon wissenschaftlich gearbeitet.
Hier muss ich aber Einspruch einlegen. Der Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker fehlen auch praktische Inhalte, die den Kfz-Mechanikern und Kfz-Elektrikern noch beigebracht wurden. Wie sollen künftige Restauratoren Konzepte für Restaurierungen erarbeiten, wenn sie die hierfür nötigen Arbeitsverfahren gar nicht kennen?
Richtig, in unserer Ausbildung kommen manche Arbeitsverfahren nicht mehr vor. Das bedeutet, dass die fehlenden Kenntnisse und Fähigkeiten über Seminare, beispielsweise bei der TAK, kompensiert werden müssen. Je nach Bedarf können wir weitere Angebote machen. Ich denke, das wird die Praxis zeigen. Es wird kein Meister zum Restaurator werden, der nicht schon viele Jahre seines Arbeitslebens mit Oldtimern zu tun hat.
Können Sie bereits konkrete Aussagen zu Starttermin, Ende der Einschreibung und Kontaktdaten treffen? Wo wird die Weiterbildung stattfinden?
Zu allen Punkten: Nein, das kann ich noch nicht sagen. Wir beginnen gerade damit, die Inhalte der spezifischen Qualifikation zu definieren. Wenn die Verordnung dann Ende des Jahres kommt, werden wir so früh wie möglich mit der Umsetzung beginnen. Wir gehen nicht davon aus, dass jede Handwerkskammer die Fortbildung anbieten will oder kann. Wie genau das aussehen wird, kann ich im nächsten Jahr sagen.
Zu den Kosten der Weiterbildung: Welche Summe müssen die Teilnehmer investieren?
Die Kosten können wir erst errechnen, wenn wir genau sagen können, wie hoch der Aufwand alles in allem sein wird. Auch die Zahlungsmodalitäten sind noch völlig offen.
In der Schweiz erhalten Teilnehmer der Weiterbildung zum Fahrzeugrestaurator mit eidgenössischem Fachausweis 50 Prozent der Kosten vom Staat erstattet, sofern sie an der Prüfung teilnehmen. Ist eine vergleichbare Vorgehensweise auch für Deutschland denkbar?
In der Schweiz hat man zudem eine Stiftung gegründet, die die dortige Weiterbildung fördert und zum Teil finanziert. Bei uns wird es Fördermöglichkeiten vom Bund geben. Wie genau das aussehen wird, kann ich noch nicht sagen. Eine Stiftung in Deutschland analog zu der in der Schweiz, das wäre natürlich etwas ganz Tolles. Das bundesweite Stipendienprogramm zur beruflichen Fortbildung zum Restaurator im Handwerk, welches von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz ins Leben gerufen wurde, soll Handwerkern die Chance geben, dieses besondere Arbeitsfeld in der Denkmalpflege zu erschließen und ihnen berufsbegleitend die Kompetenzen im Umgang mit historischen Materialien und Techniken sowie die Kenntnisse moderner denkmalgeeigneter Methoden zu vermitteln.
Zum Schluss ein weiterer Blick zurück: Die 2010 gestartete Zusatzausbildung für Kfz-Auszubildende zur Fachkraft für historische Fahrzeuge wurde 2016 eingestellt. Was war der Hintergrund? Warum kam diese Ausbildung nicht über die Pilotprojektphase hinaus? Wie viele Fachkräfte wurden an welchen Standorten ausgebildet?
Die Zusatzqualifikation in der Ausbildung war ein Branchenmodell. Das bedeutet, dass es keinerlei Förderung für zum Beispiel überbetriebliche Lehrgänge gab. Betriebe mussten ihre Auszubildenden für die zusätzlichen Stunden freistellen und dann auch die überbetrieblichen Lehrgänge selbst bezahlen. Das war letztlich der Grund, warum dieses Pilotprojekt nicht im gewünschten Umfang angenommen wurde. Insgesamt wurden in der Laufzeit des Pilotprojekts 160 Auszubildende qualifiziert. Nachfragen von Auszubildenden gab es viele, doch die Zusatzqualifikation war auf acht Standorte beschränkt. Der ZDK hat bei allen Standorten die Prüfungen abgenommen, was auch zu einem zeitlichen Problem wurde. Da wir nicht die nötige Anzahl an Auszubildenden hatten, um einen neuen Beruf zu etablieren – eben 260 pro Ausbildungsjahr –, hat der Berufsbildungsausschuss die Entscheidung getroffen, das Pilotprojekt einzustellen.
Manche Ausbildungsstandorte halten bis heute an dieser Ausbildung fest. Handelt es sich dabei wirklich auch um exakt denselben Abschluss? Und welche Zukunftsaussichten bestehen für diese Ausbildung?
Die Standorte sind alle dabei geblieben und werden, falls erforderlich, noch von uns unterstützt. Es handelt sich weitgehend um den gleichen Abschluss. Mittlerweile gibt es aber auch neue Standorte, die dieses Angebot an Berufsschulen und Bildungszentren umsetzen. Der ZDK unterstützt in der Anfangsphase mit Rat und Tat. Wie die Zukunftschancen sind, hängt natürlich auch vom generellen Interesse junger Menschen am Auto ab. Eine Prognose wäre Kaffeesatzleserei. Was ich allerdings sagen kann: Die Möglichkeit, sich bis hin zum/zur Geprüften Restaurator(in) im Kraftfahrzeugtechnischen Handwerk weiterbilden zu können, ist durchaus als weiterer Anreiz in der Ausbildung zu sehen.
(ID:46271085)