„Es kommen enorme CO2-Strafzahlungen zusammen“

Autor Christoph Baeuchle

Die Branche steht vor einer neuen Ära, und der Einstieg droht hart zu werden. Nach dem derzeitigen Stand drohen Herstellern aufgrund verfehlter CO2-Ziele Milliarden-Strafen. Eric Haase und Frank Bräutigam von Jato Dynamics erläutern, was auf Hersteller und Händler zukommt.

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Eric Haase, Geschäftsführer von Jato Dynamics (links), und Frank Bräutigam, zuständig für den Bereich Operations und Research in Deutschland.
Eric Haase, Geschäftsführer von Jato Dynamics (links), und Frank Bräutigam, zuständig für den Bereich Operations und Research in Deutschland.
(Bild: Jato Dynamics)

Die Branche steht vor einer neuen Ära, und der Einstieg droht hart zu werden. Nach dem derzeitigen Stand drohen Herstellern aufgrund verfehlter CO2-Ziele Milliarden-Strafen. Eric Haase und Frank Bräutigam von Jato Dynamics erläutern, was auf Hersteller und Händler zukommt.

Redaktion: Herr Haase, ab 2020 gelten für die Hersteller CO2-Grenzen. Halten Sie diese nicht ein, drohen Strafzahlungen. Für welche Hersteller wird es eng?

Eric Haase: Legt man das jeweils aktuelle Portfolio der Hersteller von Ende 2019 zugrunde, dann sind fast alle von Strafzahlungen betroffen. Im Durchschnitt liegen sie nach unseren Analysen europaweit derzeit zwischen 20 und 25 Gramm über den Zielen. Multipliziert mit dem Absatzvolumen kommen enorme Strafzahlungen zusammen.

Rechnen Sie mit Milliarden-Strafzahlungen?

Haase: Derzeit ja, wenn man die aktuelle Situation zugrunde legt. Die Berechnungen beruhen auf den offiziellen Angaben der Unternehmen für das derzeitige Produktportfolio, die Hersteller ergreifen aber noch weitere Maßnahmen.

Welche?

Frank Bräutigam: Um die Ziele zu erreichen, setzen die Hersteller natürlich auf Elektro- und Hybridmodelle, die sind mittlerweile in vielen Produktprogrammen zu finden. Aber auf der anderen Seite lassen sie auch Motorisierungen, Automatikgetriebe oder ganze Modelle wegfallen.

Welche Modelle fallen weg?

Bräutigam: Beispielsweise haben die Hersteller in den vergangenen Monaten 15 Modelle auslaufen lassen. Dabei handelt es sich sowohl um kleinere Modelle wie Fiat Punto und Alfa Romeo Mito als auch um größere Modelle wie Mitsubishi Pajero und DS 5. Volkswagen hat den Beetle und den Jetta aus dem Programm genommen.

Wegen der CO2-Ziele im kommenden Jahr?

Bräutigam: Diese sind ein Grund, aber natürlich auch die Kundenpräferenzen und Segmententwicklungen. Es lohnt sich auch beispielsweise eher nicht, ein kleines Fahrzeug mit teurer Hybridtechnologie auszustatten. Die Marge ist in diesen Segmenten tendenziell zu gering.

Welche Möglichkeiten zur CO2-Senkung gibt es bei Fahrzeugen, die die Hersteller noch anbieten?

Haase: Als Marktbeobachter sind wir natürlich auf die Daten angewiesen, die Hersteller offiziell publizieren und die man uns zur Verfügung stellt. Im Feintuning ist auch noch die eine oder andere Maßnahme möglich. So reduziert ein Leichtlauföl Verbrauch und Emissionen eines Motors, oder die Hersteller optimieren den Luftwiderstand.

Emissionsvorgaben: Der Einstieg ist am härtesten

Durch das reduzierte Gewicht sinkt der Verbrauch. Auf der anderen Seite berichten Händler das Gegenteil. Demnach sollen Hersteller wieder Stahl- statt Alufelgen montieren.

Haase: Die weiteren Ziele 2025 und 2030 beruhen auf den Werten von 2021. Da könnte man den Versuch vermuten, mit schwereren Fahrzeugen höhere Ziele zu erreichen. Dem steht jedoch entgegen, dass sich der Verbrauch überproportional erhöht und die Kurve der erlaubten Emissionen in Relation zum Gewicht abflacht.

Durch gezielte Verkaufsförderungen und die Preisgestaltung lässt sich viel beim Kunden erreichen. Wie entwickeln sich die Preise?

Haase: Dazu haben wir keine aktuelle Erhebung durchgeführt. Allerdings ist davon auszugehen, dass die Hersteller die Preise und Verkaufsförderungen nutzen, um die Nachfrage zu steuern. Eine starke Motorisierung könnte künftig teurer sein. Auch die Margengestaltung der Händler kann dabei eine wichtige Rolle spielen.

Die Emissionsvorgaben verschärfen sich nun Schritt für Schritt – in der Berechnung und in den Zielen. Welches Jahr bereitet den Herstellern nach ihrer Einschätzung die größten Probleme?

Haase: Der Einstig in die Thematik ist für die Hersteller am härtesten. 2020 launchen die Hersteller zahlreiche Elektroautos und Plug-in-Hybride. Vieles ist neu, der Erfolg nicht garantiert. Auch die weiteren Steuerungsmöglichkeiten müssen richtig angewandt werden. Viele Hersteller werden es nicht schaffen, die Strafzahlungen zu vermeiden. Sehr wahrscheinlich haben sie diese bereits einkalkuliert.

Und die verschärfte Berechnung 2021?

Haase: Dann zählen die einzelnen Modellvarianten und Optionen dazu, neben der Einhaltung des Ziels zu 100 Prozent. Allein eine Dachreling oder eine Anhängekupplung können schon beispielsweise zu einem weiteren Gramm CO2 führen. Das ist nicht unerheblich. Kombiniert mit weiteren Optionen wie Rädern oder Glasschiebedach kann dies sechs bis sieben Gramm zusätzlich ausmachen.

Und was ist mit den verschärften Zielen 2025 und 2030 zu erwarten?

Haase: In den nächsten beiden Jahren haben wir eine Mobilitätswelt, die wir noch kennen. 2030 wird sich die individuelle Mobilität ganz anders darstellen. Dabei gibt es noch viele offene Fragen und Unklarheiten. Klar ist nur, dass Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor dann einen durchschnittlichen Verbrauch von weniger als drei Litern haben müssen.

In Ausgabe 1-2, die am 10. Januar 2020 erscheint, gibt »kfz-betrieb« einen Ausblick auf die Branchenentwicklung in den nächsten Monaten.

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