Zweiradmobilität Fahrradhersteller: „Der Autohandel berät anders und besser“

Von Christian Otto Lesedauer: 5 min

Anbieter zum Thema

Der deutsche Anbieter Urwahn legt großen Wert auf „made in Germany“ – und geht auch bei der Vermarktung seiner Produkte eigene Wege. Im Gespräch verriet Gründer Sebastian Meinecke, warum der Autohandel ein attraktiver Partner beim Vertrieb von E-Bikes ist.

Urwahn-Chef Sebastian Meinecke (l.), hier mit seinem Mitgründer Ramon Thomas, sieht im Autohandel einen guten Vertriebspartner für die aus dem 3D-Drucker kommenden Zweiräder des Herstellers.
Urwahn-Chef Sebastian Meinecke (l.), hier mit seinem Mitgründer Ramon Thomas, sieht im Autohandel einen guten Vertriebspartner für die aus dem 3D-Drucker kommenden Zweiräder des Herstellers.
(Bild: Urwahn)

Mit seinem einzigartigen Design, dem per 3D-Druck aus Stahl hergestellten Rahmen sowie der Konzentration auf die Montage und den Komponenteneinkauf in Deutschland geht der Fahrrad- und E-Bike-Hersteller Urwahn aus Magdeburg konsequent seinen eigenen Weg. Im Interview äußert sich Gründer Sebastian Meinecke, welchen Stellenwert das boomende E-Bike-Geschäft in der Automobilbranche hat, warum Autohändler gute E-Bike-Vermarkter sind und warum „made in Germany“ nicht teurer sein muss.

Wird das Bikegeschäft auch in der Automobilbranche als großes Potenzial gesehen?

Sebastian Meinecke: Ja. Hersteller wie Audi, Porsche und Co. können sicher auch selbst als Hersteller auftreten. Sie haben es aber teilweise nicht verstanden. Sie entwickeln, weil sie es können. Aber die Frage muss zuerst lauten: Was will der Kunde? Die Handelspartner in der Automobilindustrie denken auch um. Da muss es ein Miteinander zwischen Autohandel und Fahrrad- und Mikromobilitätsanbietern geben. Denn die Städte verändern sich.

Wie sehen Sie beispielsweise das Engagement von Porsche im Fahrradgeschäft?

Ich finde den Einstieg von Porsche sehr spannend. Denn die konservative Fahrradbranche muss mehr zusammenarbeiten, und Porsche hat das mit hineingetragen. Der OEM hat sich gute Partner gesucht, die wiederum neu miteinander verknüpft wurden und die themen- und branchenübergreifend neue Kontakte suchen. Aber Porsche hat auch in der Vergangenheit Lehrgeld gezahlt, weil die Fahrradbranche nicht wie die Automobilbranche funktioniert. Ich finde es trotzdem stark, dass so eine Marke sagt, dass sie die Zweiradmobilität ernster nimmt.

Urwahn nutzt den Automobilzulieferer Mahle als Motorenlieferant für seine E-Bikes. Warum?

Beim Antriebshersteller haben wir uns mit Mahle zusammengetan, weil uns die Philosophie und die Produkte überzeugt haben. Mahle liefert ein sehr geschlossenes System, was beispielsweise bei der Instandhaltung Vorteile bringt. Sie haben aber vor allem zugehört und sind uns auf Augenhöhe begegnet. Zudem haben sie uns mit reingelassen: Wir durften selbst die Leistungskurven anpassen.

Für die Vermarktung setzen Sie auf Partnerschaften mit Autohausgruppen. Wie liefen die ersten Anbahnungen?

Die Partner sind auf uns zugekommen. Das Individualisierungsthema hat sie angesprochen, weil das ein ähnlicher Ansatz wie beim Auto ist. Da ist 2021 beispielsweise Senger Neo auf uns zugekommen. Wir haben tiefgreifende Gespräche geführt, um die gemeinsame Vision abzuklären. Das war die Zündung, denn auch der Autohandel denkt über die Mobilität der Zukunft nach, die nicht nur durch das Auto beantwortet wird. Einige sehen sich schon als Mobilitätshubs der Zukunft. Sie bieten eine professionelle Umgebung und eine tiefgreifende Beratungsebene. 2022 sind wir dann stärker hochgefahren und werden in diversen Autohandelsgruppen gelistet.

Und wo sehen Sie den Vorteil in der Kooperation mit den Autohändlern?

Sie beraten anders und besser. Im Fahrradladen ist ein wenig die Leidenschaft raus. Die Selektivität in der Beratung ist aber die Zukunft. Die Leute, die heute in einer bestimmten Preisregion konsumieren, beschäftigen sich damit und wollen nicht in einem Laden ein Überangebot von Produkten, die sich alle ähnlich sehen. Der jeweilige USP ist nicht erkennbar. Der Autohandel bietet da ein intensiveres und selektiveres Angebot. Wir setzen uns da mit drauf und bieten auch Mobiliar etc. für die Läden mit an.

Wie viele Einheiten hat Urwahn 2022 ausgeliefert und wie sieht die Verteilung zwischen E- und normalen Varianten aus? Was ist für 2023 geplant?

Wir haben 2022 insgesamt 500 Einheiten produziert. 70 Prozent elektrifiziert und 30 Prozent Biobike. Wir stehen für dieses Jahr nicht still und skalieren weiter. Daneben gibt es auch Produktneuheiten, wo wir beispielsweise mit Mahle eine neue Plattform umsetzen. Zudem erschließen wir neue Materialien.

Und wo wollen Sie perspektivisch hin?

Wir wollen uns über das Fahrrad hinaus weiterentwickeln. Es soll nur ein Vehikel aus unserem Haus sein. Wir stehen für maßgeschneiderte Lösungen im urbanen Raum. Für alle Szenarien haben wir Produkte. Es wird dafür noch ein S-Pedelec kommen bis 45 km/h. Zudem ist ein E-Cargo in der Pipeline. Es ist nicht klassisch, weil uns die derzeitigen Packages zu groß erscheinen. Es hat einen modularen Ansatz, das heißt, es kann als Cargo oder als reines Bike genutzt werden, und es soll leicht und so klein sein, dass man es in die Wohnung transportieren und dort platzsparend abstellen kann. Und meine große Vision ist ein E-Motorrad bis Klasse A1. Dann hätten wir unseren Anspruch einer umfassenden Zweiradmobilität sehr gut erfüllt.

Jetzt Newsletter abonnieren

Verpassen Sie nicht unsere besten Inhalte

Mit Klick auf „Newsletter abonnieren“ erkläre ich mich mit der Verarbeitung und Nutzung meiner Daten gemäß Einwilligungserklärung (bitte aufklappen für Details) einverstanden und akzeptiere die Nutzungsbedingungen. Weitere Informationen finde ich in unserer Datenschutzerklärung.

Aufklappen für Details zu Ihrer Einwilligung

Das Thema Kosten ist derzeit für alle ein Problem. Damit verbunden sind Preiserhöhungen: Wie sensibel sind Ihre Kunden?

Die Kunden wären bereit, auch da wir neue Zahlungsmodalitäten anbieten, wie Leasing, Ratenzahlung und Co. Und wir gehen transparent mit unseren Prozessen um. Sie wissen um den hohen Individualisierungsgrad und dass das Bike regional und on demand gefertigt ist. Wir sehen es als Challenge. Deshalb versuchen wir eher, die Produktionskosten zu skalieren, um die Kosten und damit die Preise stabil zu halten. Und am Standort Kiel bauen wir gerade eine neue Technologie auf, die uns eine Reduktion der Produktionskosten bringen wird.

Wie passen Kostensenkungen und made in Germany zusammen?

Das ist das klassische Argument für den Einkauf in Fernost, wie wir es bisher machen mussten. Aber du hast dort meist Lieferzeiten von 12 bis 24 Monaten, und das bindet wirklich Liquidität und ist sehr unflexibel. Dann hast du womöglich noch Lagerkosten etc. Deshalb haben wir bei der Kurbel unsere bestehenden regionalen Partner angesprochen, ob wir diese nicht zusammen entwickeln wollen. So bringen wir zwei Technologien zusammen, mit denen wir günstiger fertigen als in Fernost, mit höherem Innovationsgrad und höherer Flexibilität.

Wird es irgendwann auch im Schaltungsbereich in Europa Wertschöpfung geben?

Während der ersten Coronajahre und aufgrund der damit verbundenen Probleme in der Lieferkette haben viele Hersteller in der Fahrradbranche genau das gefordert. Aber es tut sich nichts, weil es genau diesen großen Marken sehr gut geht und sie deshalb doch lieber günstig in Asien produzieren lassen. Da ist deren Situation zu komfortabel. Allerdings gebe es in Deutschland die Möglichkeit, auch diese Komponenten herzustellen.

(ID:48986222)