Bilanz Kfz-Gewerbe Niedersachsen Für die E-Mobilität schlägt 2023 die Stunde der Wahrheit

Von Doris Pfaff Lesedauer: 5 min

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Trotz guter Geschäfte 2022 blickt das Kfz-Gewerbe Niedersachsen/Bremen skeptisch auf das laufende Autojahr: Kaufzurückhaltung und Lieferkettenprobleme belasten den Handel. Und: Landesverbandschef Bley sieht bei Flottenkunden aufgrund von Änderungen bei der E-Förderung ein Comeback des Diesels.

Der Vorstand des Landesverbands Niedersachsen (v.l.): Joachim Czychy, Karl-Heinz Bley und Christian Metje.
Der Vorstand des Landesverbands Niedersachsen (v.l.): Joachim Czychy, Karl-Heinz Bley und Christian Metje.
(Bild: Zietz – »kfz-betrieb«)

Trotz guter Rendite und gestiegenen Gesamtumsatzes sieht das Kfz-Gewerbe Niedersachsen keine Anzeichen für automobile Normalität. Die Bilanz von 2022 gebe den Kfz-Betrieben zwar wieder etwas Luft zum Atmen, sagte der Präsident des Landesverbands Karl-Heinz Bley bei der Vorstellung der Zahlen zum vergangenen Autojahr. Doch die Herausforderungen für die Betriebe blieben enorm.

Neben den konjunkturellen Unsicherheiten durch weiterhin gestörte Lieferketten rechnet er mit weiteren Belastungen des Autohandels unter anderem durch neue Vertriebsformen. Bley: „Wir fahren noch nicht in der Normalspur.“ Hinzu kämen die steigenden Listenpreise, die unverändert langen Lieferzeiten sowie massiv gestiegene Energiekosten.

Letzteres löse eine Kaufzurückhaltung aus, die sich zum Jahresstart auch in einer hohen zweistelligen Minusquote für den Auftragseingang gezeigt habe. „Noch leben wir von einem hohen Auftragsbestand“, sagte Bley.

Gestiegene Umsätze durch Fahrzeugpreise

Das Autojahr 2022 habe die Branche indes besser bewältigt als befürchtet, sagte der Präsident des Kfz-Landesverbandes. Der Gesamtumsatz im niedersächsischen Markt sei trotz eines um 13 Prozent kleineren Absatzvolumens auf 26,9 (Vorjahr: 25,4) Milliarden Euro gestiegen. Der Grund: spürbar höhere Preise für neue und gebrauchte Pkw.

874.282 Autokäufe, davon 265.906 Neuwagen, weise die Jahresbilanz aus, die mit der E-Mobilität einen klaren Gewinner und mit dem Gebrauchtwagenmarkt einen Verlierer habe. „Wie ein Leuchtturm“ rage aus der Jahresbilanz die Umsatzrendite heraus, die von 1,6 auf 3,1 Prozent gestiegen sei. Die hohen Fahrzeugpreise hätten dem Kfz-Gewerbe höhere Erträge und Umsätze beschert, so Bley.

Der Gesamtumsatz gliedere sich in 11,5 (Vorjahr: 10,1) Milliarden Euro für den Neuwagenmarkt und 11,4 (Vorjahr: 11,5) Milliarden Euro für das Geschäft mit gebrauchten Pkw. Mit neuen Lkw sei ein Umsatz von 708,9 (Vorjahr: 720,4) Millionen Euro erreicht worden, mit gebrauchten Lkw 476,8 (Vorjahr: 494,8) Millionen Euro. Als zweiten Leuchtturm nach der Umsatzrendite bezeichnete Bley das Ergebnis beim Service: Der Umsatz dort habe um 10,4 Prozent auf 2,8 (Vorjahr: 2,5) Milliarden Euro zugelegt.

Der Anteil des Kfz-Gewerbes am Gesamtumsatz liege bei 74,8 Prozent. Der Grund: Bei den Neuzulassungen seien die Hersteller noch im Geschäft, und im Gebrauchtwagenmarkt realisierte der Privatmarkt etwas mehr als ein Drittel aller Besitzumschreibungen, so Bley.

Starke Einbußen beim Gebrauchtwagenmarkt

Stark gelitten habe das Autojahr 2022 durch die Lieferengpässe bei den Neuwagen. Das habe „das Handelsgeschäft nachhaltig belastet“ und sich mit 17,2 Prozent weniger Besitzumschreibungen auch dramatisch im Gebrauchtwagenmarkt ausgewirkt. Nicht allein das Marktvolumen sei rückläufig. Auch die Anteile für den Marken- und den freien Handel hätten eingebüßt. Gewinner sei der Privatmarkt, der fast um 40 Prozent zugelegt habe, berichtete Landespressesprecher Joachim Czychy.

„Nur eine Nebenrolle“ spiele die Elektromobilität im Geschäft mit gebrauchten E-Fahrzeugen, sagte Czychy weiter. Der Anteil der E-Autos bei den Gebrauchten liege bei 2,7 Prozent, im Neuwagenmarkt bei 28,9 Prozent. Der Preisanstieg bei Neuwagen um 13,6 Prozent auf 43.110 Euro sei vor allem dem hohen Anteil der E-Autos und dem erneut gestiegenen Anteil der SUVs zuzuschreiben. Auch das Luxus-Segment habe gewonnen, während die Klassen der Minis, Klein- und Kompaktwagen verloren hätten. Das liege auch an einem immer kleiner werdenden Angebot der Autoindustrie im sogenannten A-Segment.

Hürden bei der E-Mobilität und Heimkehr des Diesels

Für die Elektromobilität habe nun „die Stunde der Wahrheit“ begonnen: Denn mit gestrichener oder gekürzter staatlicher Förderung werde die Kauflaune für E-Autos spürbar getrübt. Um bis zu 60 Prozent sei der Verkauf von Plug-in-Hybriden zum Jahresstart eingebrochen, so Bley.

Weil Ende August die Förderung für gewerblich genutzte Fahrzeuge komplett ausläuft und die Strompreise hoch sind, erwartet der Präsident vor allem bei den Flotten „eine Heimkehr zum Diesel“. Es bleibe dabei, dass die Fahrzeugpreise, Reichweiten und Lademöglichkeiten hohe Hürden für einen Umstieg auf die E-Mobilität seien. In diesem Zusammenhang verwies Bley darauf, dass die Ladeinfrastruktur noch immer nicht das Tempo umsetze, das politisch gefordert werde.

Aktuell gebe es in Niedersachsen für rund 150.000 E-Pkw etwa 8.000 Ladepunkte. Das Ziel seien aber 90.000 Ladepunkte bis zum Jahr 2030. Bley: „Stand heute haben wir etwa 9 Prozent erreicht. Das ist deutlich zu wenig.“ Zukunftsweisend ist das Tempo bei den Schnellladern, deren Anzahl um 107 Prozent auf 1.413 gestiegen sei.

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Service wieder auf Vorkrisen-Niveau

Das Servicegeschäft sei inzwischen wieder auf das Niveau der krisenfreien Jahre bis 2019 gestiegen. Der Umsatz legte um 10,4 Prozent zu, die Werkstattauslastung liege mit 84 Prozent 5 Prozent über dem Vorjahr. Die Kosten für Wartung und Reparatur seien leicht gestiegen. Kräftige Steigerungen habe es im Geschäft der Unfallreparatur gegeben. Spürbar in der „Umsatzentwicklung nach oben“ seien die Unfallreparaturen mit einer Zunahme von „etwas über 20 Prozent“.

Positiv wertete Bley die Entwicklung des Ausbildungsmarktes. Die aktuelle Ausbildungsbilanz für Niedersachsen zeige ein stabiles Bild und gute Erholungstendenzen.

E-Fuels für den Bestand

Das Kfz-Gewerbe unterstütze die Klimaziele, zweifle aber am eingeschlagenen Weg, dass der E-Alleingang der Königsweg sei. Deswegen fordere das Kraftfahrzeuggewerbe mit allem Nachdruck, dass synthetische Kraftstoffe für Verbrenner in „alle Überlegungen zur Verkehrs- und Klimawende einfließen“, so Bley. Die neuen politischen Initiativen unter Einbeziehung synthetischer Kraftstoffe seien ein wichtiger und richtiger Weg hin zur Klimawende.

E-Fuels trügen zu einer umweltfreundlichen Mobilität bei. Sie böten eine Zukunft für Verbrennungsmotoren. Denn eines sollte die Politik erkennen: Das Aus für den Verbrenner ab 2035 sei keine globale Klimamaßnahme. Jenseits der EU-Grenzen werde es auch nach 2035 Diesel und Benziner geben, deren Emissionen nicht an den EU-Grenzen Halt machen würden.

Frühjahrsgeschäft wird richtungsweisend

Für das laufende Autojahr erwartet der Verband bei den Neuzulassungen ein kleines Plus um „etwa vier Prozent auf 275.000“ Erstzulassungen, so Bley. Ob die Talsohle durchschritten werden könne, werde das Frühjahrsgeschäft zeigen.

Umfragen in der Branche zeigten „höchst gegenläufige Erwartungen“. Auch das „emotionale Umfeld der individuellen Mobilität spiele eine große Rolle“. Der Verkehrsraum dürfe nicht einseitig zu Lasten des Automobils eingeschränkt werden, sagte Bley abschließend mit der Ergänzung, „dass es unverändert eine Partnerschaft der Verkehrsträger und -systeme geben muss“.

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