Jobabbau in der Autoindustrie belastet Kaufkraft im Süden
Eine Analyse zur Situation in der Automobilindustrie zeigt, dass vornehmlich kleine und mittlere Zulieferer existenziell gefährdet sind. Insgesamt droht ein harter Jobabbau, der vor allem zwei Bundesländer treffen wird. Eine Übersicht zeigt das Ausmaß.
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Autobauer könnten stark angeschlagenen Zulieferern die Aufträge entziehen und die drohende Marktbereinigung dadurch deutlich beschleunigen. Das ist ein Ergebnis einer Analyse des Beratungsunternehmens Falkensteg, über die zuerst die Fachzeitschrift »Automobil Industrie« berichtete. Die Unternehmen kämpfen derzeit mit einem historischen Nachfrageeinbruch, niedrigen Auslastungen und dem Transformationsdruck der Autobranche.
Laut der Studie wollen OEMs und Automobilzulieferer zwölf Prozent ihrer Jobs abbauen, also etwa 96.000 Arbeitsplätze. Bereits im vergangenen Jahr standen insgesamt 50.000 Jobs auf der Streichliste. Mit über 20.000 wegfallenden Stellen führt Daimler dieses Ranking an. Generell stehen die meisten gefährdeten Stellen in Bayern und Baden-Württemberg im Feuer. Kommt es zum Personalabbau, düfte das Auswirkungen auf die Kaufkraft haben und damit zum Teil auch auf den Automobilhandel.
Die Rahmenbedingungen befeuern die Konsolidierung unter den Zulieferern. Der Kuchen wird insgesamt für alle Marktteilnehmer kleiner, zusätzlich holen die OEMs die Wertschöpfung verstärkt in die eigenen Fabriken zurück. Um mehr Aufträge zu bekommen, reiche es für längere Zeit nicht mehr aus, Innovationen zu bringen oder organisch zu wachsen. Neben Einkaufstouren zu notleidenden Wettbewerbern bleibe laut Studienautor Jochen Wierz noch der „opportunistische Vertrieb im Hinblick auf die Verlagerung von Volumen von insolventen, abzuwickelnden Wettbewerbern“.
Lieferanten stärken
Auch das sei eine Art Konsolidierung, durchaus von den OEMs angestrebt: Statt angeschlagene Unternehmen weiter zu stützen, konzentriere man sich auf „leistungsfähige Lieferanten“ und stärke diese mit entsprechenden Aufträgen. So könnten einige Lieferanten ihre Werke besser auslasten, obwohl das Volumen in Summe geringer bleibe. Das Kalkül der Hersteller ist dabei selbstredend, dass durch die verbesserte Wirtschaftlichkeit die Preise stimmen.
Kollidiert das nicht trotzdem mit dem Wunsch der Hersteller, auf eine breite Zuliefererlandschaft zurückgreifen zu können – um die Lieferkette abzusichern, um eine lange „Ersatzbank“ zu haben; aber auch, um die Lieferanten beim Preis gegeneinander antreten zu lassen? Das sei die Gretchenfrage, sagt Wierz. „Wie viele Zulieferer brauche ich für die jeweiligen Teileumfänge“. Von einem einzelnen Lieferanten wolle freilich niemand abhängig sein. „Doch wenn weniger Unternehmen zu besseren Strukturkosten operieren können und so nachhaltig die entsprechenden Preise anbieten können, ist das eine Win-Win-Situation für beide Seiten.“
Automobilzulieferer: Größe entscheidet
Für insolvente Zulieferer sei hingegen die Lage prekär, da sie von Vergabeverfahren der OEMs ausgeschlossen seien. Und auch kleinere Unternehmen könnten noch stärker unter Druck geraten. Denn künftig, das ist ein weiteres Ergebnis der Falkensteg-Studie, könnte Größe nochmals eine wichtigere Rolle als bislang einnehmen. Die Entwicklungsaufwände steigen, ebenso die Qualitätsanforderungen der Kunden. „Diese Kosten muss man adäquat umlegen können, dafür brauchen Unternehmen entsprechende Ressourcen und die Möglichkeit, über Größenvorteile relevante Economies of Scale anbieten zu können“, sagt Wierz.
Ab wann ein Unternehmen „groß genug“ sei, könne man nicht pauschal sagen, heißt es von Wierz, ein Anhaltspunkt sei eine Umsatzschwelle von 500 Millionen Euro. „Wir beobachten, dass diese Unternehmen signifikant weniger von Insolvenzen oder wirtschaftlichen Schwierigkeiten betroffen sind. Zumeist geht das mit einem internationalen Standortnetzwerk einher.“
„Die Zeit ist möglicherweise abgelaufen“
Denn das sei ein weiterer Knackpunkt, der künftig noch wichtiger würde. Kunden pochten in Vergabeverfahren immer stärker auf eine Produktion in Kundennähe. Zulieferer müssen künftig noch mehr entsprechende Produktionskapazitäten in den großen Märkten bereithalten. „Früher konnte ein Zulieferer die ganze Welt aus einem Werk versorgen. Nun benötigt er mindestens drei leistungsfähige Produktionsstandorte – jeweils eines in Europa, Asien und Nordamerika“, so Jochen Wierz.
Dieses Denken habe stark an Fahrt in den vergangenen Jahren aufgenommen. Freilich verstärkt dies nochmal immens den Druck auf Mittelständler. Zwar könnte man noch mit der Hilfe von lokalen Partnern aufholen. Ansonsten sei es laut Wierz jedoch fast zu spät, die Regionen bereits aufgeteilt. „Wer jetzt nicht global aufgestellt ist, wird Schwierigkeiten haben, im aktuellen Umfeld noch eine Internationalisierung zu realisieren. Die Zeit ist möglicherweise abgelaufen.“
Volumen ziehen an
Nur Schwarzmalen möchte Wierz dennoch nicht. „Es gibt sehr viele Zulieferer, die sich auf den Wandel vorbereiten und imstande sind, in neue Produkte und Technologien zu investieren.“ Und auch wenn der Verbrenner in den Hintergrund gerückt sei, führe er trotzdem noch für eine gewisse Zeit als Antriebsart. Und auch die Umfänge kämen im aktuellen Marktumfeld zurück. „Wir beobachten aktuell, dass Volumen anziehen. In manchen Regionen – insbesondere in Asien – ist man bereits wieder auf Vorjahresniveau. Auch perspektivisch für das vierte Quartal.“
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