Dieselgate Klagen gegen VW-Töchter haben geringere Chancen als Klagen gegen VW
Richter des Bundesgerichtshof sehen hohe Hürden, VW-Konzerntöchter in der Diesel-Affäre haftbar zu machen. Wer das versucht, braucht noch deutlich konkretere Argumente als bei Klagen gegen VW selbst.

Diesel-Kläger dürften es schwer haben, VW-Konzerntöchter wie Audi im Abgasskandal haftbar zu machen. Das zeichnete sich am Montag in der Verhandlung eines Musterfalls am Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe ab. (Az. VI ZR 505/19).
Audi hatte den bei VW entwickelten Motor EA189 für eigene Modelle übernommen. Anders als beim Mutterkonzern Volkswagen gehen die Richter nach Vorberatungen aber nicht davon aus, dass die unzulässige Abgastechnik bei Audi zwangsläufig bekannt gewesen sein muss, wie der Vorsitzende Stephan Seiters sagte. Es gebe „keine Wissenszurechnung über Konzerngrenzen hinweg“.
Für Audi-Besitzer, die den Autobauer direkt verklagt haben, dürfte das bedeuten, dass sie viel konkretere Vorwürfe vortragen müssen. Der Kläger in dem Fall hatte seinen Audi A6 wenige Monate vor Auffliegen des Skandals nichtsahnend gekauft und rechtzeitig Klage erhoben. Eine Klage gegen VW wäre aus heutiger Sicht wohl ein Selbstläufer gewesen.
BGH sieht Rechtsfehler in OLG-Urteil
Das Oberlandesgericht (OLG) Naumburg hatte ihm zuletzt rund 20.000 Euro Schadenersatz plus Zinsen von Audi zugesprochen. Dabei wird es aber kaum bleiben. Das Urteil weise Rechtsfehler auf, sagte Seiters. Sein Senat tendiere deshalb dazu, den Fall zurückzuverweisen.
In Naumburg müsste der Kläger dann seine Anschuldigungen unterfüttern, indem er zum Beispiel ausführt, welchen Anteil Audi an der Entwicklung des Motors gehabt habe oder dass Informationen über den Schadstoffausstoß mit VW ausgetauscht worden seien. Das dürfte sehr schwierig sein – auch wenn der Fall noch nicht entschieden ist.
Audi-Anwalt: Vorstand wusste von nichts
Audi zeigte sich zuversichtlich, dass das OLG im zweiten Anlauf einen Anspruch des Klägers verneinen werde. „Aus unserer Sicht sind die Hürden hoch“, teilte das Unternehmen mit. Es fehle „klar an einer sittenwidrigen Täuschungshandlung der Audi AG“. Audi-Anwalt Moritz Becker sagte in Karlsruhe, im Audi-Vorstand habe von der unzulässigen Software keine Kenntnis bestanden. Das hätten interne „Sachverhaltsermittlungen und Prüfungen“ ergeben.
Gegen Audi ist nach Unternehmensangaben eine niedrige vierstellige Zahl von Klagen anhängig. Die allermeisten Betroffenen haben VW auf Schadenersatz verklagt. Seit dem Grundsatz-Urteil des BGH hat sich der Wolfsburger Autobauer mit rund 30.000 Klägern verglichen (Stand 11. Februar). Außerdem hatten gut 245.000 Diesel-Besitzer durch einen Mustervergleich zwischen VW und dem Bundesverband der Verbraucherzentralen Summen von 1.350 bis 6.257 Euro bekommen.
Trotzdem laufen immer noch Tausende Verfahren. Eigentlich hatte der BGH am Montag auch über das Software-Update verhandeln wollen, mit dem VW die unzulässige Abschalteinrichtung entfernen musste. Der Termin musste aber kurzfristig abgesagt werden, weil der klagende Käufer seine Revision zurückgezogen hatte (Az. VI ZR 513/20).
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