Klassik vs. Moderne: Rapide im Doppelpack

Autor / Redakteur: sp-x / Andreas Wehner

Mit Aston Martin assoziiert man schnittige Sportwagen. Doch die Briten haben auch eine sportive Limousine im Angebot, die über eine lange Tradition verfügt. Zeit für eine Begegnung des Fünf-Meter-Riesen mit dem Ur-Rapide.

Aston Martin hat eine lange Limousinen-Tradition.
Aston Martin hat eine lange Limousinen-Tradition.
(Bild: sp-x/Patrick Broich)

Großer Viertürer, einhundert Prozent Oberklasse-Ausstrahlung, sonor-schnaubender Sound – jetzt darf gerätselt werden. Dass der oberflächlich Autointeressierte diese Limousine namens Rapide aus dem Hause Aston Martin identifiziert, ist ähnlich wahrscheinlich wie die Chance, auf freier Wildbahn überhaupt einmal einem Exemplar zu begegnen. Denn es wurden nur 55 Fahrzeuge dieses raren Briten gebaut, der durch seine waagerecht angebrachten Scheinwerfer („Chinese Eyes“) recht markant auftritt.

Unter der auffällig gestreckten Motorhaube arbeitet der vom polnischen Ingenieur Tadek Marek überarbeitete, inzwischen auf vier Liter Hubraum gebrachte Reihensechszylinder (Lagonda-Motor) – ein Aggregat, das ursprünglich von Walter Owen Bentley entwickelt wurde. Eine wahrlich nette Idee von David Brown, auf der Basis eines veritablen Sportwagens eine Familienkutsche auf die Räder zu stellen.

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Und er kam damit Maserati zwei Jahre zuvor – die Italiener verfolgten mit dem Quattroporte ein ähnliches Konzept in den frühen Sechzigern. Allerdings war der Rapide mit rund 57.000 Mark hierzulande ziemlich teuer. Maserati bot seinen Quattroporte trotz zweier Zylinder mehr für 49.500 Mark an. Nur um die Verhältnisse einmal klarzustellen: Ein maximal luxuriöses Mercedes 300 SE Cabriolet war 1964 für 33.350 Mark zu ergattern. Kein Wunder, dass der auf Wunsch von David Brown als Lagonda vermarktete Rapide nach so wenigen Exemplaren eingestellt wurde.

Genießen wir eine Ausfahrt mit dem Ur-Rapide. Auf der Website www.lagonda-rapide.com darf der stolze Rapide-User in einer Datenbank nachschauen, was sein Fahrzeug im Laufe seines inzwischen schon langen Lebens alles mitgemacht hat. Dort kann man beispielsweise nachlesen, dass unsere Leihgabe vom niederländischen Raritäten-Händler Houtkamp bereits eine Lenkrad-Verpflanzung über sich ergehen lassen musste und mittlerweile linksgesteuert durch die Lande rollt. Das macht es zumindest dem ungeübten Fahrer britischen Kulturguts etwas leichter, auf die Wurzelholz-Massen zu blicken, die das mächtige Armaturenbrett zieren.

Der umgerechnet 239 PS starke Vierliter hat keine Probleme, die trotz Aluminium-Einsatz 1,7 Tonnen wiegende Limousine wuchtig in Fahrt zu bringen. Mit der Drehmomentkeule aus dem Touren-Keller schiebt der fast quadratische Sechszylinder mächtig an und schlägt sonor-wummernde Töne an. Etwas behäbig findet der Schalthebel des manuellen Viergang-Getriebes seinen Weg in die richtigen Gassen. Immerhin weilt man bequem auf den dick gepolsterten Rindshaut-Fauteuils.

Getriebe-Zickereien kennt der neue Rapide gar nicht. Acht verschiedene Übersetzungen offeriert das längst zum S-Modell avancierte Cruiser-Modell mit theoretischem Platz für die ganze Familie. Zu schade eigentlich, dass es David Brown als damaliger Firmeneigner vorzog, den Rapide als Lagonda auf die Straße zu bringen, denn die beiden hier angetretenen Exemplare wären auch namentlich ein schönes Paar gewesen.

Der extralange, seinerzeit in Dubai vorgestellte Lagonda Taraf (auch auf dem Rapide basierend freilich) war dann doch eine Nummer zu abgehoben für diesen Vergleich, zumal sein Neupreis von umgerechnet einer Million Euro den damaligen finanziellen Aufwand für den Lagonda Rapide selbst inflationsbereinigt weit übersteigt.

Moderner Rapide S: 327 km/h schnell

Dann lieber 196.000 Euro für einen Aston Martin Rapide S ausgeben, dessen 5,9 Liter großer Zwölfzylinder mit nunmehr 411 kW/560 PS seit der Überarbeitung richtig Dampf hat. War die erste Serie mit den auch nicht gerade mageren 477 Pferdchen vor allem im oberen Geschwindigkeitsbereich ein wenig träge, kann es das aktuelle Modell auch mit den giftigsten Sportlern dieser Welt aufnehmen. Als Transaxle-Vertreter mit weit Richtung Fahrgastzelle liegendem Motor kann der Rapide auch behände um die Ecken, doch man fühlt sich in ihm keineswegs getrieben und erfreut sich ebenso an der entspannten Reise.

Es beeindruckt natürlich schon, wenn man die „327“ im Fahrzeugschein liest – das ist die km/h-Zahl, mit welcher der Rapide S in den offiziellen Papieren gehandelt wird. Doch man muss nicht annähernd so schnell fahren, um in diesem Auto Glück zu empfinden. Dem leicht rauchigen Zwölfzylinderfauchen zu lauschen, reicht bereits aus für den Beginn einer Liebesbeziehung zu diesem Auto, mit dem man übrigens verhältnismäßig sparsam weite Ziele ansteuern kann. Das Geheimnis liegt in der ZF-Wandlerautomatik, deren achter Gang die Drehzahl des mächtigen Zwölfenders bei Richtgeschwindigkeit unter die 1.500er-Markierung drückt.

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Und jetzt bitte einmal aussteigen und Heckklappe öffnen: Es ist eine Augenweide, die vier ästhetisch designten, durchaus kommoden und belederten Sportsessel aus dieser Perspektive zu betrachten. Dass großgewachsene Personen den Rapide jetzt nicht als Raumwunder empfinden, Schwamm drüber. Er gibt vielmehr den passenden Maßanzug.

Wer sich den neuen Rapide gönnen möchte – nur zu, wenn das Budget mitspielt. Freude liefert er etwa in gleichem Maße wie der V12 Power. Und der Lagonda? Ein feiner Wochenend-Oldie der Sechziger mit Exoten-Status. Bitte nicht von der Suche abhalten lassen wegen der geringen Stückzahl – das eine oder andere Exemplar taucht immer mal wieder auf. Die Preise pendeln sich zwischen 100.000 und 200.000 Euro ein. Es ist eben nicht günstig, einen Aston Martin zu fahren.

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