Kompakter Radnabenantrieb von Schaeffler

Autor / Redakteur: Jan Rosenow / Dipl.-Ing. (FH) Jan Rosenow

Eine Neuentwicklung fasst sämtliche für Antrieb, Verzögerung und Fahrsicherheit notwendigen Bauelemente innerhalb der Felge zusammen. Das schafft Platz im Auto.

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Viel Technik auf wenig Raum: der „E-Wheel-Drive“ von Schaeffler.
Viel Technik auf wenig Raum: der „E-Wheel-Drive“ von Schaeffler.
(Foto: Schaeffler)

Der Autozulieferer Schaeffler hat Ende April den aktuellen Entwicklungsstand seines Projekts mit hochintegrierten Radnabenantrieben vorgestellt, bei denen sämtliche für Antrieb, Verzögerung und Fahrsicherheit notwendigen Bauelemente wie Elektromotor, Leistungselektronik, Controller, Bremse und Kühlung Platz innerhalb der Felge finden.

Eine Einheit leistet bis zu 40 kW (Dauerleistung 33 kW) und erzeugt ein Drehmoment von 700 Newtonmetern (Dauerbetrieb: 350 Nm). Diese Zahlen sind mit zwei zu multiplizieren. Ein Gesamtdrehmoment von 1.400 Newtonmetern klingt zunächst beeindruckend – doch muss man berücksichtigen, dass auf dem Weg zum Rad keinerlei Übersetzungsstufen mehr eingebaut sind. Das Leistungspotenzial des „E-Wheel-Drives“ ist also nur für Kleinwagen ausreichend.

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Mit insgesamt 53 Kilogramm beträgt das Mehrgewicht des Radnabenantriebs gegenüber einem herkömmlichen Rad mit Radlager und Bremse 45 Kilogramm. Das Bauvolumen von 16 Litern findet Platz in einer 16-Zoll-Felge. Dabei muss es sich allerdings um eine sogenannte Semi-Full-Face-Felge handeln, bei der der Felgenstern am Felgenhorn befestigt ist und nicht am Tiefbett. Das schafft mehr Platz innerhalb des Rads.

Nicht nur der verringerte Platzbedarf zählt zu den Vorzügen des Radnabenantriebs. Auch die Aufteilung der Antriebskraft auf zwei unabhängig regelbare Motoren bietet neue Möglichkeiten: Mit Torque Vectoring lässt sich das Drehmoment am linken und rechten Rad für jede Fahrsituation ideal einstellen. Die elektrischen Motoren reagieren in brenzligen Situationen schneller und feinfühliger als ein bremsbasiertes ESP-System. Nächstes Plus: Weil viele Lager und Verzahnungen wegfallen, steigt der Wirkungsgrad des Gesamtsystems.

Eine mechanische Radbremse ist im E-Wheel-Drive zwar eingebaut, aber eigentlich überflüssig (bzw. lediglich als Feststellbremse genutzt). Die elektrische Bremsleistung des Motors reicht für die Hinterachse aus. Allerdings muss das Batteriemanagement sicherstellen, dass im Stromspeicher immer genügend „Platz“ für die dabei anfallende Energie ist.

Ungefederte Massen stellen kein großes Problem dar

Doch natürlich weist der Radnabenantrieb auch Nachteile auf. Zum Beispiel bei den Kosten: Zweimal Motor und Leistungselektronik ist eben teurer als einmal – aber immerhin nicht doppelt so teuer, weil Antriebswellen, Differenzial und anderes wegfallen. Und dann ist da noch das Problem mit den ungefederten Massen. 45 Kilo extra pro Rad – wie fährt sich das? Schaeffler verheimlicht den negativen Effekt des Radnabenantriebs auf das Fahrverhalten keineswegs, merkt aber an, das diese Bauweise ohnehin nur für kompakte Stadtfahrzeuge geeignet sei. Bei einer Fahrzeugmasse von unter 1.500 Kilogramm und einer Geschwindigkeit von maximal 130 km/h hätten die Fahrversuche keine Nachteile ergeben.

Zu Erprobungszwecken haben die Schaeffler-Leute den E-Wheel-Drive in einen Ford Fiesta eingebaut. Ihr Zwischenfazit lautet: Das Konzept ist unter allen Fahr- und Wetterbedingungen alltagstauglich. Der nächste Entwicklungsschritt ist eine 18-Zoll-Version mit einem Drehmoment von 500 Newtonmetern pro Seite. Serienfertig soll der E-Wheel-Drive im Jahr 2018 sein – mal sehen, ob bis dann die entsprechenden Fahrzeugkonzepte bereitstehen, die seine Vorzüge auch nutzbar machen.

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