Modulare Gondeln: Flexibel durch die Stadt
Elektrifizierte Gondeln mit sechs Sitzplätzen, die einzeln fahren oder sich zu einem Bus zusammenschließen können: Das modulare Transportkonzept des Start-ups „Next Future Transportation“ klingt visionär – soll in Dubai aber schon im nächsten Jahr auf der Straße sein.
Anbieter zum Thema

Tommaso Gecchelin ist Physiker und Designer. Keinen dieser Berufe brauchte es, um sich an den fast leeren Bussen zu stören, wie sie oft abseits der Stoßzeiten unterwegs sind. Der Italiener hatte schnell eine Idee – und gründete das Start-up „Next Future Transportation“. Mit neun Mitarbeitern arbeitet er seit etwa drei Jahren an einer eigenen Vision für den öffentlichen Transport: Ein modulares System aus autonom fahrenden Gondeln, die sich alleine bewegen, sich aber auch zu einer Art Bus zusammenschließen können.
Koppelbare Kabinen
Dass Tommaso Gecchelin Designer ist, das sieht man der Studie an: futuristisch und aufgeräumt, sechs hochwertig wirkende Sitze, abgedunkelte Rundum-Verglasung und in leichter Schräglage nach hinten; 2,9 Meter lang, 2,2 Meter breit und 2,8 Meter hoch, beinahe quadratisch. Gecchelin, Italiener mit rotblonden Haaren und Bart, will nicht einfach ein weiteres selbstfahrendes Shuttle in den Markt bringen.
„Unsere Neuheit ist das modulare Konzept. Die Möglichkeit, die Pods auch während der Fahrt zu verbinden und wieder zu trennen, der Algorithmus für die Routenplanung und die Passagiersteuerung und nicht zuletzt die Hardware, welche die ganze Performance möglich macht“, sagt Gecchelin. Er selbst ist CEO bei seinem Start-up. Außerdem sollen die Fahrgastzellen erst mal gar nicht autonom fahren – die Technik sei noch zu weit entfernt, Gecchelin setzt für den Start auf Fahrer. Wie das genau funktionieren soll, erläuterte der Start-up-Chef jedoch nicht.
Soft- und Hardware in Eigenentwicklung
Next Future Transportion setzt in Sachen Entwicklung voll und ganz auf sein kleines Team. „Wir entwickeln die Hardware und die Software selbst“, sagt Tommaso Gecchelin. In großen Garagen im italienischen Padova, etwa 40 Kilometer westlich von Venedig, finden diese F&E-Aktivitäten statt. Die Kompetenz, die doch hohe Komplexität für das modulare Pod-System zu meistern, habe man im Team.
Die Größe sei ideal, um schnell zu sein, erst später bräuchte man Hunderte neue Mitarbeiter. Gerade konzentriere man sich auf die zahlreichen Zertifizierungen, ein „schmerzhaft langer Prozess“, sagt Gecchelin, etwa ein Jahr könnte das dauern. Außerdem halte man nun Ausschau nach geeigneten Fertigungspartnern aus der Automobilindustrie – ob es einer der bekannten europäischen Auftragsfertiger werden könnte, will er nicht sagen.
Für die Adressnavigation arbeitet Next Future Transportation mit dem Start-up What-3-Words zusammen, das vor allem durch Daimler bekannt wurde. Die Stuttgarter verwenden deren Kartierung im Multimediasystem MBUX.
Erster Kunde: Dubai
Erster Kunde von Next Future Transportation ist die Stadt Dubai. In dem Emirat soll schon nächstes Jahr eine Testphase stattfinden. „Wir expandieren auch in Italien, aber insgesamt sind wir in Europa nicht so bekannt“, sagt Gecchelin. Das Start-up wolle Städte und Kommunen als Kunden gewinnen, gerade China locke mit seinen Metropolen. In einer könnte man 1.000 Gondeln auf die Straße bringen, und umso größer die Stadt, desto größer sei die Optimierung des Straßenverkehrs. Wie steht es um Deutschland als Markt? Berlin oder Frankfurt sind durchaus interessant, sagt Gecchelin. Ein weiterer Kunde sei die Stadt Padova, wo Next Future Transportation seine Vehikel entwickelt.
Die Vorteile der modularen Fahrgastzellen mit dem Namen „NX1“ liegen für ihn auf der Hand. Sind die Pods getrennt unterwegs, können sie einzelne Passagiere in den Vororten einer Metropole einsammeln. Dank schlauer Algorithmen koppeln sich die Boxen dann auf den breiten Zubringerstraßen oder den Stadtautobahnen. Während der Fahrt können die Passagiere über eine App einsehen, ob sie in einen anderen Pod wechseln müssen – ein Algorithmus bündelt ähnliche Routen und weist sie einer Fahrgastzelle zu.
Das soll Fahrzeuge maximal auslasten. Später trennen sich die Pods während der Fahrt wieder und fahren einzeln – oder auch nur als Zweiergespann – zum Ziel. Durch die Steuerung werden, so der Plan, wieder Pods frei für neue Passagiere. Gecchelin verspricht sich davon Entlastung und intelligentere Verkehrssteuerung.
:quality(80)/images.vogel.de/vogelonline/bdb/1521200/1521278/original.jpg)
Mikromobilität
Citroën Ami One: Minimobil für die Stadt
Andere technische Vorteile liegen beispielsweise im Energiemanagement. Jedes Fahrzeug wird von einer Batterie angetrieben. Koppeln sich die Pods, könnte eine der Batterien den gesamten „Bus“ antreiben – und sich dann, vollständig entladen, auf den Weg zu einer Ladesäule machen. Die Pods können aber auch ihre Kraft bündeln, um beispielsweise schneller zu fahren – das zumindest erklärt Gründer Tommaso Gecchelin.
Die Pods selbst hat Next Future Transportation für kurze bis mittlere Distanzen entwickelt. Das Koppeln beziehungsweise Trennen der Fahrzeuge dauert 15 bis 20 Sekunden. Die Durchschnittsgeschwindigkeit der 1.500 Kilogramm schweren Pods gibt das Unternehmen mit 20 Stundenkilometern an.
Verschiedene Einsatzmöglichkeiten
Neben dem Transport von Personen könnten die fahrbaren Boxen auch für andere Einsatzzwecke dienen. Gecchelin sieht seine Pods beispielsweise in der Last-Mile-Logistik oder als fahrbares Café – und erweitert so natürlich das Geschäftsmodell maßgeblich. Als Mikromobil für Privatpersonen will er die Fahrgastzellen allerdings nicht verkaufen.
(ID:45773132)