15. Deutscher Autorechtstag Neues Gewährleistungsrecht ähnelt dem Kaufrecht

Von Doris Pfaff

Das seit Januar geltende neue Gewährleistungsrecht stand im Fokus des zweitägigen 15. Deutschen Autorechtstags auf dem Petersberg. Angst müsse man vor den Neuregelungen nicht haben. Allerdings werden sich wegen vieler Unklarheiten die Gerichte noch viel damit beschäftigen müssen, so das Fazit der Rechtsexperten.

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Der 15. Deutsche Autorechtstag bot den Teilnehmern im Grand Hotel auf dem Petersberg wieder ein breites Spektrum an Rechtshemen, die die Autobranche betreffen.
Der 15. Deutsche Autorechtstag bot den Teilnehmern im Grand Hotel auf dem Petersberg wieder ein breites Spektrum an Rechtshemen, die die Autobranche betreffen.
(Bild: Deutscher Autorechtstag)

Zwar fehlten wegen der kurzen Anwendungszeit wegweisende Urteile. Jedoch ermöglichte der Deutsche Autorechtstag auf dem Petersberg, eine gemeinsame Veranstaltung von ADAC, BVfK und ZDK unter der Leitung von Prof. Dr. Ansgar Staudinger, Dr. Kurt Reinking und Wolfgang Ball, den Teilnehmern einen Erfahrungsaustausch zu den gesetzlichen Neuregelungen des Gewährleistungsrechts.

Zudem gaben Experten erste Antworten auf die für den Autohandel wichtige Fragen zum Gewährleistungsrecht: Was ist mit „digitalen Elementen“ gemeint, und mit welchen Mängeln können diese behaftet sein? Wie können die gesetzlichen Anforderungen an einen wirksamen Vertragsschluss rechtssicher umgesetzt werden?

Prof. Dr. Stephan Lorenz von der Universität LMU-München widmete sich zunächst den Auswirkungen der Regelungen auf digitale Produkte im Kfz-Bereich. Angst vor den neuen Regelungen müsse keiner haben, schickte er vorweg. Vieles habe es so auch schon in der Vergangenheit im Kaufrecht gegeben. Jedoch müsse jetzt in Bezug auf digitale Produkte zwischen Paketverträgen, Verträgen über die Bereitstellung digitaler Produkte sowie Kaufverträgen mit digitalen Elementen unterschieden werden.

Mit digitalen Produkten seien gemeint:

  • digitale Inhalte (Musik, Filme, Apps, Spiele, Bilddateien, Datenbanken)
  • digitale Dienstleistungen (Speicherung, Erstellung oder Zugang zu Daten beispielsweise zu bestimmten Portalen oder Clouds)
  • Waren mit digitalen Inhalten, die ohne ihre digitalen Inhalte ihre Funktion nicht ausüben können

Welcher Vertrag für die Anwendung zugrunde liege, spiele jedoch in der Praxis eher eine untergeordnete Rolle. Zudem entsprächen die Vorschriften über Mängel an digitalen Produkten bis auf wenige Ausnahmen genau dem Wortlaut des bisherigen Kaufrechts. Anlass zur Sorge gäben die Neuregelungen laut Lorenz deshalb nicht: „Es sind Nuancen, die für die Theorie interessant, für die Praxis aber zu vernachlässigen sind.“

Entscheidend sei vielmehr, ob der vorhandene Mangel an den digitalen Elementen den Käufer dazu berechtige, vom Vertrag zurückzutreten, weil sich der Mangel des digitalen Produkts auf die gesamte Ware auswirke. Ein Auto beispielsweise, dessen Navigationssystem nicht funktioniere, sei zwar weiterhin fahrtauglich. Wenn aber der Kunde glaubhaft machen könne, dass er das Auto gerade wegen des Navigationssystems gekauft habe, dürfe er durchaus vom Kaufvertrag zurücktreten. Denn die Rechte des Verbrauchers seien insgesamt durch das neue Gewährleistungsrecht weiter gestärkt worden, so Lorenz.

Beschaffenheitsabweichung gesondert, aber nicht versteckt dokumentieren

Anschließend widmete sich Prof. Dr. Florian Faust von der Bucerius Law School in Hamburg dem neuen kaufrechtlichen Sachmangelbegriff und gab Tipps, wie Kfz-Betriebe Probleme bei der Umsetzung umgehen können. Beispielsweise, wenn es darum gehe, im Vertrag eine „Beschaffentheitsabweichung“ entsprechend den Vorgaben zu dokumentieren.

Entscheide sich zum Beispiel ein Kunde, nachdem er den Vorführwagen getestet habe, ein solches Modell zu kaufen, aber in anderer Farbe oder Ausstattung, müssten Händler den Vorführwagen als Muster betrachten. Alle Abweichungen des vom Kunden gekauften Fahrzeugs müssten deshalb gesondert, sicherheitshalber alle einzeln und nicht im Kaufvertrag versteckt aufgeführt werden. Es sei nicht vorgeschrieben, dies schriftlich zu tun, aber doch zu empfehlen, so Faust.

Weiterhin beschäftigte er sich in seinem Vortrag mit dem Nacherfüllungsanspruch und der Fristsetzung. Beide Aspekte seien nicht ganz eindeutig und dürften deshalb auch noch die Gerichte beschäftigen, war Faust überzeugt.

Um erste Erfahrungen mit dem neuen Gewährleistungsrecht ging es in der Podiumsdiskussion, an der Staudinger, Lorenz, Faust, Prof. Dr. Markus Artz, Universität Bielefeld, Ansgar Klein, Vorstand BVfK, und Klaus Heimgärtner vom ADAC teilnahmen. Klein kritisierte den Gesetzgeber, der mit der Neufassung des Gewährleistungsrechts für einen enormen Informationsaufwand bei den Autohändlern sorge. Zudem stoße die Neufassung auch den Kunden negativ auf, weil sie sie überfordere.

Klein: „Wir sind mit dem bisherigen Gewährleistungsrecht jahrelang einen für beide Seiten praktikablen Weg gegangen, der nun durch nicht einhaltbare Anforderungen zunichte gemacht wird. Mancher Händler nimmt daher eher das gelegentliche Haftungsrisiko in Kauf als sich mit stundenlanger Aufklärung zu beschäftigen.“

Ein weiterer Programmpunkt des 15. Autorechtstags war ein Update zur Schadenregulierung, zum Versicherungsrecht, Verkehrsstraf- und Ordnungswidrigkeitenrecht, das die Juristen Marcus Gülpen (Fachanwalt für Verkehrsrecht) und Dr. Matthias Quarch (Vorsitzender Richter beim Landgericht Aachen) boten. Dabei ging es unter anderem um Rechtsstreitigkeiten zwischen Werkstatt und der Haftpflichtversicherung bei der Reparatur von Unfallschäden.

Preiswerbung nach Abzug der E-Prämie ist verboten

Ebenfalls spannend war die Übersicht über aktuelle Entscheidungen und Rechtsprechungen, die Prof. Dr. Ansgar Staudinger und Dr. Andreas Ottofülling gaben. Ottofülling nahm unter anderem Stellung zu den Änderungen der Preisangabenverordnung. „Wenn der Händler ein Fahrzeug mit einem Preis bewirbt, den ich nur dann erziele, wenn ich die staatliche Bafa-Prämie beantrage, ist das ein klarer Verstoß“, resümierte er.

Zu den gesetzlichen Regelungen zu digitalen Produkten aus technischer Sicht nahm Jochen Lehmkuhl, ADAC-Vertragssachverständiger und Unfallsachverständiger, Stellung. Schwerpunkt seines Vortrags waren die Fahrzeugdaten, die in einem Crash Data Recorder (CDR) abgespeichert und aus diesem abgerufen werden können. Problematisch sei, dass Sachverständige und auch Ermittlungsbehörden mitunter die Daten nicht auslesen können, weil der Zugriff auf spezielle Auslesegeräte der Hersteller fehlte. Hier müsse der Gesetzgeber durch entsprechende Regelungen noch für Lösungen sorgen.

Beispiele aus der aktuellen Rechtsprechung des VI. Zivilsenats zum Verkehrsrecht und zur Herstellerhaftung wegen Abgasmanipulationen stellte Dr. Jutta Laws, Vorsitzende Richterin am OLG sowie Vorsitzende des JPA Hamm, vor. Unter anderem bezog sie sich auf das Vier-Stufen-Modell des BGH zur Erstattung von Reparaturkosten. Wesentliche Hürde dabei sei die Beweisführung über die vollständige sach- und fachgerechte Reparatur wie die mindestens sechsmonatige Weiternutzung.

Um aktuelle Entscheidungen des BGH zum Kauf- und Leasingrecht drehte sich der Vortrag von Prof. Dr. Michael Jaensch. Unter anderem bezog er sich auf den Anspruch eines Käufers, im Rahmen der Nacherfüllung ein Nachfolgemodell geliefert zu bekommen, sowie auf Folgeschäden durch Software-Updates.

Kein Sachmangel, wenn der Spritverbrauch höher ist

Neue Entwicklungen beim Widerrufsrecht stellte Prof. Dr. Markus Artz von der Universität Bielefeld vor und bot dazu eine Reihe von Praxistipps. Dr. Thomas Almeroth stellte anschließend verschiedene Urteile der Land- und der Oberlandesgerichte rund um den Autokauf vor, unter anderem das des OLG München vom 11.1.2021. Dabei ging es um die Frage, ob ein Sachmangel vorliegt, wenn das Auto mehr Kraftstoff verbraucht als vom Hersteller angegeben. Ein Abweichen des Verbrauchs um zehn Prozent ist zulässig, stellte das Gericht dar.

Zum Abschluss der Veranstaltung gewährte Prof. Dr. Staudinger einen Einblick in die internationale Rechtsprechung zum Kaufrecht und wagte einen Prognose zur zukünftigen Richtung des EuGH.

Staudinger widmete sich auch den Entscheidungen zum Thermofenster. Neben der Tatsache, dass die Klagebefugnis der Deutschen Umwelthilfe bejaht wurde, sei offen gelassen worden, ob das Thermofenster als Sachmangel zu klassifizieren sei, während eine vorsätzlich sittenwidrige Schädigung mit nachvollziehbarer Begründung verneint wurde, fasste er zusammen.

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