Saab: Abschied einer Kultmarke
Saab ist wohl nicht mehr zu retten. Der schwedische Autobauer findet keine Investoren mehr und geht deshalb jetzt den schweren Schritt in die Insolvenz. Wir blicken zurück auf eine manchmal sehr und manchmal zu individuelle Marke.
Noch vor neun Monaten beschwor der schwedische Hersteller Saab alte Zeiten automobiler Höhenflüge: Das Design der zukunftsweisenden Studie Phoenix war von der aeronautischen Vergangenheit der Kultmarke beeinflusst und sollte ebenso wie der Hybridantrieb aus dem Phoenix schon 2012 in neuen Serienmodellen zu finden sein. So wollten die Schweden nicht nur das 65-jährige Produktionsjubiläum als Autohersteller feiern, sondern auch die Wiedergeburt als unabhängiges und aufstrebendes Unternehmen nach dem 2010 erfolgten Verkauf durch den amerikanischen General-Motors-Konzern (GM).
„Anders denken“
Der Phoenix wird jedoch nicht aus der Asche aufsteigen. Wenige Wochen nach der Weltpremiere der Studie auf dem Genfer Salon standen bei Saab die Produktionsanlagen still – die Rechnungen der Zulieferer konnten nicht mehr bezahlt werden. Nach langem Kampf hat der krisengeschüttelte Autobauer jetzt wohl endgültig aufgegeben und einen Antrag auf Zahlungsunfähigkeit gestellt. Dabei hatte Saab bis zuletzt auf eine Rettung durch chinesische Investoren gehofft, die aber auch am Nein des GM-Konzerns scheiterte, der Saab noch immer Technologien und Lizenzen gewährt.
„Anders denken“, lautete lange Jahre eine Werbebotschaft, mit der sich Saab als Marke eigenwilliger Autos für Individualisten präsentierte. Die Produktpalette konzentrierte sich stets auf wenige Modelle, die vor allem durch unverwechselbares Design auffielen und immer wieder technische Meilensteine setzten. Viel Geld verdient hat Saab damit allerdings nie – nicht zuletzt eine Folge zahlreicher kostspieliger Sonderwege, die das ingenieurgetriebene Unternehmen ging. So bestimmte mangelnde Finanzkraft von Beginn an das Schicksal der kleinen, aber feinen Nischenmarke.
Stets Teil der Avantgarde
Schon der erste, im Jahr 1947 präsentierte sogenannte Ur-Saab entsprang einer Krise und sollte ursprünglich nur ein robuster Kleinwagen werden, mit dem der zehn Jahre zuvor gegründete Kampfflugzeughersteller Saab (Svenska Aeroplan Aktiebolaget) die auftragsschwachen Nachkriegsjahre überbrücken wollte. Aber dann entwickelte sich der erst 1950 in Großserie gehende Saab 92 im spektakulären stromlinienförmigen Aerodesign zu einer über dreißig Jahre produzierten und weltweit erfolgreichen Bestsellerbaureihe, die den Flugzeugspezialisten aus Linköping in die elitäre Liga technischer Kultmarken aufsteigen ließ.
Und dies obwohl auf der Antriebsseite ein betagter Zweitaktmotor aus einem Vorkriegs-DKW als Baumuster diente und später ein von Ford eher ungeliebtes V4-Aggregat zum Einsatz kam. Auch der größere Saab 99 von 1967 nutzte noch keine Eigenentwicklung, sondern ein vom englischen Sportwagenbauer Triumph zugeliefertes Triebwerk. Das 1986 lancierte Flaggschiff Saab 9000 entsprang sogar komplett einer Entwicklungskooperation mit dem Fiat-Konzern (Fiat Croma/Lancia Thema). Was Saab-Fahrzeuge allerdings von Beginn an von fast allen anderen Großserienmodellen unterschied, war die außergewöhnliche Langlebigkeit und eine Fülle an Detail- und Sicherheitsinnovationen wie der erste serienmäßige massive Seitenaufprallschutz (1949), Sicherheitsgurte (1958), duale Bremskreisläufe (1963), Tagscheinwerfer (1969) und der erste dauerbelastbare Turbobenziner in Limousinen (1976). Außergewöhnlich war auch die enthusiastische Fangemeinde, die von Beginn an und bis zum bitteren Ende so bedingungslos hinter den unverwechselbaren, teils skurrilen Autos stand, wie es sonst nur charismatische Sportwagenmarken erleben.
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