Kfz-Gewerbe Baden-Württemberg Staat soll auch die Autobetriebe unterstützen
Das Autojahr 2021 zeigt fast nur rote Zahlen. Sorgen bereiten der zunehmende Direktvertrieb und die steigenden Kosten durch die E-Mobilität. Verbandspräsident Michael Ziegler fordert daher staatliche Hilfen.
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„2021 war ein verrücktes Autojahr“, zog Verbandssprecherin Birgit Leicht bei der Online-Jahrespressekonferenz am 8. März das Fazit. Die roten Zahlen in der Bilanz des baden-württembergischen Autojahrs von 2021 rührten nicht daher, dass die Kunden aufgrund fehlenden Interesses keine Autos kaufen wollten, sondern dass diese schlichtweg wegen der Lieferengpässe der Hersteller fehlten.
Insgesamt sei der Blick auf das Jahr 2021 sehr ernüchternd. „Wir haben ein Plus bei den Umsätzen im Gebrauchtwagenfachhandel, der sich aus dem Gebrauchtwagenhandel in Autohäusern und dem freien Gebrauchtwagenhandel zusammensetzt. Ansonsten stehen durchgehend Minuszeichen vor den Bilanzen der tragenden Bereiche unseres Geschäfts, etwa im Neuwagenhandel und im Werkstattgeschäft“, berichtete Leicht.
Umsatzrückgang von 1,7 Milliarden Euro
Der Umsatz des Kraftfahrzeuggewerbes sank um rund 1,7 Milliarden Euro auf 24,5 Milliarden Euro (- 6,4 Prozent) oder auf rund 75 Prozent am Gesamtumsatz des Automobilmarktes. Die Rendite lag bei 1,3 Prozent. „Es ist eine Besonderheit dieses Marktes, dass wir ihn uns mit zwei anderen Akteuren teilen. Da sind einerseits die privaten Verkäufe im Gebrauchtwagenbereich; andererseits treten die Autohersteller beim Neuwagenverkauf als direkte Konkurrenz zum Handel auf“, erläuterte Verbandspräsident Michael Ziegler.
Die Entwicklung zeige sich deutlich auch an der Zahl der Neuzulassungen, die insgesamt um 3,7 Prozent auf 367.282 Autos sank. Der Anteil der Autohändler an den Neuzulassungen rutschte damit von rund 64 auf 61 Prozent. „Die Zahlen zeigen, dass die Hersteller ihre eigenen Vertriebskanäle forcieren. Mehr als jeder dritte Neu-Pkw wurde durch die Hersteller abgesetzt.“
Ziegler kritisierte in diesem Zusammenhang die Autohersteller scharf: Über 144.000 Pkw, „mehr als jedes dritte Auto“, verkauften die Hersteller an den Autohäusern vorbei. Das entspricht einem Umsatz von 5,5 Milliarden Euro: „Direktvertrieb stellt für uns einen Angriff auf unser Geschäftsmodell dar.“ Auch Agenturmodelle bewertet er kritisch, „weil der Handel in vielen Segmenten sein Unternehmertum aufgibt und oftmals zum bloßen Erfüllungsgehilfen der Hersteller wird.“
Insgesamt setzte das Kfz-Gewerbe Baden-Württemberg mit dem Verkauf von neuen und gebrauchten Pkws und Lkws rund 21 Milliarden Euro um. Der Pkw-Handel sorgte in den Autohäusern für einen Umsatz von über 8,5 Milliarden Euro, beim Neuwagenhandel sank der Umsatz um 14,3 Prozent.
Bei den Gebrauchtwagen sank der Umsatz um knapp zwei Prozent auf rund 13,6 Milliarden Euro. Zwar wurde gut ein Drittel der rund 900.000 Gebrauchten auch 2021 in Baden-Württemberg privat verkauft. Der Umsatzanteil war laut Ziegler mit 2,4 Milliarden Euro (17,7 Prozent) dennoch vergleichsweise niedrig. Der Grund: Hochwertige Gebrauchtwagen werden weiterhin über die Kfz-Betriebe verkauft. Der Umsatz im Gebrauchtwagenmarkt stieg um 0,7 Prozent auf 73,5 Millionen Euro.
Die Umsatzsteigerungen führte der Verband auf die Preissteigerungen bei den Fahrzeugen zurück. Der durchschnittliche Preis für einen Neuwagen stieg in 2021 um rund 1.600 Euro auf 37.940 Euro, der für einen Gebrauchten um 1.060 Euro auf 15.810 Euro. „Letzteres hat uns in der Jahresbilanz die einzige schwarze Zahl beschert“, sagte Leicht.
Die Lkw-Sparte schrumpfte bei den Neufahrzeugen um 8,1 Prozent auf rund 860 Millionen Euro und bei den Gebrauchten um rund 11,5 Prozent auf 530 Millionen Euro Umsatz.
Ziegler: Förderprogramme für Betriebe
Mit einem deutlichen Minus von 5,6 Prozent beim Umsatz schloss das Werkstattgeschäft das Jahr 2021 ab. Der Umsatz ging damit auf jetzt noch knapp 3,5 Milliarden Euro zurück. Die Werkstattauslastung lag bei rund 80 Prozent. Der Grund für den Rückgang sei die hohe Qualität der Fahrzeuge und die länger werdenden Wartungsintervalle, auch durch die steigende Zahl an E-Fahrzeugen, die weniger gewartet werden müssen.
Gleichzeitig führt aber die Elektromobilität in den Betrieben zu Mehrkosten durch erforderliche Investitionen in Werkzeuge und Ausrüstung. Diese Kosten ließen sich nicht erwirtschaften. Verbandspräsident Ziegler fordert deshalb vom Staat Förderprogramme für die Betriebe und eine gleichwertige Behandlung des Kfz-Gewerbes.
Das Kfz-Gewerbe Baden-Württemberg sei schließlich der Garant der individuellen Mobilität und unterstütze den Wandel hin zur Elektromobilität. Deshalb sei eine finanzielle staatliche Unterstützung für die Betriebe erforderlich, so wie sie auch die Automobilindustrie erhalte.
Schließlich sei der von der Politik angesteuerte Wandel kein Selbstläufer. Ziegler: „Der Wandel findet erstmals in einem schrumpfenden Markt statt.“ Die Kfz-Betriebe bräuchten deswegen „passende, verlässliche politische Rahmenbedingungen und passende Fördermodelle, zum Beispiel im Hinblick auf die Ladeinfrastruktur, den Vertrieb von E-Fahrzeugen und die Qualifizierung unserer Beschäftigten.“
Ihrerseits müssten die Betriebe auf die Situation mit der Entwicklung neuer Geschäftsmodellen reagieren, um sich zu behaupten, forderte Ziegler. Als Beispiele nannte er Abo- und Carsharing-Modelle, aber auch den Treibhausgas-Quotenhandel, den das Kfz-Gewerbe nun für die Kunden anbieten kann. Aber: „Trotz aller Bemühungen wird die Zahl der Betriebe und Standorte in den nächsten Jahren abnehmen, daran besteht für mich kein Zweifel“, sagte Ziegler. Ursache sei“ die Wucht der Transformation“, die die Betriebe träfe.
Wie sich das laufende Jahr entwickle, hänge von mehreren Faktoren ab, vor allem von der Lieferfähigkeit der Hersteller. Ziegler erwartet rund 386.000 Neuzulassungen und damit einen Zuwachs von 5 Prozent. Damit läge der Wert aber immer noch um rund 25 Prozent unter dem Vorkrisenniveau von 2019. Für den Gebrauchtwagenhandel sei ein Zuwachs von rund 3 Prozent zu erwarten.
Jedoch sei die Prognose vor dem aktuellen Hintergrund mit Vorsicht zu sehen. Denn der Krieg in der Ukraine sorge für weitere Unsicherheiten auf dem Markt, vor allem, wenn dadurch weitere Versorgungsengpässe entstehen und die Energiepreise weiter stark ansteigen.
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