Kfz-Gewerbe Hessen „Wir hätten mehr verkaufen können“
Das Kfz-Gewerbe Hessen blickt zuversichtlich auf das laufende Jahr. Mit einem Minus von 1,4 Prozent beim Gesamtumsatz im vergangenen Geschäftsjahr sei die Branche noch mit einem blauen Auge davongekommen. Die Rendite stieg minimal auf 1,3 Prozent.
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Die Auftragsbücher sind voll, die Lieferzeiten noch lang und das Kaufinteresse an Automobilen weiter hoch. Noch im laufenden Jahr rechnet das Kfz-Gewerbe Hessen trotz der anhaltenden Lieferengpässe damit, dass sich der Bestellstau allmählich aufzulösen beginnt und eine „automobile Normalität“ bis 2023 zurückkehren wird.
Der Blick in den Rückspiegel und das Autojahr 2021 zeige aber starke Verluste, teilte Jürgen Karpinski, Präsident des Kfz-Gewerbes Hessen, mit. Zwar lag der Gesamtumsatz mit rund 22,5 Milliarden Euro unerwartet fast auf Vorjahresniveau (–1,4 %) – das sei auf die gestiegenen Preise für neue und gebrauchte Pkw zurückzuführen: Mit 37.940 Euro habe der durchschnittliche Neuwagen zu Buche geschlagen, mit 15.810 Euro ein gebrauchter Pkw.
Der Absatz war jedoch rückläufig: Insgesamt bilanzierte das hessische Kfz-Gewerbe im zweiten Corona-Jahr 795.160 Autokäufe (Vorjahr: 830.016), gut 15 Prozent weniger als 2020.
Das Neuwagengeschäft verzeichnete ein Absatzminus um 7,2 Prozent auf rund 277.000 Einheiten und Umsatzeinbußen von 3,1 Prozent. Der Gebrauchtwagenmarkt konnte dafür mit fast 140.000 Besitzumschreibungen (Vorjahr: 122.237) und einem Umsatz von zwei Milliarden Euro (Vorjahr: 1,6 Milliarden) einen Aufwärtstrend (3,3 %) erreichen, allerdings diesmal ohne Beteiligung des Markenhandels. Der büßte mit einem Umsatz von 4,4 Milliarden Euro (Vorjahr: 4,6 Milliarden) rund 40.000 Besitzumschreibungen ein. Grund war der Mangel an Neufahrzeugen, der sich dann auch auf dem Gebrauchtwagenmarkt niederschlug. Unter dem Strich wertete Karpinski das Geschäft mit den gebrauchten Pkw aber als „einzig positiv“.
Ein Blick auf die Antriebsarten: Bei den Neuwagen hatten Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren einen Anteil von 61,1 Prozent (–17,3 %): Das waren 115.475 Benziner (–22,3 %) und 53.809 Dieselfahrzeuge (–37 %). Gegenüber dem Vorjahr hat sich in Hessen dagegen die Zahl der E-Auto-Zulassungen auf 65.733 Pkw nahezu verdoppelt. Dazu zählten rein batteriebetriebene Elektroautos (BEV), Plug-in-Hybride (PHEV) und Brennstoffzellenfahrzeuge (FCEV). Der Anteil der E-Mobilität sei von 11,1 auf 23,8 Prozent gestiegen. Das Segment der alternativen Antriebe habe nun einen Anteil von 38,9 Prozent (Vorjahr: 21,7 %). Diese Entwicklung zeige „die Wirkung der hohen Subventionen, fern jeglicher Technologieoffenheit“, so Karpinski.
Mit einer Werkstattauslastung von gut 80 Prozent sei auch der Service „mit einem blauen Auge davongekommen“. Allerdings sankt der Umsatz um 5,1 Prozent. Die Umsatzrendite des hessischen Kfz-Gewerbes stieg minimal auf 1,3 Prozent (Vorjahr: 1,2 %).
Nutzfahrzeugmarkt mit Licht und Schatten
Den Nutzfahrzeugmarkt in Hessen bezeichnete Vizepräsident Michael Kraft als „einen Markt mit Licht und Schatten.“ Der Gesamtumsatz mit neuen und gebrauchten Lkw betrug 2,1 Milliarden Euro (–6 %). Die Lieferengpässe bei Halbleitern hätten auch den Nutzfahrzeugmarkt stark getroffen. „Wir hätten mehr verkaufen können, wenn wir mehr Ware gehabt hätten“, erklärt Michael Kraft den hohen Rückgang in diesem Segment.
Fehlende Ladeinfrastruktur: Die Politik muss liefern
Kritik übte Karpinski am schleppenden Ausbau der Ladeinfrastruktur. „Die Politik muss liefern“, sagte Karpinski. Ebenso bei synthetischen Kraftstoffen für die Bestandsfahrzeuge. Beim Thema E-Fuels müssten die Verantwortlichen in der Politik einen Blick auf den Motorsport werfen. Sowohl in der Langstrecken-Weltmeisterschaft (WEC) als auch in der europäischen Le-Mans-Serie (ELMS) setzten Teams auf den synthetischen Kraftstoff, mit dem die CO2-Emissionen um bis zu 65 Prozent reduziert würden. Karpinski: „Was technisch auf der Rennstrecke funktioniert, sollte auch im Alltag möglich sein.“
In Hessen gebe es aktuell 2.933 Normallader und 527 Schnelllader. Das reiche schon heute bei einem Bestand von bald 100.000 E-Fahrzeugen nicht aus. Der Blick auf den Verbrennerbestand in Hessen mit fünf Millionen Pkw und Lkw zeige, dass es perspektivisch nicht ohne E-Fuels gehe, sollten die Klimaziele im Verkehr erreicht werden.
Auch die Förderung von Plug-in-Hybriden dürfe weder gestrichen noch spürbar gekürzt werden. Diese Modelle seien die Eingangstür zur Elektromobilität, betonte Karpinski. Ein großes Ärgernis sei die ungeklärte Förderung, weil als entscheidendes Datum der Tag der Zulassung für die Förderung feststehe. Die Forderung des Kfz-Gewerbes, als Termin den Tag der Bestellung zu nehmen, sei noch ungehört in Berlin verklungen.
Prognose: 5 Prozent mehr Neuzulassungen
Mit Blick auf das laufende Jahr sagte Karpinski für Hessen rund 130.000 Neuzulassungen für die ersten sechs Monate voraus und 160.000 für das zweite Halbjahr und damit ein Plus von fünf Prozent. Zudem könnten in diesem Jahr 530.000 bis 540.000 Gebrauchtwagen verkauft werden. Große Änderungen im Service seien durch zurückgehende Jahresfahrleistungen und verstärkte Home-Office-Regeln nicht zu erwarten. Karpinski: „2022 wird ein forderndes Autojahr für das Kfz-Gewerbe, aber wir blicken zuversichtlich nach vorne. Vielleicht kommt 2023 die automobile Normalität wieder zurück.“
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