Der Fall Porsche „P1“: Stunde der Gutachter

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Unterm Elektronenmikroskop

Natürlich konnte Porsche die Vorwürfe nicht auf sich sitzen lassen. Zumal auch das TMW als eine der führenden technischen Sammlungen bezüglich der Echtheit der Porsche-Angaben eine Augenbraue hochgezogen hatte. Also fuhr man parallel zu den Untersuchungen von Möser/Tutt eines der schwersten Geschütze auf, welche die moderne Naturwissenschaft zu bieten hat: das Rasterelektronmikroskop. An Hand der Kraterlandschaft aus patiniertem Metall, Kratzern und Einschlägen, die sich dem Laienauge bietet, konnten die beiden Experten durch Messungen belegen, dass die inkriminierte Kennzeichnung sehr wohl aus der Zeit um 1898 stammen müsse.

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Zur Vorstellung der Gutachten im Porsche Museum waren auch Vertreter des Technischen Museums eingeladen, die allerdings nicht zusagten. Für Kurt Möser ist die „P1“-Debatte ohnehin „ein Nebenkriegsschauplatz“. Der Historiker bewertet diese selbstfahrende Kutsche als Ikone aus der Frühzeit des German Engineering. Ihn begeistert das Kollage-Verfahren mit dem sich damalige Tüftler aus dem Fahrrad-, Kutschen- und Straßenbahnbau bedient hätten. Für ihn ist der C.2 Phaeton ein reines und höchst seltenes – weil erhaltenes – Versuchsfahrzeug, das bereits 1898 im Einsatz war. Das TMW hatte diese Datierung angezweifelt. Aber es ist eine Plakette mit diesem Jahr erhalten – diese Stempelmarken waren laut seinem Gutachten in der K.u.K.-Monarchie jeweils auf das Gebrauchsjahr bezogen.

Brisante Porsche-Notiz

Moniert wurde von den Kritikern nicht nur die Echtheit der Einschläge, sondern, was wohl noch mehr wiegt, die tragende Rolle von Ferdinand Porsche bei der Entwicklung des spezifischen Oktogon-Elektromotors. Hier hat der Professor vom Karlsruher Institut für Technologie erfolgreich in den Archiven von Porsche und des TMW gefahndet. Er fand Konstruktionszeichnungen und Notizen, die mit dem Kürzel FP signiert waren. Zusammen mit einem Bild, das den stolzen jungen Techniker mit seinem achteckigen Motor zeigt, Indizien dafür, dass der junge Porsche mehr war als ein Assistent. Außerdem barg er eine Zeichnung mit sichtbaren Spuren der Ausradierung, die aufzeigt, dass der Konstrukteur mit der Platzierung des Antriebs entweder auf der Vorder- oder Hinterachse experimentiert hatte. Das TMW hatte übrigens den C.2 gegen andere historische Fahrzeuge bei einem Sammler eingetauscht. Von ihm hatte Porsche die Elektrokutsche fürs Firmenmuseum erworben. Stutzig machte Möser, dass die beiden Autos einen wesentlich höheren Wert als der von Gutachtern wie Eder auf rund 35.000 Euro taxierte C.2 besitzen. Ein Beleg für den tatsächlichen Wert als lupenreiner erster Porsche?

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