Skoda Mit Coupé-Modellen gegen die sozialistische Tristesse

Von sp-x

Skoda war immer weit mehr als nur preiswerte Massenkonfektion. Schon früh sicherten Sportler den Tschechen viel Renommee. Speziell in den 1970er Jahren entwickelte Skoda eine Reihe rassiger Coupés, die die Machthaber teils aber lieber in den Magazinen des Autobauers versteckten.

Richtig gesehen: Das Auto kommt von Skoda. Der 110 R hatte ab 1971 auch in Deutschland viele Fans.
Richtig gesehen: Das Auto kommt von Skoda. Der 110 R hatte ab 1971 auch in Deutschland viele Fans.
(Bild: Skoda)

Im vergangenen Jahr hat Skoda das 125-jährige Bestehen gefeiert – wegen der Corona-Krise ging das Jubiläum etwas unter. Zu Unrecht, denn mit seiner Geschichte gehört der Autobauer aus Tschechien zu den ältesten noch existierenden Automobil-Veteranen. Das macht sich auch in der Modellgeschichte bemerkbar, in der manches Coupé selbst in Zeiten der sozialistischen Planwirtschaft auf die Straßen kam.

Zu Beginn der 1970er Jahre waren sie bei Skoda kritische Worte westlicher Fachjournalisten gewohnt. Kommentare wie „Minimalvehikel“ oder „technisch rückständig“ waren Alltag für die Konstrukteure der billigen Heckmotor-Limousine Skoda S 100. Ein völlig unverdienter Tiefschlag kam dann ausgerechnet von Leonid Breschnew, dem Lenker des sozialistischen Bruderlands Sowjetunion. Vor 50 Jahren war es den Tschechoslowaken gelungen, den braven Viertürer S 100 in das schnell aussehende Sportcoupé 110 R zu transformieren und mit einem 1,1-Liter-Vierzylinder zu versehen, der dank Doppelvergaser immerhin 38 kW/52 PS freisetzte.

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Der 110 R hatte genug Temperament, um es mit manchem Ford Capri oder VW Karmann Ghia aufzunehmen. Ob in Paris, London oder Turin, überall bekam der mutige Versuch mit einem kreativen Coupé aus der sozialistischen Monokultur auszubrechen, überraschend stürmischen Beifall. Nur Autofan Breschnew, der eine persönliche Morgengabe mit einem weißen und einem blauen 110 R Coupé überstellt bekam, goutierte sie nicht. Er retournierte beide Autos, denn offenbar passten sie nicht in die Kollektion PS-starker V8 kapitalistischer Provenienz.

Dennoch stand einer Serienproduktion des bezahlbaren Heckmotor-Coupés nichts im Weg und damit dem Urahnen der heute aktuellen Skoda RS-Modelle. Brachte der ab Anfang 1971 auch in Deutschland verkaufte 110 R doch bald wilde Sport-Ableger hervor wie die Typen 200 RS und 130 RS, die als „Porsche des Ostens“ erfolgreich die europäische Motorsportszene aufmischten.

Entwürfe italienischer Design-Studios

Skoda hatte noch weitere Überraschungen in petto. Böhmische Spezialitäten, die zeigten, dass sich Skoda sogar auf Sportcoupés im Stil italienischer Alta Moda verstand. Allerdings scheiterte die Serienproduktion dieser aufregenden Zweitürer aus den Studios von Bertone, Giorgetto Giugiaro oder Pininfarina regelmäßig an den Zwängen des damaligen staatlichen Dirigismus, dem es genügte, wenn Skoda mit Coupés wie dem 110 R europaweit beachtete, bezahlbare Extravaganz anbot.

Schließlich wurde dadurch zugleich der Absatz preiswerter Standardlimousinen beflügelt, die nicht nur in Comecon-Nachbarländer wie die DDR exportiert wurden. Vielmehr erzielten sie besonders auf kapitalistischen Märkten wie Großbritannien und der Bundesrepublik Deutschland beachtliche Zulassungszahlen und dienten so als Devisenbeschaffer. Tatsächlich erreichte Skoda ab 1973 eine Exportquote von über 70 Prozent und beim Coupé 110 R betrug sie 93 Prozent.

In der Bundesrepublik war das elegante, 2+2-sitzige Sportcoupé 110 R vor 50 Jahren ab 6.930 Mark erhältlich. Optional gab es ein Rallyepaket mit 51 kW/70 PS Leistung, mit dem der 880 Kilogramm leichte und agile Heckmotortyp eine Vmax von immerhin 155 km/h erreichte. Bis zu 57 Prozent der Masse drückten auf die angetriebenen Hinterräder, was dem Skoda auf verschneiten Bergstraßen eine souveräne Traktion sicherte – ganz im Gegensatz zu vergleichbaren Basisversionen von Ford Capri oder Opel Manta, die überdies bis zu 20 Prozent teurer waren.

Vergleiche mit Porsche

Manchen Heckmotorfan erinnerte der 110 R sogar an den erst sechs Jahre zuvor eingestellten legendären Porsche 356, der anfangs auch nicht mehr Power bereitstellte. Zum Überraschungsstar des Genfer Automobilsalon 1971 avancierte der Skoda 1100 GT. Dieser 173 km/h schnelle reinrassige Sportwagen, designt vom tschechoslowakischen Institut zur Forschung an Kraftfahrzeugen (ÚVMV), nutzte die Antriebstechnik des 110 R und wirkte wie ein Herausforderer von VW-Porsche 914/4 oder Opel GT. Trotz lebhaften westlichen Käuferinteresses verhinderten staatliche Direktiven allerdings alle Serienchancen.

Noch früher abgewürgt wurde ein anderer Dynamiker aus der Skoda-Sportschau 1971. Das von Giorgetto Giugiaro in adrette Form gebrachte Skoda S 720 Fastback Coupé hatte bis zu 70 kW/95 PS unter der Haube, durfte aber trotz erfolgreicher Erprobung nicht einmal öffentlich gezeigt werden. Vielleicht konnte sich so die Aufmerksamkeit mehr auf den Skoda 110 Super Sport konzentrieren, dessen keilförmige Konturen zumindest im Frontbereich an italienische Supercars etwa aus der Feder Marcello Gandinis erinnerten. Tatsächlich aber handelte es sich bei dem schnellen Renner mit einer Karosserie aus Verbundmaterialien um ein tschechoslowakisches Eigengewächs, das elf Jahre später als automobiler Vampir einen Auftritt im Science-Fiction-Film „Ferat“ hatte.

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Ab 1973 zählte Skoda mit einer Jahresproduktion von über 150.000 Einheiten zu den europäischen Volumenherstellern, und das Unternehmen feierte diesen Meilenstein mit einer Serie neuer Pulsbeschleuniger, die den Ruf als „Porsche des Ostens“ sicherten. So diente das Coupé 110 R zunächst als Basis für die flach gelegten Flundern 200 RS und 180 RS mit 1,8-Liter-Hubraum und Porsche-Fünfganggetriebe, die sportliche Siege in Serie sammelten. Sie waren die furiose Vorhut für den eigentlichen Superstar 130 RS, der von 1975 bis Anfang der 1980er Jahre die europäische Motorsportszene aufmischte.

Motorsport-Erfolge wirken bis heute nach

Dieses 91 kW/124 PS starke Coupé sicherte Skoda zwei Mal den Titel der Tourenwagen-Europameisterschaft und dies sogar gegen den in einer viel höheren Leistungsliga spielenden BMW 635 CSI. Eigentlich liefen die Coupés 110 R und 130 RS im Jahr 1980 aus, aber Skoda nutzte die Baureihe noch bis 1986 als Protagonisten für die Werbekampagne: „Sie müssen nicht unbedingt Rennen fahren, um Skoda schätzen zu lernen“. Tatsächlich reüssierten die 1981 bzw. 1983 aufgelegten Nachfolge-Coupés Skoda Garde und Rapid nicht im Motorsport, vermochten aber junge Käufer zu überzeugen.

„Flottes aus der CSSR“ und „Fahrspaß für harte Männer“ urteilten Fachjournalisten über diese maximal 46 kW/62 PS freisetzenden Heckmotor-Typen, die mit Preisen ab 9.990 Mark zu den billigsten Autos in der Bundesrepublik zählten, vom technischen Konzept inzwischen allerdings gestrig wirkten. Das ließ sich dem 1987 vorgestellten modernen Frontantriebs-Kompaktmodell Favorit nicht mehr vorwerfen, zumal die Carrozzeria Bertone das Design des Fünftürers definierte. Auch das extravagante Favorit S 783 Hardtop-Coupé entwarfen die Italiener – nur durfte der Staatskonzern diesen sportiven Zweitürer nicht in Serie gehen lassen.

Aber dann kam der politische Wind of Change, und als Skoda vor 30 Jahren erst privatisiert und anschließend in den Volkswagen-Konzern integriert wurde, konnte die neue Freiheit mit dem verwegenen MTX Roadster gefeiert werden. Heute fast vergessen, taugte dieser Luftikus auf Favorit-Basis bei Autoshows als Blickfang. Trotzdem: Kaufen wollte den 22.500 Mark teuren Sonnenkönig kaum jemand.

Vielleicht wurde der erste V8-Skoda unter Volkswagen-Führung deshalb von Beginn an als Showcar ausgelegt: Der Skoda Tudor auf Basis des Superb begeisterte Gran-Turismo-Fans und erinnerte an die großen Vorkriegs-Coupés made in Mladá Boleslav. Stattdessen begann 2001 mit dem Octavia RS eine neue, bis heute andauernde Ära bezahlbarer Skoda-Familiensportler, die künftig durch Modelle wie den Enyaq iV RS elektrisch aufgeladen wird.

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