»kfz-betrieb« Auto-Check: Fiat 500 L Trekking
Was BMW mit dem Mini gelang, möchte Fiat mit dem 500er schaffen: Einem stylischen, aber wenig praktischen Einzelkind ein bzw. mehrere Brüderchen mit höherem Nutzwert zur Seite zu stellen.

Sie vereinen modernen Stil und klassische Eleganz: die Werke des Schuhdesigners Manolo Blahnik. Auch Fiat wandelt mit seiner 500er-Familie neben der Retro- auf der modisch-hippen Linie. Während das Thema Retro der „500“ bedient, übernimmt der Minivan „500 L“ den Job des schicken und zugleich praktischen Turiners.
Im Inneren sorgt neben schwarzen Klavierlackabdeckungen die Farbe Braun in Form von Lederapplikationen in Türverkleidungen, Lenkrad und Sitzen für eine elegante Note. Außen bemüht sich ein „Cappuccino Beige“ um einen edlen Auftritt – und das subjektiv erfolgreich. Nebenbei: Der Kaffee-Ton ist die einzig kostenlose Farbe, alle anderen, selbst Unifarben, kosten Aufpreis – nicht schön! Weiterhin bieten diverse Mattsilberelemente (z.B. Türgriffe und Stoßleisten) optische Distanz zum gewöhnlichen Kleinwagenvolk.
Kleine Hütte, viel Platz
Fast schon als Maxi-Van präsentiert sich der 500 L in Sachen Platzangebot. Sowohl auf den vorderen Rängen als auch hinten dürften sich selbst großgewachsene Blondinen und gut gebaute Männer wohlfühlen. Und der Kofferraum lässt durchaus Platz für die eine oder andere größere Shopping-Tour. Praktisch: Klappt man die Sitzbank nach vorne, unterstützt dies eine Gasfeder, die die ganze Fuhre in dieser Position sicher arretiert.
In Sachen Verarbeitung, Haptik der Bedienelemente und Wertigkeit der Materialien kann der 500L nicht ganz mit der optischen Noblesse mithalten: ganz okay – nicht mehr, aber auch nicht weniger. Und ab und an muss die Funktion der Form folgen: Zwar sieht der aus Aluminium gefertigte Schaltknauf schick aus, aber im Winter fühlt er sich an wie ein Eiswürfel. Und dass die Zifferblätter der Instrumente in modischem Weiß daherkommen, mag manches erleichtern, nicht aber deren Ablesbarkeit.
Von wegen „Abseits der Straße“
Dass sich der 500 L vor allem an Frauen richtet, erkennt der männliche Testfahrer umgehend: Eine (italienisch) lässige Lenkradposition – Ellbogen auf der Türverkleidung, linke Hand um die Speiche des Lenkrads – verhindert selbige leider erfolgreich. Dafür ist das Ding (Speiche) schlicht zu breit. Auch hier hat wohl eher die Optik die erste Geige gespielt.
Was den gewöhnlichen 500 L zum 500 L Trekking macht? Da wären vor allem das höher gelegte Fahrwerk, das große Schuhwerk – 17-Zoll-Räder mit Winterreifen – und die kleinen Geländewagenapplikationen. Zudem soll eine elektronische Traktionskontrolle den Mini-Van bei Bedarf zum Möchtegern-SUV machen. Vielleicht sind es diese Fahrwerkszutaten, die dazu beitragen, dass der große Kleine sowohl vom Lenkgefühl als auch von der Federung/Dämpfung her nicht sonderlich präzise und etwas „weich“ wirkt.
Da brummt der Problembär
Das Gegenteil davon, sprich verdammt hart, ist das Fahrverhalten – und zwar aufgrund des in unserem Testwagen verbauten Zweizylinder-„Twin-Air“-Motors mit seiner variablen Ventilsteuerung. Ist der kleine 875-cm3-Antrieb im viel leichteren und windschnittigeren 500 bereits ein rauer Geselle mit „ordentlichem“ Trinkverhalten, mutiert das Motörchen im 1,35 Tonnen schweren 500 L Trekking zum brummig nervigen – Zitat Felix Wankel: Schüttelhüber – und exzessiven Säufer. Vor allem Autobahnfahrten lassen fast so etwas wie Mitleid beim Tester aufkommen: Das kleine 105-PS/77kW-Triebwerk rennt geradezu gegen Fahrwiderstände an. Die Folge: mit Fernstraßenanteil ein Verbrauch kaum unter neun, leicht über zehn Liter pro 100 Kilometer. Im Schnitt stets über acht Liter zeigen, dass der Weg des Motorenkonzepts im Fall 500 L Trekking eine Sackgasse ist – vom Komfort ganz abgesehen.
So dürfte die Kaufentscheidung pro oder contra 500 L Trekking mit der Wahl des Motors stehen oder fallen. Auch die kleinste Variante, ein klassischer Vierzylinder-Sauger mit 95 PS/70 kW, steht in Sachen Trinksitten dem Twin Air in nichts nach und bringt die schwere Fuhre nur mäßig in Gang. Bleiben noch zwei Diesel. Wer die nicht will bzw. braucht, Stichwort höhere Unterhaltskosten, muss sich notgedrungen nach anderem umsehen. Gelungenes Fahrzeugkonzept bzw. Mode hin oder her – schade.
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