EU-Entscheidung gegen Verbrenner Von „fataler Fehler“ bis „großartiger Beschluss“
Europäer mit Benzin im Blut sind in tiefer Trauer: Brüssel und die Umweltminister der Länder wollen den Verbrennungsmotor nahezu endgültig ausschalten. Dabei ist keiner der mehr oder weniger Beteiligten mit dem erzielten Kompromiss so richtig zufrieden.

Nach dem Beschluss der EU-Umweltminister zu emissionsfreien Neuwagen ab 2035 kommt von der deutschen Autoindustrie Kritik. Der Branchenverband VDA bemängelte am Mittwoch, dass es in Europa nach wie vor nicht genügend Ladestationen für Elektroautos gibt. Die Einigung aus der Nacht sehe immer noch ein faktisches Verbot von Fahrzeugen mit Verbrennermotoren ab 2035 vor.
„Zu E-Fuels scheint es nur für eine Absichtserklärung gereicht zu haben, deren Umsetzung offen ist“, sagte VDA-Präsidentin Hildegard Müller. E-Fuels seien wichtig, um die Klimaziele zu erreichen.
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Klimaschutz
EU-Länder einigen sich auf Verbrenner-Verkaufsverbot mit Fußnote
Auch der Importeursverband VDIK mahnte einen schnelleren Ausbau der Ladeinfrastruktur an. „Die beschlossenen CO2-Ziele lassen sich nur mit starken Kaufanreizen und einer guten Ladeinfrastruktur erreichen“, sagte Verbandspräsident Reinhard Zirpel. In Europa sollten auch künftig alle Antriebstechnologien, die klimafreundliche Mobilität ermöglichen, genutzt werden können.
Dobrindt: „Fataler Fehler“
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt hat die Entscheidung der EU-Staaten zum Verbrenner-Aus als einen „fatalen Fehler“ bezeichnet. Dieser hänge maßgeblich mit dem „desolaten Auftritt“ der Ampel-Regierung zusammen, sagte Dobrindt am Mittwoch. Statt dem Verbrenner mit CO2-freien synthetischen Kraftstoffen eine klare Perspektive zu geben, habe die Bundesregierung viel zu lange keine abgestimmte Position gehabt.
„Jetzt soll ausgerechnet die EU-Kommission Ausnahmen für klimaneutrale Kraftstoffe erarbeiten, obwohl sie in der Vergangenheit selbst ein Verbrenner-Aus vorgeschlagen hatte.“ Der Verbrennungsmotor habe den Wohlstand in Europa über Jahrzehnte mit gesichert, Arbeitsplätze und Wertschöpfung geschaffen, argumentierte der Abgeordnete. „Den nächsten technologischen Sprung der Verbrenner in eine CO2-freie Zukunft jetzt vorsätzlich anderen Regionen der Welt zu überlassen, ist vollkommen fahrlässig. Die Bundesregierung hat es versäumt, ihre Führungsrolle wahrzunehmen und diese innovationsfeindliche und wohlstandsgefährdende Politik aus Brüssel zu stoppen.“
Die umweltpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Anja Weisgerber ergänzt: „Die FDP hat den wichtigen Aspekt der Technologieoffenheit viel zu spät eingebracht. Rechtlich bindend ist es noch nicht, dass ab 2035 Neufahrzeuge zugelassen werden dürfen, die mit CO2-neutralen Kraftstoffen fahren. Die Bundesregierung gibt der Automobil- und Zuliefererindustrie keine Planungssicherheit und lässt die Beschäftigten im Regen stehen.“
ZDK: „Rechtssichere Lösung auf den Weg bringen“
Der Präsident des Zentralverbands Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK) Jürgen Karpinski wertete das Votum der EU-Umweltminister, dass die Möglichkeit geschaffen werden soll, neue Verbrennungsmotoren auch ab 2035 zuzulassen, wenn sie mit E-Fuels betrieben werden, als „kluge Entscheidung“. „Wir setzen uns seit einem Jahrzehnt für synthetische Kraftstoffe ein und haben immer wieder auch gegenüber der Politik auf die technologieoffene Gestaltung der individuellen Mobilität der Zukunft gedrungen“, so der ZDK-Präsident. Die Entscheidung der Umweltminister halte diesen Weg offen.
Nun sei es Aufgabe der Bundesregierung, gemeinsam mit den anderen EU-Ländern einen Kompromiss mit dem EU-Parlament zu finden, um eine rechtssichere Lösung auf den Weg zu bringen.
Lindner: „Verbrenner muss weiterentwickelt werden können“
Wenig überraschend begrüßte auch FDP-Chef Christian Lindner die nächtliche Entscheidung aus Straßburg: „Der Verbrennungsmotor wird mindestens global noch lange eine Rolle spielen", sagte Lindner. Er sollte dann möglichst klimaneutral betrieben und effizient eingesetzt werden. „Das heißt, er muss weiterentwickelt werden können und idealerweise von deutschen Unternehmen, die hier mit dieser Technologie in ihrer weiterentwickelten Form auch Arbeitsplätze sichern sollen“, sagte Lindner. Niemand könne heute wissen, wie wettbewerbsfähig und wirtschaftlich E-Fuels in den 2030er-Jahren sein werden.
Lemke: „Das ist ein großartiger Beschluss“
Auch Bundesumweltministerin Steffi Lemke hat den EU-Ministerbeschluss für klimaneutrale Neuwagen ab 2035 verteidigt. „Das ist ein wirklich großartiger Beschluss, der den Klimaschutz im Verkehrssektor vorantreibt, der einen wichtigen Beitrag leisten wird, die CO2-Ziele und die Klimaschutzziele im Verkehrssektor einzuhalten“, sagte die Grünen-Politikerin am Mittwoch am Rande des Deutschen Naturschutztags in Hannover.
„Wir können diese Diskussion, ob es ein Verbrenner-Aus oder ein Verbrenner-Aus-Aus ist, noch eine Weile weiter führen, aber für mich ist entscheidend, was beschlossen wurde“, sagte Lemke. Dieser Beschluss besage, „dass Pkw-Neuwagen ab 2035 vollständig CO2-frei fahren sollen“, gemessen am Ausstoß am Auspuff. Die Ministerin betonte, dass E-Fuels diese Voraussetzung nicht erfüllten. Die EU-Kommission sei aber gebeten worden, zu prüfen, „ob es Mittel und Wege gibt, für diese Randbereiche noch andere Möglichkeiten“ zu schaffen. „Den Vorschlag muss die Kommission dann jetzt bewerten und schauen, was sie damit macht. Aber innerhalb der Flottengrenzwerte ist es nicht möglich“, sagte Lemke über die E-Fuels, für die sich in Deutschland vor allem die FDP starkgemacht hatte.
BUND: „Beschluss führt zu unnötigen Fehlinvestitionen“
Umweltverbände haben die Entscheidung der EU-Staaten zum Verbrenner unterdessen bemängelt. Kritisiert wurde vor allem, dass Verbrenner-Autos nach 2035 eine Zukunft mit E-Fuels habe sollen. „E-Fuels sind eine Scheinlösung, sie sind ineffizient, nicht automatisch klimaneutral und werden auf absehbare Zeit teuer sowie begrenzt verfügbar bleiben“, sagte Antje von Broock, Geschäftsführerin des BUND, am Mittwoch in Berlin.
„Wir hätten uns ein noch klareres Bekenntnis zum batterieelektrischen Antrieb gewünscht“, sagte von Broock. Das hätte auch der Automobilindustrie mehr Planungssicherheit gegeben. „Es ist unverständlich, warum die FDP hier so vehement für Einzelinteressen eintritt. Sollte nach 2035 die Zulassung neuer Pkw mit Verbrennungsmotor möglich sein, kann das zu unnötigen Fehlinvestitionen führen.“
Der geschäftsführende Greenpeace-Vorstand Martin Kaiser sprach von einem „Luftschloss“ und einem verwässerten Verbrenner-Ausstieg. Kaiser sagte wörtlich: „Es ist es ein wichtiges Signal, dass die EU klimaschädlichen Verbrennern ein klares Enddatum setzt, aber dieses Verbot kommt viel zu spät, um das 1,5-Grad-Ziel im Verkehr zu erreichen und Europas Abhängigkeit vom Öl schnell zu beenden. Ärgerlich ist, dass die EU sich nun weiter mit der Scheinlösung ineffizienter und teurer E-Fuels beschäftigen muss, die im Pkw-Markt nichts verloren haben.“ Das „Luftschloss“ E-Fuels bremse den anstehenden Umbau der Autoindustrie, führe Verbraucher in die Irre und werfe den Klimaschutz zurück.
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