Fahrbericht Alfa Romeo Tonale: Früher war mehr Feeling
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Der Tonale ist ein schönes und gut verarbeitetes SUV. Aber ist er auch ein richtig guter Alfa? Da sind wir uns nicht so sicher und sind der Frage deshalb nachgegangen.

„Ich hatte vom Feeling her ein gutes Gefühl“ – dieser Spruch wird dem ehemaligen Fußball-Star Andy Möller zugeschrieben. Passt für uns, würden wir sagen. Denn uns erging es ähnlich, als wir den neuen Tonale von Alfa vor die Türe gestellt bekamen. Der etwas über 4,50 Meter lange Italiener sieht einfach gut aus, so wie man es von Alfa-Modellen ja meist gewohnt ist.
Die hochgesetzte Gürtellinie, das durchgehende Leuchtenband hinten, schmale LED-Leuchten, die „Wählscheiben“-Felgen und natürlich das markentypische „Schildchen“ als Kühlergrill, dessen italienischer Originalname „Scudetto“ lautet, geben dem Auto ein modernes Outfit.
So optisch gelungen die Alfas meist bislang ausfielen, spätestens im Innenraum war häufig Schluss mit der Liebe. Hartes, noch dazu unsauber verarbeitetes Plastik und schlecht ablesbare Instrumente waren hier vorzufinden.
Auch die Konnektivitätssysteme lagen häufig ein bis zwei Generationen hinter dem Stand der Dinge zurück – ja, man musste die Marke in der Vergangenheit schon innig lieben, um so manchen Makel verzeihen zu können. Wobei echte Alfisti ihr Gefährt vielleicht auch gerade wegen seiner Unzulänglichkeiten verehrten.
Um es kurz zu machen: Nichts davon trifft auf den neuen Tonale zu. Bei der Verarbeitung gibt es nichts zu meckern. Die Konnektivität läuft problemlos und dank Amazons Alexa und Navidaten von TomTom schnell und aktuell ab. Der Qualitätseindruck insgesamt: wertig. Alfa gibt nun auch ganz selbstbewusst erstmals satte fünf Jahre Garantie. Vielleicht, um die Nicht-Alfisti unter den Alfa-Fans zu beruhigen.
Komponenten von Stellantis
Übrigens bietet der Fünftürer auch genügend Raum, wie bei fast jedem modernen Fahrzeug theoretisch für fünf, praktisch für vier Erwachsene. Hinzu kommt ein ausreichend großer Kofferraum mit 500 Liter Volumen, der nach Umlegen der asymmetrisch geteilten Rücksitze bis auf 1.550 Liter anwächst. Selbst an eine Durchreiche für lange Gegenstände haben die Italiener gedacht.
Wobei man natürlich zugeben muss, dass beim Tonale – wie der größere Bruder Stelvio ebenfalls nach einem Alpenpass benannt – nicht unbedingt viel „Italien“ an Bord ist. Denn fast alles stammt, wie es heute üblich ist, aus einem großen Baukasten, in diesem Fall aus einem des Stellantis-Konzerns. Was leider zum Problem wird.
Enttäuschendes Fahrgefühl
Denn bei einem Alfa freut man sich ja immer ganz besonders aufs Fahren. Und hier beginnt die Enttäuschung. Auf dem Papier hört sich alles noch ganz gut an. Der 1,5-Liter-Turbobenziner leistet 118 kW/160 PS und wird zudem von einem kleinen Elektromotor mit 15 kW/20 PS unterstützt und das daraus resultierende Drehmoment von 240 Newtonmeter müsste reichen. Nur tut es das leider nicht.
Vielleicht liegt das an der schon etwas betagteren Technik, die im Grunde vom Jeep Compass beziehungsweise Renegade abstammt, die schon über 15 Jahre auf dem Markt sind. Geht die Fahrwerksabstimmung noch gerade in Ordnung, wirkt das sehr träge reagierende Doppelkupplungsgetriebe schon altbacken.
Hinzu kommt eine äußerst indirekte Lenkung, die dem Fahrspaß spätesten auf der Landstraße den Garaus macht. Da hilft auch kein Fummeln am bereits bekannten sogenannten DNA-Steller. Denn schon bei D (Dynamic) entfaltet der Tonale seine ganze Behäbigkeit, so dass man N (Normal) und vor allem A (Advanced Efficiency) gar nicht erst ausprobieren möchte.
E-Version mit Leistungsschwäche
Die elektrische Unterstützung ist zudem kaum zu spüren. Immerhin reicht der kleine Akku mit seinen knapp 0,8 kWh Kapazität für ganz kurzes elektrisches Fahren, etwa beim Einparken in der Stadt, da der Benziner komplett entkoppelt werden kann. Insgesamt wirkt der Alfa aber seltsam seelenlos, scheint sich fast schon von seinem Fahrer zu distanzieren.
Unter diesen Voraussetzungen ist wohl auch die schwächere Variante mit 130 PS kaum zu empfehlen. Wer einen Tonale will, sollte vielleicht lieber den Diesel (130 PS) probieren. Der Leistungsschwäche Einhalt gebieten könnte der für Herbst avisierte Plug-in-Hybrid mit 275 PS Systemleistung und 64 Kilometern rein elektrischer Reichweite.
Zu viel an alter Technik
Für unseren optisch gelungenen, immerhin aber mindestens 42.500 Euro teuren Tonale gilt aber: Emotionale Marken haben es besonders schwer, wenn die Konzernbaukästen uniforme Systeme vom Fahrwerk bis hin zu Motoren und Getriebe vorschreiben. Dem einen Unternehmen gelingt das besser, anderen weniger gut.
Die Kostenfuchser von Stellantis haben es beim Tonale übertrieben und dem Italiener zu viel alte Technik übergestülpt. So hat der Alfa zwar einige unverhoffte Stärken, aber auch deutliche Schwächen. Leider gerade da, wo man es bei dieser Marke am wenigsten erwartet.
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