Verbrenner-Aus EU-Parlament stimmt für Verbot neuer Autos mit Verbrenner ab 2035
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Das EU-Parlament hat für ein Ende des Verkaufs von Neuwagen mit Verbrennungsmotoren ab dem Jahr 2035 gestimmt. Synthetische Kraftstoffe sollen nicht angerechnet werden können. Jetzt muss das Gremium mit den Ländern darüber verhandeln.

Im Kampf für mehr Klimaschutz will das EU-Parlament den Verkauf von Neuwagen mit Verbrennungsmotor ab 2035 verbieten. Eine Mehrheit der Abgeordneten stimmte am Mittwoch in Straßburg dafür, dass Hersteller ab Mitte des nächsten Jahrzehnts nur noch Autos und Transporter auf den Markt bringen dürfen, die keine klimaschädlichen Treibhausgase ausstoßen. Bevor eine solche Regelung in Kraft treten kann, muss das Parlament noch mit den EU-Staaten darüber verhandeln.
Ende des Monats wollen die EU-Staaten ihre Position zu dem Verbot für den Verkauf von Benzin- und Dieselautos festlegen. Dann müssen die beiden EU-Institutionen noch einen Kompromiss finden, damit es in Kraft treten kann.
Deutschland hat sich schon zum Ausstiegsdatum 2035 bekannt. Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) hatte im Namen der Bundesregierung im März in Brüssel gesagt, man stehe hinter dem Ziel, bis 2035 mit Verbrennungsmotoren bei Autos und Transportern abzuschließen. Auch mehrere große Auto-Hersteller, darunter Mercedes und Ford, hatten im November auf der Weltklimakonferenz in Glasgow einen Verkaufsstopp für Verbrenner in den führenden Märkten ab 2035 gefordert.
Nach der Abstimmung sagte der deutsche Grünen-Abgeordnete Michael Bloss am Mittwoch: „Damit haben wir uns für die Zukunft des Automobilstandort Europa entschieden.“ Künftig würden die besten Elektroautos und neuesten Batterien aus Europa kommen.
Synthetische Kraftstoffe sollen nicht angerechnet werden können
Die Abgeordneten sprachen sich auch dafür aus, dass keine klimafreundlichen synthetischen Kraftstoffe angerechnet werden können. Mit diesen könnte ein klassischer Verbrenner klimaneutral betrieben werden. Kritiker befürchten jedoch, dass es davon schon zu wenig für Luft- und Schifffahrt gibt, die weniger leicht als Autos oder Transporter elektrisch betrieben werden können.
Kritik kam von der CDU. „Grüne, Liberale und Sozialdemokraten setzen leider lieber alles auf die Karte Elektromobilität“, sagte der CDU-Europaabgeordnete Jens Gieseke. Er fürchtet nach eigenen Worten um die Wettbewerbsfähigkeit Europas und zahlreiche Arbeitsplätze. Er räumte aber ein: „Das Verbrennerverbot 2035 wird wohl nicht mehr zu verhindern sein.“
Der Gesetzesentwurf ist Teil des EU-Klimapakets „Fit for 55“, das darauf abzielt, klimaschädliche Emissionen bis 2030 um 55 Prozent gegenüber dem Stand von 1990 zu senken und bis 2050 Klimaneutralität zu erreichen.
ZDK reagiert enttäuscht
Der Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK) zeigte sich in einer Reaktion zu dem Votum enttäuscht darüber, dass synthetische Kraftstoffe nicht positiv auf die neuen CO2-Flottengrenzwerte angerechnet werden sollen, was faktisch zu einem Verbrenner-Verbot ab 2035 führe.
„Damit haben die Parlamentarier eine große Chance vertan, die Zukunft der individuellen Mobilität technologieoffen zu gestalten“, bedauert ZDK-Präsident Jürgen Karpinski. „Wer schnelle Erfolge bei der CO2-Reduktion erzielen will, muss den aktuellen Fahrzeugbestand in den Blick nehmen. Das sind in Deutschland rund 46 Millionen Pkw und weltweit 1,5 Milliarden Pkw.“ Mit klimaneutralen E-Fuels oder Biokraftstoffen, so Karpinski, könnten alle diese Fahrzeuge klimaneutral angetrieben werden. Zudem wäre die bestehende Tankstellen-Infrastruktur vorhanden. Unabhängig vom Votum des EU-Parlaments will der ZDK an seiner Strategie festhalten, sich für den Aufbau einer europaweiten E-Fuel-Infrastruktur einzusetzen.
Nach Ansicht des ZDK werden viele Millionen Menschen auch in Europa ihre Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren über das Jahr 2035 weiter betreiben, weil die E-Mobilität für sie aus unterschiedlichen Gründen keine Alternative ist. „Sie mitzunehmen auf dem Weg, mit diesen Fahrzeugen klimaneutral zu fahren, muss Aufgabe der Politik sein, in Europa und insbesondere auch hier in Deutschland“, fordert Karpinski.
VDA: „Entscheidung gegen die Bürger“
Auch VDA-Präsidentin Hildegard Müller kritisierte in einer Stellungnahme die Entscheidung des Parlaments. Zwar bekenne sich die deutsche Automobilindustrie zum Ziel der Klimaneutralität, der Beschluss vom Mittwoch sei jedoch „eine Entscheidung gegen die Bürger, gegen den Markt, gegen Innovation und gegen moderne Technologien“, so Müller. Das Parlament verkenne, dass es in vielen EU-Ländern keine ausreichende Ladeinfrastruktur gebe. „Es ist daher für eine derartige Zielsetzung schlichtweg noch zu früh“, folgert Müller.
Die Politik könne nicht mehr Tempo von der Industrie fordern, ohne selbst die Rahmenbedingungen zu schaffen, die dieses Tempo ermöglichen, sagt Müller. Der VDA werde sich weiter dafür einsetzen, dass für eine so weitreichende Entscheidung zuerst die entsprechenden Rahmenbedingungen geschaffen werden. Daher empfiehlt der Verband ein Review im Jahr 2028, in dem über die finale Zielsetzung nach 2030 entschieden werde. „Der Weg für technologieoffene Lösungen sollte grundsätzlich immer offen gehalten werden“, betont Müller.
Die Europäische Union hätte nach Ansicht des Verbands zudem synthetische Kraftstoffe in ihre Klima-Strategie einbeziehen sollen. Diese Kraftstoffe seien wichtig, damit die Autos, die bereits im Markt sind, weniger klimaschädlich betrieben werden könnten, sagte Hildegard Müller am Donnerstag (9. Juni) im ARD-Morgenmagazin. „Wir haben derzeit rund 280 Millionen Verbrennungs-Pkw. Das heißt Klima-Neutralität schaffen wir nicht, wenn wir nicht zum Beispiel auch die Bestands-Autos über synthetische Kraftstoffe einbeziehen.“ Diese Entscheidung fehle aber in den aktuellen Beschlüssen der Europäischen Union.
ACEA: Langfristige Regulierung verfrüht
Ähnliche Kritik wie vom VDA kam vom Verband der europäischen Automobilhersteller (ACEA). Der ACEA-Präsident und BMW-Vorstandsvorsitzende Oliver Zipse sagte am Donnerstag: „Angesichts der Volatilität und Unsicherheit, die wir Tag für Tag weltweit erleben, ist jede langfristige Regulierung, die über dieses Jahrzehnt hinausgeht, in diesem frühen Stadium verfrüht.“
Auf halbem Weg müsse noch einmal überprüft werden, „ob der Aufbau von Ladeinfrastruktur und die Verfügbarkeit von Rohstoffen für die Batterieproduktion mit dem zu diesem Zeitpunkt weiter steilen Hochlauf von batterieelektrischen Fahrzeugen mithalten können.“ Erst wenn das sichergestellt sei, sollten die Ziele für die Zeit nach 2030 festgelegt werden.
Der Verband sei besorgt darüber, dass die Abgeordneten das Ausstiegsdatum 2035 in Stein gemeißelt festlegen wollten. ACEA forderte die EU-Minister „nachdrücklich auf, alle Unsicherheiten zu berücksichtigen, mit denen die Industrie konfrontiert ist, während sie sich auf einen massiven industriellen Wandel vorbereitet“.
ADAC fordert Technologieoffenheit
Auch der ADAC bedauert die Forderung des EU-Parlaments nach einem Verkaufsverbot von Neuwagen mit Verbrennungsmotor ab 2035. „Allein mit der Elektromobilität werden sich im Verkehr die ambitionierten Klimaschutzziele nicht erreichen lassen“, teilte der Automobilclub am Mittwochabend mit. „Deshalb wäre es notwendig gewesen, auch eine Perspektive für den klimaneutral betankten Verbrennungsmotor zu öffnen.“
Aus Sicht von ADAC-Technikpräsident Karsten Schulze ist der Europäische Rat, in dem die Regierungen der Mitgliedstaaten sitzen, nun gefordert, „eine klare Haltung zugunsten von Technologieoffenheit und effizienter CO2-Reduktion zu ergreifen, um in den Trilogverhandlungen zu einem tragfähigen Kompromiss zu kommen. Deutschland als wichtige Stimme in Europa sollte in diesem Sinne seine Verhandlungsposition überdenken.“
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