»kfz-betrieb« Auto-Check: Kia e-Niro – der Alltagstaugliche
Ein optisch gefälliges SUV mit einer elektrischen Reichweite von wirklich 455 Kilometern: Der koreanische Stromer fühlt sich auf der Autobahn genauso wohl wie in der Stadt.
Anbieter zum Thema

250 Kilometer am Stück auf der Autobahn zurückzulegen mit einem Elektroauto der ersten Generation, erforderte drei Dinge: Nerven aus Stahl, eine gute Planung und genügend Zeitpuffer. War man schneller als 100 Stundenkilometer unterwegs, konnte man den Blick kaum von der Reichweitenanzeige abwenden – die verbleibenden Kilometer schmolzen gefühlt doppelt so schnell dahin wie die tatsächlich zurückgelegte Distanz. Letztlich konnte man nur zwei Dinge tun: Rechts hinter den Lkws einfädeln oder die Autobahn zugunsten der Landstraße verlassen. Unweigerlich drängte sich nach einer solchen Fahrt die Frage nach der Alltagstauglichkeit von Stromern auf.
Diese Zweifel konnte der getestete Kia e-Niro mit einer 64-kWh-Batterie unter der Haube nach nur einer längeren Fahrt wegwischen: Die angegebene Reichweite von 455 Kilometern ist bei diesem Modell Wirklichkeit statt nur Wunsch. Nach 250 auf der A 81 und der A 6 zurückgelegten Kilometern vermeldete der Bordcomputer immer noch eine Reichweite von komfortablen 150 Kilometern – einer regelmäßigen Geschwindigkeit von 130 Stundenkilometern und der Verwendung der Klimaanlage zum Trotz. So macht elektrisch fahren Freude.
Ist die Batterie leer, lässt sich der e-Niro an einem 100-kWh-Schnellladeanschluss in knapp einer Stunde zu 80 Prozent wieder „befüllen“.
Diese Sicherheit, auch ferne Ziele ohne nervige Ladezwischenstopps zu erreichen, hat ihren Preis: Während der Kia Niro mit Verbrenner in der höchsten Ausstattungslinie Spirit 33.790 Euro kostet, muss man für den e-Niro mit der gleichen Ausstattung 11.000 Euro mehr auf den Tisch legen. Zieht man die aktuell 4.000 Euro Umweltprämie ab, bleibt unter dem Strich immer noch ein Mehrpreis von 7.000 Euro.
Dafür bekommt man dann aber ein voll ausgestattetes SUV mit einem leistungsstarken 150 kW/204 PS starken Elektroantrieb, der das Gefährt leicht surrend in 7,8 Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100 beschleunigt und der erst bei 167 Stundenkilometern abriegelt. Durch die knapp 450 Kilogramm schwere Batterie ist der frontangetriebene, gut 1,8 Tonnen schwere e-Niro zwar kein agiler Sportler und Kurventänzer, dafür liegt er schön satt auf der Straße und vermittelt ein sicheres Fahrgefühl.
Sehen lassen kann sich auch die Serienausstattung des e-Niro Spirit: Mit an Bord sind unter anderem ein Navigationssystem, LED-Scheinwerfer, eine induktive Ladestation für Smartphones, ein hochwertiges Soundsystem, Parksensoren vorne und hinten, ein Querverkehrwarner und ein Spurwechselassistent mit Totwinkelwarner. Auch frieren muss an Bord des Stromers niemand: Neben einer Sitzheizung ist ein beheizbares Lenkrad verbaut. Zudem gibt es eine zuschaltbare Wärmepumpe für die Innenraumklimatisierung. Allerdings fordert eine heimelige Temperatur ihren Tribut: Sobald man die Klimaanlage anschaltet, sinkt die angezeigte Restreichweite um 20 Kilometer.
Viel Platz für Passagiere und Gepäck
Positiv zu erwähnen ist das Platzangebot des 4,38 Meter langen e-Niro: Sowohl die Front- als auch die Fondpassagiere haben genügend Bein- und Kopffreiheit. Der Kofferraum, der über eine ebene Ladefläche verfügt, fasst 451 Liter. Klappt man die Rücksitzlehnen um, wächst der Stauraum auf gut 1.400 Liter. Die Qualitätsanmutung im Innenraum ist mit Ausnahme der etwas überbordenden Zahl an Bedienelementen hochwertig.
Durch die Möglichkeit, mehrere Fahrmodi (von Eco+ bis Sport) zu wählen, optional Energie durch Bremsen zu rekuperieren und den Fahrstil zu analysieren, erzieht der e-Niro seine Nutzer, stromsparend zu fahren. Am umweltfreundlichsten ist man – wenig überraschend – mit dem Eco+-Modus unterwegs. Dann wird die Höchstgeschwindigkeit auf 90 Stundenkilometer gedrosselt und die Klimaanlage schaltet sich ab. Mit der beim Bremsen rückgewonnenen Energie kann man gerade im Stadtverkehr ordentlich Reichweite gutmachen.
Fazit: Rund ein Jahr müssen sich Käufer gedulden, bis sie den e-Niro mit einer 64-kWh-Batterie bekommen; schuld daran sind Engpässe bei der Batterieproduktion. Das Warten lohnt sich – noch. Denn bislang sind wenige vergleichbare Stromer auf dem Markt. Mit einer siebenjährigen Garantie auf die Batterie nimmt Kia den Käufern eine Ur-Angst bei Stromern. Wer Wert legt auf eine erhöhte Sitzposition, auf viel Reichweite sowie auf eine schnelle Beschleunigung und obendrein die klassische SUV-Optik schätzt, für den ist der e-Niro die perfekte Alternative zu einem Verbrenner. Lediglich das Aufladen ist immer noch etwas stressiger als das übliche Tanken – das zeigte sich auch auf der Testfahrt. Zwar waren in der angesteuerten Tiefgarage im Zentrum Mannheims zwei der insgesamt vier Ladesäulen mit einer Typ-2-Steckdose frei, allerdings gestaltete sich das Bezahlen schwierig. Nachdem die angepriesene Sofortzahlfunktion mit Kreditkarte nicht funktionierte, blieb nur das Lastschriftverfahren beim Betreiber inklusive eines komplexen Anmeldeverfahrens und dem Herunterladen einer App als Option. Unterm Strich dauerte alleine diese Prozedur gut 15 Minuten. Dafür war dann aber auch am nächsten Morgen der Blick auf die Abrechnung, die per App abgerufen werden kann, versöhnlich: Die Kosten für das Aufladen lagen mit knapp 4 Euro deutlich unter den Benzinkosten, die für die 250-Kilometer-Strecke angefallen wären.
(ID:46271242)