Fahrbericht Neuer Gran Turismo – auf Tempo zoomen
Seit vier Jahren schmachten Maserati-Fans nach einem neuen großen Coupé. Jetzt ist es da: zwar nur mit sechs Zylindern in der Verbrenner-Variante, dafür aber mit mehr Leistung denn je in der elektrischen Ausgabe.

Wenn das nicht mal ein Paukenschlag ist: Maseratis erstes batterieelektrisches Fahrzeug kommt nicht etwa als SUV oder Limousine, sondern ist der lange ersehnte Nachfolger des Gran Turismo.
Der gellende Aufschrei der Fangemeinde muss bis nach Modena zu hören gewesen sein, wo schon seit geraumer Zeit Entwickler mit getarnten, mit dem Zusatz „Folgore“ (Blitz) versehenen Coupés an den markeneigenen Ladesäulen Strom zuzeln. Doch bevor wir zur elektrischen Gran Turismo-Ausgabe kommen, steigen wir erst einmal in das ab 178.280 Euro erhältliche Basismodell namens „Modena“.
Der Einstieg gelingt ohne Verrenkungen. Kein Wunder, denn der 4,96 Meter große Zweitürer ist nicht nur geräumig, sondern auch durch ausladende Öffnungen bequem zu entern. Anschließend fällt man in einen anschmiegsamen Sportsitz mit Blick auf das große Display. Die abgeknickte Touchscreen-Einheit in der Mittelkonsole kennen Enthusiasten aus dem Grecale.
Digital statt analog
Im unteren Bereich können alltägliche Features gesteuert werden wie das simple Anpassen der Innenraumtemperatur, während der obere Teil des Monitors die Straßenkarte, das Radioprogramm und viele Dinge mehr anzeigen kann. Das Kombiinstrument – ausgeführt als Displayfläche – mag der ein oder andere potenzielle Kunde als unwürdig empfinden in einer solch distinguierten Fahrzeugklasse.
Schließlich wildert man in einem Milieu, in dem sich auch verstärkt Fans mechanischer Uhrwerke tummeln dürften. Apropos Uhr: Auch diese ziert in traditioneller Weise das Armaturenbrett des jüngsten Maserati, aber jetzt in elektronischer Ausführung. Und auf dem Kombiinstrument lassen sich Drehzahlmesser und Tacho immerhin analog darstellen.
Allradler mit straffer Grundkonfiguration
Doch genug über Bedienkonzepte oder Kombiinstrumente, die wichtigste Komponente eines Sportcoupés sitzt schließlich unter der Haube: das benzinbefeuerte Herz. Der Sechszylinder kommt allerdings nicht in Reihenanordnung daher, sondern in V-Form. Kein geringerer als der „Nettuno“-V6 mit drei Litern Hubraum und doppelter Aufladung tut ab sofort Dienst im Maserati-Coupé – er ist bereits aus dem MC20 bekannt.
Bevor wir jetzt darüber sinnieren, in welch musikalischer Komplexität sich der 365 kW/490 PS oder 410 kW/550 PS leistende Sechszylinder mitteilt, lassen wir erst einmal das Fahrwerk auf die Körper wirken. Man könnte fast meinen, die Streckenplaner des Fahrevents hätten bewusst die desolatesten Straßen im römischen Umland ausfindig gemacht, um zu zeigen, wie komfortabel der auf Luftbälgen liegende Gran Turismo über den von den Elementen malträtierten Asphalt rollt.
Natürlich weist der Allradler eine straffe Grundkonfiguration auf. Aber er ist nicht brutal hart, geriert sich vielmehr auch als rückenfreundliches Reisecoupé, mit dem man ohne Probleme den Weg vom sonnigen Mittelitalien ins kalte Deutschland hätte antreten können. Vorn ist viel Platz, nur hinten stoßen sich große Personen den Kopf. Die zweite Reihe taugt also nicht für lange Strecken.
Verschiedene Varianten für Performance-Liebhaber
Braucht der Gran Turismo überhaupt den Verbrenner oder funktioniert er auch mit einem lautlosen Antrieb? Diese Frage beantwortet Maserati im Grunde selbst. Und zwar, indem die Ingenieure der Elektro-Variante „Folgore“ ein Geräusch verpassen, das einem rassigen Verbrenner nicht unähnlich ist. Vor allem bei eingeschalteter „Zündung“ frappiert er mit einem künstlich erzeugten Leerlauf-Grummeln.
Ehrlich gesagt ist die Frage der Modellwahl gerade für Performance-Liebhaber nicht leicht zu beantworten. Gemeinerweise hat Maserati den Folgore mit einer Boostleistung von 610 kW/829 PS als Topmodell angelegt. Damit dürfte er dem 410 kW/550 PS starken Trofeo längsdynamisch weit überlegen sein und dem 365 kW/490 PS leistenden Modena sowieso.
Es genügt natürlich eigentlich der Modena. Denn er schiebt brutal, zoomt die zu 65 Prozent aus Aluminium gefertigte Karosserie samt Fracht förmlich auf Tempo, deren Maximum irgendwo unter der 300 km/h-Marke liegt. Dabei klingt er von dezent-nobel unter Teillast bis fauchend-zornig, wenn sich die virtuelle Nadel des Drehzahlmessers der 6.500-Touren-Markierung nähert.
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