Siebzehn Säulen sollen Stuttgarts Staub fressen

Autor Ottmar Holz

Ein neuartiges Filtersystem soll in Deutschlands Feinstaubhochburg Stuttgart die Umgebungsluft am Hotspot Neckartor aktiv reinigen. Das könnte helfen, Straßensperrungen und Fahrverbote zu vermeiden.

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Die Filtersäulen bestehen aus jeweils drei würfelförmigen Filtereinheiten (Cubes).
Die Filtersäulen bestehen aus jeweils drei würfelförmigen Filtereinheiten (Cubes).
(Bild: Mann + Hummel)

Mann + Hummel installiert in den nächsten Wochen 17 Filtersäulen entlang eines circa 350 Meter langen Straßenabschnitts am Stuttgarter Neckartor. Das Verkehrsministerium Baden-Württemberg und die Landeshauptstadt fördern das Pilotprojekt des Ludwigsburger Filtrationsspezialisten. Mit dem Projekt soll erprobt werden, ob dort durch den Einsatz aktiver Filterelemente die Feinstaubbelastung und damit gegebenenfalls auch die Tage mit Grenzwertüberschreitungen reduziert werden können. Die Stadt Stuttgart übernimmt die Aufgabe, die Luftfiltersäulen rund um das Neckartor aufzustellen und mit Strom zu beliefern.

Theoretisch wirksam

Modellrechnungen eines unabhängigen Simulationsbüros auf Basis von Daten aus den Jahren 2016 und 2017 haben für das Stuttgarter Neckartor eine Reduzierung der Gesamtfeinstaubkonzentration gezeigt. Die theoretischen Ergebnisse werden nun in der Praxis überprüft.

Am 28.11 begann der Aufbau der ersten acht sogenannten Filter Cubes III. Die Filtersäulen sind 3,60 Meter groß und bestehen aus jeweils drei Filtriereinheiten, den Cubes. Sie sind mit Feinstaubpartikelfiltern und energieeffizienten Ventilatoren ausgerüstet und laut Hersteller in der Lage, bei sehr geringem Energiebedarf 80 Prozent des Feinstaubs aus der angezogenen Umgebungsluft zu ziehen. Über eine Steuerungseinheit lässt sich der Betrieb der Feinstaubpartikelfilter bedarfsgerecht einstellen und damit auf die aktuelle Luftqualität reagieren. Integrierte Sensoren erfassen Luft- und Wetterdaten, die in einer Cloud zusammengeführt und analysiert werden.

Rührige Landesregierung

Kai Knickmann, Geschäftsführer Erstausrüstung bei Mann + Hummel, erklärt: „Mit unserem neu entwickelten Filter Cube wollen wir die Feinstaubbelastung am Stuttgarter Neckartor reduzieren. Er ist Teil unserer Technologieplattform Feinstaubfresser, zu der verschiedene Filtertechnologien für stationäre Anwendungen oder Fahrzeuge gehören. Überall dort, wo die Feinstaubbelastung besonders hoch ist, wollen wir mit unseren Technologien zum Schutz der Gesundheit von Menschen beitragen.“

Die Baden-Württemberger Landesregierung sieht offensichtlich ebenfalls Chancen jenseits von Fahrverbot und Co. Christoph Erdmenger, Abteilungsleiter für Nachhaltige Mobilität im Verkehrsministerium Baden-Württemberg, berichtet: „Uns hat an dem Projektvorschlag überzeugt, dass die 17 Filtersäulen nicht nur an einem Punkt, sondern in einem ganzen Straßenabschnitt eine Wirkung zeigen sollen. Damit hat das Projekt das Potenzial, die Anwohner zu schützen. Das Projekt zeigt auch: Die Landesregierung ist zwar auf den Hauptverursacher des Feinstaubs Autoverkehr fokussiert, ergreift aber erfolgversprechende Maßnahmen in allen Bereichen.“

Und auch die Vertreter der Stadt im Talkessel lassen nichts unversucht. Rainer Kapp, Leiter der Abteilung Stadtklimatologie bei der Landeshauptstadt Stuttgart, erläutert die Meinung der Stadtführung: „Stuttgart hat 2018 erstmals die Chance, die Feinstaub-Grenzwerte im gesamten Stadtgebiet am Ende des Jahres einzuhalten. Das haben wir durch ein Bündel an unterschiedlichen Maßnahmen erreicht, das jetzt Wirkung zeigt. In unseren Anstrengungen wollen wir dabei nicht nachlassen. Unser Ziel ist es weiterhin, die Feinstaubkonzentration zu senken. Deshalb unterstützen wir Projekte, die für saubere Luft in Stuttgart sorgen wollen. Die Idee von Mann + Hummel, die Luft mithilfe von Luftfiltersäulen zu reinigen, klingt vielversprechend. Die Wirkung der Methode wollen wir nun in einem Pilotprojekt unter realen Bedingungen und über einen längeren Zeitraum testen.“

In Stuttgart konnte die Belastung mit den Luftschadstoffen Feinstaub PM10 und Stickstoffdioxid in den vergangenen Jahren reduziert werden. So treten Überschreitungen der Grenzwerte bei Feinstaub nur noch am Neckartor auf. Bei Stickstoffdioxid wird der Grenzwert für das Jahresmittel hingegen noch immer überschritten – wie in vielen anderen deutschen Städten auch.

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