Veränderte Unfallreparatur
Ein echter Gewinn wäre es für Dekra-Geschäftsführer Werner von Hebel, wenn die Politik mittels „kontrollierter Unfallinstandsetzung“ für mehr Verkehrssicherheit sorgen würde.
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„In den letzten Jahren ist die Schadensteuerung stark angestiegen. Rund um das Schadenmanagement führen Werkstätten, Versicherer und Verbände eine sehr emotionale Diskussion“, sagte Werner von Hebel, Geschäftsführer der Dekra Automobil GmbH, anlässlich der Präsentation einer Unfallreparaturstudie. Mit den Ergebnissen will er nicht nur die Schadenmanagementdebatte versachlichen. Daneben will der Dekra-Mann alle am Unfallinstandsetzungsgeschäft Beteiligten auf vielen anderen Gebieten zum Nachdenken und Handeln bewegen. Ein echter Gewinn wäre es für von Hebel zudem, wenn die Politik mittels „kontrollierter Unfallinstandsetzung“ für mehr Verkehrssicherheit sorgen würde. Auch wenn das Bundesverkehrsministerium diesem Thema grundsätzlich sehr positiv gegenüberstünde, die richtigen Signale aus Berlin fehlten immer noch. „Wir brauchen weder mehr Verwaltung noch neue Paragrafen. Man müsste eigentlich nur Absatz 3 vom § 30 der StVZO richtig anwenden, dann wäre man am Ziel“, so von Hebel.
Zu viele reparieren selbst
Doch zurück zur Studie: Konkret befragte Dekra an den eigenen Prüfstellen und mit Telefoninterviews Ende 2006/Anfang 2007 über 3 700 Autofahrer, die mit ihrem Fahrzeug einen Kasko- oder Haftpflichtschaden hatten. 71 Pro zent der verunfallten Fahrzeuge waren älter als sechs Jahre, die restlichen jüngeren Baujahrs.
Die wichtigsten Ergebnisse der Studie sind:
- Für knapp 70 Prozent der Befragten war die Versicherung der erste Ansprechpartner nach dem Schadenereignis. Aber nur 1,55 Prozent der Autofahrer brachten das Fahrzeug in eine vom Versicherer empfohlene Werkstatt.
- Lediglich 12,6 Prozent der Fahrzeuge wurden an einen Restwertbörsenaufkäufer verkauft.
- 58,3 Prozent ließen das Fahrzeug in ihrem Auftrag reparieren.
- 35 Prozent wurden in einer Markenwerkstatt, 42 Prozent in einer sonstigen Werkstatt repariert.
- Bedrohlich: Immerhin rund 20 Prozent gaben an, den Schaden selbst repariert zu haben.
- Erfreulich: 69 Prozent der Kunden bewerteten die Dienstleitung ihrer Werkstatt mit der Note eins, weitere 26 Prozent mit der Note zwei.
Interessant ist, wie die 3 700 Schäden abgerechnet wurden: In 19,5 Prozent der Fälle bezahlte die Versicherung die Werkstatt direkt, 22 Prozent bekamen das Geld von der Versicherung und haben damit die Werkstatt bezahlt. Mit der Mehrzahl der Autofahrer (52 Prozent) rechnete die Versicherung fiktiv ab. Ein weiteres Ergebnis der Studie ist, dass 52 Prozent der Befragten Schadenmanagement heute noch ablehnen. Unabhängig davon ist Werner von Hebel überzeugt, dass mittel- bis langfristig die Masse der Unfallschäden durch Schadenmanagement in ausgewählte Werkstätten der Versicherungen gesteuert werden.
Faire Reparaturbedingungen
Werner von Hebel verwies bei der Präsentation der eigenen Studienergebnisse auch auf Parallen zu den GDV-Zahlen. Jährlich vermeldet der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) rund neun Millionen Kraftfahrzeugschäden, wovon zirka drei Millionen Schäden durch Kfz-Sachverständige begutachtet werden. Im Wesentlichen sind das laut von Hebel Schäden über 2 000 Euro, 30 Prozent davon wiederum seien Totalschäden. Die restlichen rund sechs Millionen Fahrzeuge weisen eine Schadenhöhe bis 2 000 Euro auf. „In diesen Fällen rechnen die Versicherer meist fiktiv mithilfe von Kostenvoranschlägen ab“, so von Hebel. Die 52 Prozent fiktive Abrechnungen aus der eigenen Kundenbefragung sieht von Hebel damit mehr als bestätigt. Seine Botschaft in die Branche lautet: „Setzt euch doch alle an einen Tisch und besprecht faire Spielregeln.“ An dieser Stelle bringt von Hebel das Fairplay-Konzept zwischen dem VW/Audi-Händlerverband und der Allianz-Versicherung ins Gespräch. Das Fairplay-Konzept geht aktuell in mehreren VW/Audi-Pilotbetrieben an den Start. Die Ziele sind für von Hebel klar: „Die Werkstatt bekommt auskömmliche Stundenverrechnungssätze zugebilligt und agiert mit vernünftigen Ersatzteilpreisen und die Versicherung profitiert mittels elektronischer Kommunikation und den vorgeprüften Spielregeln von einer schnelleren Schadenabwicklung, ohne viel Nacharbeit wie beispielsweise internen Prüfaufwand etc. in Kauf nehmen zu müssen.“ In drei Monaten sollen erste Ergebnisse des Pilotprojekts vorliegen. Mittelfristiges Ziel ist es, dass die Werkstatt innerhalb von drei Tagen ihr Geld von der Versicherung bekommt. „Das wäre ein echter Liquiditätsgewinn für jeden Kfz-Betrieb“, betont von Hebel.
Von Hebel skizziert auch bezüglich der Restwertbörsen ein klares Bild: „Es ist nicht nachweisbar, dass viele Unfallfahrzeuge ins Ausland verkauft, dort unter welchen Umständen auch immer repariert werden und dann in einem fragwürdigen technischen Zustand wieder nach Deutschland zurückkommen.“ Lediglich 1,33 Prozent der befragten Endverbraucher – nicht Werkstätten oder Versicherer – gaben an, dass ihr Auto ins Ausland verkauft wurde. „Diesbezüglich muss die Diskussion wieder sachlicher werden“, sagt von Hebel.
Dringenden Handlungsbedarf sieht von Hebel zudem an anderer Stelle. Beängstigend ist für ihn, dass jeder Fünfte das Geld von der Versicherung nimmt und den Schaden selbst repariert bzw. privat reparieren lässt. „Was das hinsichtlich Reparaturqualität und Sicherheitsstandards bedeutet, kann sich jeder selbst ausmalen“, so von Hebel.
Sachverständige der Zukunft
Im anstehenden Veränderungsprozess des Unfallgeschäfts wird sich auch die Tätigkeit der Sachverständigen grundlegend ändern. „Wir müssen es schaffen, vom Prognoseprodukt ‚Gutachten’ hin zu einem Kontrollprodukt zu kommen. Das wird die große Herausforderung eines jeden Sachverständigen sein“, ist von Hebel überzeugt. Langfristig sieht er in Deutschland nur noch Platz für zwei bis drei große Sachverständigenorganisationen: „Und mit diesen drei Sachverständigenorganisationen wird die Versicherungswirtschaft Rahmenverträge, elektronische Schnittstellen, Prozessbeschreibungen und vieles mehr entwickeln. Die vielen kleinen Sachverständigenbüros werden da auf Dauer keine Chance mehr haben.“
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