„Diebstahlrückläufer“ sind offenbarungspflichtigWenn Diebesgut wieder auf den Markt kommt
Von
Rechtsanwalt Joachim Otting
Jeder Gebrauchtwagen hat eine Vorgeschichte und der Käufer hat ein Recht darauf, diese zu kennen. Ex-Mietwagen oder Ex-Taxis dürften den Händlern immer wieder unterkommen. Doch welche Tücken gibt es bei geklauten Fahrzeugen, die gefunden und dann vermarktet werden?
Soll ein nach dem Diebstahl wieder gefundenes Auto weiter vermarktet werden, gibt es einige Fragen zu klären.
Wird ein Fahrzeug gestohlen, das im Rahmen der Teilkasko gegen Diebstahl versichert ist, hat der Versicherungsnehmer nicht sofort Anspruch auf Entschädigung durch den Versicherer. Stattdessen wird in der Regel ab dem Tag der Schadenanzeige einen Monat lang gewartet, ob das Fahrzeug wieder aufgefunden wird. Wird es innerhalb dieser Zeitspanne gefunden, muss es der bestohlene Versicherungsnehmer zurücknehmen. Schäden, die durch den Diebstahl am Fahrzeug entstanden sind, muss der Versicherer ersetzen.
In den Musterbedingungen des Gesamtverbandes Deutsche Versicherungswirtschaft (GDV) ist das so geregelt:
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Jeder Gebrauchtwagen hat eine Vorgeschichte und der Käufer hat ein Recht darauf, diese zu kennen. Ex-Mietwagen oder Ex-Taxis dürften den Händlern immer wieder unterkommen. Doch welche Tücken gibt es bei geklauten Fahrzeugen, die gefunden und dann vermarktet werden?
Soll ein nach dem Diebstahl wieder gefundenes Auto weiter vermarktet werden, gibt es einige Fragen zu klären.
Wird ein Fahrzeug gestohlen, das im Rahmen der Teilkasko gegen Diebstahl versichert ist, hat der Versicherungsnehmer nicht sofort Anspruch auf Entschädigung durch den Versicherer. Stattdessen wird in der Regel ab dem Tag der Schadenanzeige einen Monat lang gewartet, ob das Fahrzeug wieder aufgefunden wird. Wird es innerhalb dieser Zeitspanne gefunden, muss es der bestohlene Versicherungsnehmer zurücknehmen. Schäden, die durch den Diebstahl am Fahrzeug entstanden sind, muss der Versicherer ersetzen.
In den Musterbedingungen des Gesamtverbandes Deutsche Versicherungswirtschaft (GDV) ist das so geregelt:
A.2.5.5 Zusätzliche Regelungen bei Entwendung
Wiederauffinden des Fahrzeugs
A.2.5.5.1 Wird das entwendete Fahrzeug innerhalb eines Monats nach Eingang der in Textform abgegebenen Schadenanzeige wieder aufgefunden, sind Sie zur Rücknahme des Fahrzeugs verpflichtet. Voraussetzung ist, dass Sie das Fahrzeug innerhalb dieses Zeitraums mit objektiv zumutbaren Anstrengungen wieder in Besitz nehmen können.
A.2.5.5.2 Wir zahlen die Kosten für die Rückholung des Fahrzeugs, wenn es in einer Entfernung von mehr als xx km (Luftlinie) aufgefunden wird. Ersetzt werden die Kosten in Höhe einer Bahnfahrkarte 2. Klasse für Hin- und Rückfahrt bis zu einer Höchstentfernung von xx km (Bahnkilometer). Maßgeblich ist jeweils die Entfernung vom regelmäßigen Standort des Fahrzeugs zum Fundort.
Fahrzeug nach Ablauf der Monatsfrist gefunden: Der Versicherer wird Eigentümer
Wird das Fahrzeug jedoch nicht binnen Monatsfrist gefunden, entschädigt der Versicherer den Verlust. Taucht es dann doch wieder auf, geht es im Regelfall in das Eigentum des Versicherers über. Das ergibt sich aus dem ersten Satz folgender Klausel der Musterbedingungen:
A.2.5.5.4 Müssen Sie das Fahrzeug nicht zurücknehmen, weil die Monatsfrist bereits abgelaufen ist, werden wir dessen Eigentümer.
Allerdings kann der Versicherungsnehmer auch entscheiden, dass er es behalten will. Aber aufgepasst: Es ist nicht selbstverständlich, dass der Versicherungsnehmer auch Eigentümer des Fahrzeugs war. War das Fahrzeug beispielsweise geleast, ist der Leasinggeber der Eigentümer des Fahrzeugs; Versicherungsnehmer ist aber in der Regel der Leasingnehmer. Der wiederum kann mit dem Versicherer keine Regelungen über ein Fahrzeug treffen, dessen Eigentümer er gar nicht ist. Vielmehr muss der Leasinggeber mit dem Eigentumsübergang auf den Versicherer einverstanden sein.
Das ergibt sich aus den weiteren Sätzen der Klausel A.2.5.5.4:
Wir werden jedoch nicht Eigentümer, wenn
- Sie der Eigentümer des Fahrzeugs bleiben wollen oder
- ein anderer der Eigentümer des Fahrzeugs ist (z. B. der Leasinggeber) und dieser das Eigentum nicht auf uns übertragen möchte.
Sie müssen uns dies unverzüglich mitteilen, nachdem wir Sie über das Wiederauffinden informiert oder Sie in anderer Weise Kenntnis erlangt haben. Kosten für die Rückholung zahlen wir nicht.
Werden wir nicht Eigentümer, rechnen wir den erzielbaren Veräußerungserlös des wieder aufgefundenen Fahrzeugs auf unsere Entschädigung an. Wenn wir Sie bereits entschädigt haben, müssen sie uns den erzielbaren Veräußerungserlös zurückzahlen.
Wird der Versicherer Eigentümer, verkauft er ungern an Endkunden
Auf diese Weise werden Versicherer immer wieder Eigentümer von wieder aufgefundenen Fahrzeugen. Sie bekommen vom Versicherungsnehmer Schlüssel und Papiere. Behalten wollen sie die Fahrzeuge nicht. Der direkte Verkauf an Endkunden, darunter gar an Verbraucher, scheint ihnen jedoch nicht erstrebenswert. Und so ist das eine Einkaufsquelle für den Autohandel.
Doch ganz ohne Tücken ist die Weitervermarktung nicht, denn es bleibt oft im Dunkeln, was die Kriminellen mit dem Fahrzeug in der Zwischenzeit angestellt haben.
Eines ist dabei unumstößlich: Der Händler muss offenbaren, dass das Fahrzeug ein Diebstahlrückläufer ist, den er vom Versicherer gekauft hat. Denn es ist nun wirklich alles andere als üblich, dass ein Gebrauchtfahrzeug eine solche Vorgeschichte hat. Offenbart der Autohändler das nicht, ist das Fahrzeug zweifellos mangelhaft. Dieser Mangel ist auch nicht behebbar. Insofern wäre Minderung oder Rücktritt die Folge, je nachdem, was der Käufer bevorzugt. Doch was ist, wenn der Händler die Vergangenheit des Fahrzeugs zwar offenbart hat, sich aber nach dem Verkauf aus dem Diebstahl resultierende Probleme ergeben?
Ein Urteil des OLG Rostock vom 1.6.2021 (Az. 4 U 156/19) beschäftigt sich mit einem Weiterverkauf vom Händler an einen anderen Händler, bei dem sich im Nachhinein herausstellte, dass die Fahrzeugidentifikationsnummer (FIN) verändert wurde. Der Käufer fühlte sich arglistig getäuscht und wollte vom Kauf zurücktreten. Weil er selbst Autohändler ist, kam er damit nicht durch. Er wusste, dass das Fahrzeug ein Diebstahlrückläufer war. Deshalb hätte er das Fahrzeug selbst untersuchen oder vertiefende Fragen stellen müssen.
Wie wäre das beim Verkauf an einen Verbraucher?
Beim Verkauf an einen Verbraucher, erst recht bei einem Verkauf unter Geltung des veränderten Kaufrechts nach dem 1.1.2022, hätte die Sache ein anderes Ende genommen. Zunächst einmal hätte die Eigenschaft „Diebstahlrückläufer“ Inhalt der vorvertraglichen Information im Sinne des § 476 Abs. 1 BGB sein müssen – und zusätzlich hätte dieser Makel im Kaufvertrag deutlich hervorgehoben werden müssen. Würde eine der beiden Voraussetzungen fehlen, wäre das Thema durch. Denn dann ist die Abweichung vom Üblichen nicht wirksam vereinbart und es würde sich um einen nicht behebbaren Mangel handeln. Minderung oder Rücktritt nach Wahl des Käufers sind die Folge.
Doch sind auch alle Negativmerkmale, die sich aus der Eigenschaft eines Diebstahlrückläufers ergeben, umfasst, wenn alles ordnungsgemäß offenbart wurde? Eine veränderte FIN wäre sicher nicht „neutralisiert“. Denn eine Regelung im BGB wie § 442, auf die das OLG Rostock sein Urteil beim B2B-Geschäft gestützt hat, gilt beim Verkauf von Händlern an Verbraucher seit der Gesetzesreform ab dem 1.1.2022 nicht mehr. § 442 BGB besagt: Wer beim Kauf Kenntnis von einem Mangel hat, kann deswegen nicht reklamieren. Und wer ihn hätte erkennen müssen, ihn aber fahrlässig nicht erkannt hat, kann ebenfalls nicht reklamieren. Ist der Käufer ein Autohändler, wird ihm wegen seiner Sachkunde zugemutet, selbst zu prüfen (im OLG Rostock-Fall die FIN). Tut er es nicht, ist er fahrlässig in Unkenntnis geblieben. Ist der Käufer ein Verbraucher, spielt das keine Rolle, weil § 442 BGB für ihn nicht gilt. Die Tatsache, dass das Fahrzeug ein Diebstahl-Rückläufer ist, ist die eine Sache – und die wäre ja wirksam vereinbart. Aber die manipulierte FIN ist eine andere Sache und wäre unabhängig von der Offenbarung „Diebstahl-Rückläufer“ zu betrachten.
Prüfen, was durch Nachbesserung erledigt werden kann
Eine FIN kann korrigiert werden. Dafür gibt es ein behördliches Verfahren. Genauso könnte per Nachbesserung behoben werden, wenn sich beispielsweise herausstellen würde, dass die Diebe die High-End-Lautsprecher entfernt und durch Billigware ersetzt haben. Sollte aber zum Beispiel der Kilometerzähler zurückgestellt und auf Basis dieser falschen Angabe im Kaufvertrag eine unzutreffende Laufleistung vereinbart worden sein, wäre dies ein nicht behebbarer Mangel.