ADAC ist nicht mehr grundsätzlich gegen ein Tempolimit
Den Gegnern eines Tempolimits kommt ein wichtiger Unterstützer abhanden – zumindest ein bisschen. Angesichts einer uneinheitlichen Stimmung unter den Mitgliedern zeigt sich der ADAC gesprächsbereit und fordert eine umfassende Studie zu dem Thema.

In der Debatte um ein Tempolimit auf Autobahnen hat der ADAC seine jahrzehntelange ablehnende Haltung aufgegeben. Der ADAC sei „nicht mehr grundsätzlich“ gegen eine Geschwindigkeitsbegrenzung, sagte der ADAC-Vizepräsident Verkehr, Gerhard Hillebrand, der „Deutschen Presse-Agentur“ im Vorfeld des 58. Verkehrsgerichtstags in Goslar (29. bis 31. Januar). Der ADAC ist mit gut 21 Millionen Mitgliedern der größte Automobilclub Deutschlands.
„Die Diskussion um die Einführung eines allgemeinen Tempolimits auf Autobahnen wird emotional geführt und polarisiert bei den Mitgliedern“, sagte Hillebrand. „Deshalb legt sich der ADAC in der Frage aktuell nicht fest.“ Eine Versachlichung sei dringend erforderlich. Die Auswirkungen eines Tempolimits sollten dringend in einer umfassenden Studie geklärt werden. „Diese würde eine belastbare Entscheidungsgrundlage liefern.“
Die Aussagen von Hillebrand lassen aufhorchen. Denn jahrzehntelang war der ADAC als klarer Gegner eines Tempolimits bekannt. Nun rückt er von seinem strikten Nein ab – ein Ja bedeutet das aber natürlich noch nicht. In einer Umfrage unter Mitgliedern hatten 50 Prozent gegen ein Tempolimit votiert und 45 Prozent dafür. Nun sagt Hillebrand, eine Versachlichung sei dringend erforderlich. Beim Klimaschutz werde bei einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 130 Stundenkilometern eine Einsparung von bis zu zwei Millionen Tonnen CO2 erwartet. Aber auch das sei vage. „Wir brauchen eine umfassende Studie über die Wirkungen eines Tempolimits“, ist er überzeugt.
In einer Umfrage des Forsa-Instituts im Auftrag der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins sprach sich jüngst eine Mehrheit für ein Tempolimit aus. 56 Prozent der 1.000 befragten Führerscheinbesitzer sehen in einer generellen Geschwindigkeitsbeschränkung eine wirkungsvolle Maßnahme für mehr Verkehrssicherheit.
Scheuers kategorischer Ablehnung fehlt der Rückhalt
Die Debatte um ein Tempolimit in Deutschland hatte Ende 2019 wieder an Fahrt aufgenommen. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hatte sich ablehnend geäußert: „Wir haben weit herausragendere Aufgaben, als dieses hoch emotionale Thema wieder und immer wieder ins Schaufenster zu stellen – für das es gar keine Mehrheiten gibt.“ Der Regierungspartner SPD hatte zuvor auf einem Parteitag ein Tempolimit von 130 auf Autobahnen gefordert und das mit Verkehrssicherheit und Klimaschutz begründet.
Julia Fohmann vom Deutschen Verkehrssicherheitsrat (DVR) verwies auf andere Länder in Europa. Wer auf Autobahnen in Frankreich, Österreich oder Belgien unterwegs sei, erlebe mehr Gelassenheit als hierzulande. Es sei zu vermuten, dass die dortigen Tempolimits dazu beitragen. Sobald man wieder auf deutsche Autobahnen komme, sei der Unterschied spürbar, sagte Sören Heinze, Sprecher des Auto Clubs Europa ACE. Auf Deutschlands Autobahnen gehe es viel aggressiver zu. „Mit einem Tempolimit sinkt die Zahl der Unfälle, der verletzten und getöteten Personen“, sagte Heinze. „Hinzu kommen positive Auswirkungen auf den Verkehrsfluss. Und einen Beitrag zum Klimaschutz leistet ein Tempolimit noch dazu.“ Die ACE-Hauptversammlung habe jüngst für Tempo 130 votiert. Dagegen ist der Automobilclub von Deutschland (AvD) strikt gegen eine Tempobegrenzung. Autobahnen seien die sicherste Straßenkategorie, sagte Sprecher Herbert Engelmohr.
Auf dem Großteil der Autobahnen in Deutschland gilt nach wie vor freie Fahrt. Ohne verbindliches Tempolimit sind 70 Prozent des Autobahn-Netzes. Dauerhaft oder zeitweise geltende Beschränkungen mit Schildern gibt es auf 20,8 Prozent des Netzes, wie aktuelle Daten der Bundesanstalt für Straßenwesen von vor fünf Jahren zeigen. Dazu kommen variable Verkehrslenkungsanzeigen.
Polizeigewerkschaft für Tempo 130
Zu den eindeutigen Befürwortern einer generellen Geschwindigkeitsbegrenzung gehört die Gewerkschaft der Polizei (GdP). „Aus unserer Sicht spricht alles dafür, dass ein Tempolimit die Zahl der schweren Unfälle auf Autobahnen deutlich verringern würde“, sagte der stellvertretende Bundesvorsitzende Michael Mertens.
„Eine homogene Geschwindigkeit und damit ein gleichmäßiger Verkehrsfluss sorgen tendenziell für weniger Beschleunigungs- und Bremsmanöver“, sagte der Leiter der Unfallforschung der deutschen Versicherer, Siegfried Brockmann. Es fehlten allerdings belastbare Daten für die Annahme, dass ein allgemeines Tempolimit tatsächlich zu weniger Verkehrstoten führe würde. Dies könne nur ein wissenschaftlicher Großversuch klären, sagte Brockmann.
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