„Autogas bleibt eine attraktive Option“

Von Andreas Grimm

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Der Volkswagenkonzern steigt mittelfristig aus der CNG-Technik aus – und stellt damit mutmaßlich die gesamte Technik ins Aus. Andreas Stücke, Hauptgeschäftsführer des Flüssiggas-Verbands, sieht im Interview keine direkten Folgen für den Autogas-Markt in Deutschland.

Andreas Stücke ist Hauptgeschäftsführer des Deutschen Verbands Flüssiggas e.V.
Andreas Stücke ist Hauptgeschäftsführer des Deutschen Verbands Flüssiggas e.V.
(Bild: DVFG)

Redaktion: Der Volkswagen-Konzern steigt aus der CNG-Antriebstechnik aus. Hat sich die Entscheidung in der Flüssiggaswelt bemerkbar gemacht?

Andreas Stücke: Zum jetzigen Zeitpunkt liegen dem Deutschen Verband Flüssiggas keine Reaktionen auf die Entscheidung des VW-Konzerns vor, den Erdgasantrieb aufzugeben.

Rechnen Sie damit, dass der Gasantrieb für Autos im Allgemeinen schwieriger zu vermarkten sein wird?

Wir sind überzeugt, dass Verbraucher zwischen Autogas- und Erdgasfahrzeugen zu unterscheiden wissen – zumal wenn sie sich mit dem anstehenden Kauf eines Pkws beschäftigen, was eine große Anschaffung bedeutet. Wir erwarten nicht, dass die verbliebenen Hersteller von Autogasfahrzeugen bei der Vermarktung dieses Angebots durch den Rückzug von CNG berührt werden.

Wie hat sich das Interesse am LPG-Antrieb im Neuwagengeschäft in den letzten Jahren entwickelt?

In den vergangenen Jahren war das Interesse der Verbraucher an Gasantrieben stark rückläufig. Bekundeten 2009 noch etwa neun von 100 potenziellen Autokäufern in Umfragen ihr Interesse an Gasfahrzeugen, erklärte dies zehn Jahre später nur noch einer von 100.

Welche Autokunden entscheiden sich heute für Flüssiggas – und aus welchen Gründen?

Soziodemographische Daten über die Käufer von Autogas-Fahrzeugen liegen uns nicht vor. Klar ist jedoch, dass sich Autogas insbesondere für preissensible Vielfahrer auszahlt. Auch wer bei der Kaufentscheidung Wert auf ein gutes Tankstellennetz legt, wird Autogas als attraktive Option erkennen.

Um das Thema LPG-Nachrüstung von Kfz ist es sehr ruhig geworden. Was ist da los?

Moderne direkteinspritzende Benzinmotoren auf Autogas umzurüsten ist technisch offensichtlich nicht trivial. Derzeit ist noch offen, welche Lösungen sich am Markt dauerhaft durchsetzen. Wir sind jedoch zuversichtlich, dass die Nachrüster-Szene sehr bald mit neuen Angeboten durchstartet.

Was müssen Kfz-Betriebe vorweisen, um nachrüsten und die Anlagen warten zu können? Gibt es die Schulungsangebote noch ausreichend?

Kfz-Werkstätten, die Pkw auf den Betrieb mit Autogas umrüsten und regelmäßig anfallende Gasanlagenprüfungen anbieten möchten, müssen durch die jeweils zuständige oberste Landesbehörde anerkannt werden. Die Anforderungen, die die Werkstätten dabei erfüllen müssen, sind in der Anlage XVIIa der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung genau geregelt – gleiches gilt für die Vorgaben zu den Schulungsangeboten für Fachkräfte. Daten zum Ausbildungsmarkt in diesem spezifischen Fortbildungssegment liegen dem DVFG nicht vor.

Wie groß ist eigentlich der Bestand an Flüssiggas-Fahrzeugen in Deutschland und gibt es Fahrzeugsegmente, die einen besonders hohen Flüssiggasanteil haben?

Laut Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) lag der Bestand am 1. Januar 2020 bei 371.472 Autogas-Fahrzeugen. Die vom KBA veröffentlichten Daten schlüsseln den Autogas-Pkw-Bestand dabei nicht nach Fahrzeugsegmenten auf.

Wie sehr differenzieren Kunden aus Ihrer Sicht zunächst zwischen den Gas-Sorten, wenn sie sich für Gas-Antriebe interessieren?

Autogas hat bei den Verbrauchern drastisch höheren Zuspruch erfahren als Erdgas. Wir dürfen unterstellen, dass die Kunden von Gasantrieben sich intensiv mit den spezifischen Merkmalen der Antriebsangebote auseinandersetzen.

Welche Vorteile hat der Flüssiggasantrieb derzeit (noch)?

Autogas ist im Vergleich zu Benzin und Diesel überaus preiswert, auch nach Ablauf des Steuervorteils in 2023. Darüber ist Flüssiggas aufgrund des geringeren CO2-Ausstoßes gegenüber den herkömmlichen Kraftstoffen umweltfreundlicher zu fahren. Dazu ist das Tankstellennetz – anders als bei CNG – sehr dicht „gestrickt“.

Wie engmaschig ist das LPG-Tankstellennetz in Deutschland, wie hat es sich in den letzten Jahren entwickelt und wie wird es sich entwickeln?

Beinahe an jeder zweiten Tankstelle in Deutschland kann Autogas getankt werden. Aktuell stehen rund 7.100 Autogas-Tankstellen zur Verfügung. Der Bestand an Autogas-Fahrzeugen auf deutschen Straßen ist seit Jahren rückläufig. Hält dieser Trend an, dürfte das Autogas-Tankstellennetz zukünftig weniger engmaschig ausfallen.

Ist der Betrieb von LPG-Tankmöglichkeiten irgendwie mit der CNG-Versorgung gekoppelt, sprich wird der Gas-Ausstieg des VW-Konzerns da negative Einflüsse haben?

Autogas-Tankmöglichkeiten haben keinerlei Berührung mit der CNG-Versorgung. Der Ausstieg des Volkswagen-Konzerns hat also keine Auswirkungen auf die Autogas-Versorgung.

Gibt es außer Dacia noch Autobauer, die LPG serienmäßig anbieten?

Neben Dacia bietet noch Fiat Autogas-Modelle an. Ganz aktuell hat auch Renault wieder mit zwei neuen Modellen nachgelegt – ein erfreuliches Signal.

Warum tut es Dacia, warum andere nicht?

Wir können an dieser Stelle nicht für die Autohersteller sprechen. Wir beobachten aber natürlich die politische Ebene: Die europäische Klimaschutzpolitik zwingt die Automobilhersteller Richtung Elektromobilität und bescheinigt dem E-Antrieb bei der Berechnung der CO2-Flottenemissionen ohne Rücksicht auf den geladenen Strommix einen CO2-Ausstoß von Null Gramm. Bei einer Lebenszyklus-Analyse schneiden zum Beispiel auch Gasantriebe in der CO2-Bilanz häufig besser ab als Elektrofahrzeuge. So lange die Politik diese Analysen ignoriert, werden die Automobilhersteller ihre einseitige Fixierung auf E-Mobilität nicht aufgeben.

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LPG hat noch Vorteile bei den Emissionen. Aber wird es dabei angesichts weiterer Verschärfungen bleiben beziehungsweise es heißt, dass auch LPG-Fahrzeuge die künftigen Werte nicht mehr schaffen. Droht dem Kraftstoff damit mittelfristig das Ende?

Eine Studie der HTW Saar aus dem Jahr 2016 hat Autogas-Emissionen mit Benzin und Diesel verglichen und die Messergebnisse ins Verhältnis zu Euro 6c-Grenzwerten gesetzt. Das Ergebnis: Die mit Autogas betriebenen Pkw emittierten unter realen Fahrbedingungen (Real Driving Emissions) bis zu 51 Mal weniger Stickoxide als Dieselfahrzeuge und bis zu 99 Prozent weniger Feinstaub als die Fahrzeuge im Benzin-Betrieb. Darüber hinaus wurde der Euro 6c-Grenzwert im Autogas-Betrieb weit unterschritten. Soweit Luftschadstoffe betroffen sind, werden auch drastische Verschärfungen der Grenzwerte Autogas keine Probleme bereiten.

Bei CO2-Ausstoß war LPG ebenfalls von Vorteil. Aber ist damit der derzeitige 95-Gramm-Wert zu schaffen? Und wie sieht es mit der weiteren Absenkung aus, sprich hat LPG noch Verbesserungsreserven?

Flüssiggas wird durch regenerative Varianten künftig noch deutlich stärker als bisher zu einer Reduktion des CO2-Ausstoßes beitragen als bisher. Bereits seit 2018 kommt biogenes Flüssiggas im Wärmemarkt zum Einsatz. Da es sich chemisch nicht von konventionellem Flüssiggas unterscheidet, spricht nichts dagegen, die Nutzung auf den Bereich Mobilität auszudehnen. Zusätzlich stellt synthetisches Flüssiggas eine wichtige Zukunftsperspektive dar und könnte einen weiteren Beitrag zur Senkung von Treibhausgasen im Verkehrssektor leisten – und dies unter Nutzung der bestehenden Infrastruktur.

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