Beschädigte Innenausstattung mindert Wert
Das Landgericht Bonn hat entschieden, dass auch eine Beschädigung im Fahrzeuginnenraum eine merkantile Wertminderung begründen kann.
Das Landgericht (LG) Bonn hat in einem jetzt vorgelegten Urteil (Urteil vom 9.8.2011, AZ: 8 S 236/10) entschieden, dass auch eine Beschädigung im Fahrzeuginnenraum eine merkantile Wertminderung begründen kann. Damit stellt sich das Gericht klar gegen die Auffassung vieler Versicherungen, dass nur Karosserieschäden einer merkantilen Wertminderung zugänglich sind.
Im vorliegenden Fall war es bei der Reparatur einer Gasanlage zu einer Verpuffung im Inneren des gewarteten Fahrzeugs gekommen. Durch die dabei entstehende Hitze waren Teile des Interieurs an - oder durchgeschmolzen. Dadurch wurden umfangreiche Instandsetzungsarbeiten im Fahrzeuginneren nötig, deren Kosten die eintrittspflichtige Haftpflichtversicherung aber nicht in vollem Umfang übernehmen wollte.
Auszüge aus der Urteilsbegründung
„Im von der Versicherung vorgelegten Sachverständigengutachten ist das Vorliegen eines merkantilen Minderwerts des klägerischen Fahrzeugs mit der Begründung verneint worden, dass keine Blechteile ausgewechselt und auch keine Lackierungsarbeiten durchgeführt worden seien. Es seien lediglich verklippte Sitzbezüge, steckbare Türverkleidungen und der Dachhimmel ausgetauscht worden. Nur zum Austausch der Sicherheitsgurte und zum Ausbau der Sitze seien Schraubverbindungen zu lösen und wieder zu befestigen gewesen. Das klägerische Fahrzeug könne auch nicht als Unfallfahrzeug bezeichnet werden, da die Reparatur, die zu dem Ausbrennen geführt hat, keinen Unfall darstelle. Im Übrigen sei zu berücksichtigen, dass der Austausch der Sitzbezüge und des Teppichbodens bei einem Fahrzeug, das mehr als 50.000 km gelaufen und älter als zwei Jahre sei. durchaus eine geringe Wertverbesserung darstelle. Dadurch werde eine eventuelle geringe Wertminderung kompensiert.
Zwar ist dem Sachverständigen zuzugestehen, dass die Substanz des Fahrzeugs an tragenden Teilen nicht beeinträchtigt war. Allerdings handelt es sich um einen nicht unerheblichen Eingriff, wenn nahezu die gesamte Inneneinrichtung eines Fahrzeugs ausgetauscht wird ... Für einen potenziellen Käufer stellt sich damit zwingend die naheliegende Frage, ob durch die infolge der Verpuffung entstandene Hitze auch verborgene Teile, insbesondere der Elektronik, in Mitleidenschaft gezogen wurden, die nicht ausgewechselt worden sind, und es somit bei einer weiteren Benutzung des Fahrzeugs zu Folgeschäden kommen kann. Vor diesem Hintergrund ist nicht nachvollziehbar, dass der Sachverständige einen merkantilen Minderwert verneint hat.“
Hintergrund
Der merkantile Minderwert wird nach einer unfallbedingt erforderlichen Reparatur häufig als zusätzlicher Schadenersatz zugesprochen. Er stellt dabei einen Ausgleich dar, der gewährt wird, weil der potentielle Käufer des Unfallfahrzeugs für dieses in aller Regel weniger bereit ist zu zahlen, als für ein identisches Fahrzeug, das noch keinen Unfallschaden hatte. Trotz professioneller Reparaturmethoden verbleibt nämlich die Gefahr verborgener Mängel. Auch wenn diese Gefahr in vielen Fällen theoretischer Natur sein mag, ist sie in der Käuferpsychologie ein nicht zu unterschätzender Faktor.
Für die Berechnung der merkantilen Wertminderung gibt es zahlreiche unterschiedliche Methoden, in denen vor allem die Faktoren Schadenhöhe, Fahrzeugwert, Fahrzeugalter, Laufleistung und Marktsituation berücksichtigt werden. Von Seiten der Versicher kommt dabei häufig der Einwand, dass ein Schaden, der nur abschraubbare Teile betreffe – also nicht die Karosserie des Fahrzeuges – nicht zu einem merkantilen Minderwert führen könne. Diese Auffassung aber verwechselt die technische mit der merkantilen Wertminderung, bei der es ausschließlich auf die Erwartung des potenziellen Käufers ankommt.
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