EU-Regulierung „Den Datenzugang in die Spur bekommen“

Von Doris Pfaff

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Die EU hat ein für die Kfz-Branche wichtiges Verfahren zur Regelung der Nutzung von Fahrzeugdaten gestoppt – und will zunächst den Data Act auf den Weg bringen. Was das für die Kfz-Betriebe bedeuten kann, erklärt Dominik Lutter, Referent beim Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK).

Dominik Lutter, Referent der ZDK-Abteilung Werkstätten und Technik, hält die sektorspezifische Regulierung des Datenzugangs für die Kfz-Betriebe für dringend erforderlich.
Dominik Lutter, Referent der ZDK-Abteilung Werkstätten und Technik, hält die sektorspezifische Regulierung des Datenzugangs für die Kfz-Betriebe für dringend erforderlich.
(Bild: Dominik Lutter)

Um neue Geschäftsmodelle entwickeln und zukünftig wettbewerbsfähig bleiben zu können, brauchen freie Kfz-Betriebe den Zugang zu Daten, die Fahrzeuge im Betrieb generieren. Damit die Wettbewerbsbedingungen zwischen Autoherstellern und anderen Dienstleistern fair gestaltet werden, sollte die EU eine sektorspezifische Regelung zur Nutzung der Fahrzeugdaten auf den Weg bringen. Dieses Verfahren hat sie jedoch gestoppt und will zunächst den Data Act auf den Weg bringen. Damit könnte die Branche in ihrem Kampf um die Hoheit über die Fahrzeugdaten um Jahre zurückgeworfen werden. Die Hintergründe erläutert Dominik Lutter, Referent in der ZDK-Abteilung Werkstätten und Technik.

Redaktion: Herr Lutter, mit dem Data Act will die EU die Nutzung von Daten regeln. Der ZDK hatte dazu seine Eingaben gemacht. Nach der Entscheidung des EU-Parlaments scheint es aber so zu sein, dass diese nicht berücksichtigt werden. Worum genau geht es beim Data Act?

Dominik Lutter: Der Data Act als neue Maßnahme ergänzt die im November 2020 vorgeschlagene Verordnung über die Datenverwaltung – das erste Ziel der europäischen Datenstrategie. Während die Data-Governance-Verordnung die Prozesse und Strukturen schafft, um den Zugang zu Daten zu erleichtern, stellt das Datengesetz klar, wer aus Daten unter welchen Bedingungen Mehrwert schaffen kann. Das Datengesetz soll Fairness gewährleisten, indem Regeln für die Nutzung von Daten festgelegt werden, die von Internet-of-Things-Geräten (IoT) generiert werden. Dies betrifft in erster Linie nicht nur die fahrzeuggenerierten Daten, sondern sämtliche IoT-Geräte. Darunter fallen also gelinde gesagt alle vernetzten Geräte. Somit ist der Data Act eine horizontale Verordnung.

Was ist damit gemeint?

Dies bedeutet, dass die im Data Act beschriebenen Grundsätze auch für vertikale Verordnungen gelten. Deshalb ist es so schwierig einzuschätzen, inwiefern der Data Act den Automobilsektor betrifft bzw. welche Auswirkungen er hat. Wir stehen nach wie vor im stetigen Austausch mit den deutschen Ministerien und auch mit relevanten Entscheidern in Brüssel, um unsere Positionen zu festigen. Einige Positionen sind aufgenommen worden, andere nicht. Dies gilt es jetzt noch im Trilogverfahren zu bereinigen, also der gemeinsamen Beschlussfassung von Rat, Parlament und Kommission.

Warum ist der Data Act für das Kfz-Gewerbe jetzt so wichtig geworden?

Der Data Act ist ebenso wie die von uns geforderte sektorspezifische Regulierung (SSL) zum Zugang zu Fahrzeugdaten wichtig, da die im Data Act festgelegten Grundsätze in Bezug auf den Umgang mit Daten auch für die sektorspezifische Regulierung gelten werden. Wenn also die SSL nicht kommt, wird der Data Act zunächst für uns die wichtige Regulierung werden. Daher bemühen wir uns gerade nicht nur mit allen Kräften darum, die sektorspezifische Regulierung wieder in Spur zu bekommen, sondern auch darum, den Data Act verträglich zu gestalten.

Bereits am 13. März will das Europaparlament seinen Beschluss dazu fassen. Was heißt das für den ZDK?

Wir werden den Data Act nun im Trilogverfahren begleiten und versuchen, unsere Positionen und Einwände bei Entscheidungsträgern der EU und in Deutschland vorzubringen.

Zur Person: Dominik Lutter

Dominik Lutter ist Leiter des Referats Europa innerhalb der Abteilung Werkstätten und Technik beim Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK).

Wie ist der aktuelle Stand und was bedeutet das für das Kfz-Gewerbe?

Aktuell ist die Lage schwierig, da die EU-Kommission zumindest vorerst die sektorspezifische Regulierung wohl auf Eis gelegt hat. Das ist das wesentliche Gesetzgebungsverfahren der EU, das für das Kfz-Gewerbe eigentlich wichtiger ist. Leider hat die EU-Kommission das Impact Assessment nicht in den Ausschuss für Regulierungskontrolle gegeben. Dieser Ausschuss überprüft alle von der Kommission entworfenen Folgenabschätzungen, Eignungsprüfungen und wichtigen Evaluierungen und gibt dazu eine Stellungnahme sowie Empfehlungen ab. Damit wird die Zeit nun knapp, denn bereits nächstes Jahr sind Parlamentswahlen, und dazwischen liegt die parlamentarische Sommerpause. Eine Verschleppung in eine neue Kommission würde uns viele Jahre zurückwerfen, weil sich die neue Kommission erst wieder neu in das Thema einarbeiten müsste. Was das unterm Strich für Kfz-Betriebe bedeutet, kann man so nicht richtig einschätzen. Dies hängt auch davon ab, ob der Data Act wirksam ist. Aber wir arbeiten sehr hart daran, dass wir die SSL wieder in die Spur bekommen.

Der ZDH befürchtet, dass freien Handwerksbetrieben der Zugang zu den Herstellerdaten nach der aktuellen Position des EU-Parlaments zum Data Act verwehrt bleibt. Um welche Daten genau geht es?

Das ist recht unterschiedlich. Der Data Act bezieht sich unter anderem auf Rohdaten. Mit Rohdaten eines vernetzten Geräts kann ein Servicebetrieb allerdings recht wenig anfangen, da er diese nicht interpretieren kann. Problematisch ist, dass der Data Act durch Algorithmen erzeugte Daten ausschließt. Dagegen sprechen wir uns klar aus, da dies enorm viele Datenpunkte betreffen würde. Einige Akteure sagen sogar, dass faktisch alle Daten betroffen wären, auch Sensordaten, die durch Software prozessiert werden. Darunter fällt z. B. auch die Batteriekapazität etc.

Hintergrund: Data Act

Das geplante europäische Datengesetz – kurz Data Act – der EU-Kommission soll die Nutzung von Daten festlegen, die von Internet-of-Things-Geräten (IoT) generiert werden. Der Data Act zielt darauf ab, einen fairen Zugang zu den Daten zu gewähren, um Wettbewerb und Innovation zu ermöglichen. Dabei soll der Datenschutz zwischen den Akteuren der Wirtschaft und den Nutzern im Einklang stehen.

Wesentlicher Teil des Data Acts ist die Frage nach dem Datenteilen zwischen großen und kleineren Unternehmen, so wie beispielsweise zwischen Autoherstellern und Kfz-Betrieben. Bislang sehen Verträge oftmals vor, dass alle Daten nur vom Hersteller genutzt werden dürfen. Der Data Act soll zugleich auch den Verbrauchern mehr Kontrolle über die Daten geben, die ihre Geräte generieren.

So soll laut EU-Kommission ein Autobesitzer darüber entscheiden können, die Daten seines Fahrzeugs mit seiner Versicherung zu teilen. Zugleich soll verhindert werden, dass die Datennutzung missbraucht und die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen in Gefahr gebracht wird, so wie es Autohersteller befürchten. Zu dem Vorschlag, den die EU 2021 eingebracht hat, gibt es über die Abgeordneten mehr als über 1.000 Änderungsanträge.

Um welche Daten geht es speziell dem ZDK?

Uns geht es nicht nur rein um die Daten, die ein Gerät oder Fahrzeug generiert. Das ist auch viel zu kurz gegriffen. Wir benötigen auch die Funktionen. Damit ist beispielsweise die wechselseitige Kommunikation mit dem Fahrzeug und dessen Komponenten gemeint. Ein Beispiel: Das Ansteuern eines Fensterhebers im Problemfall. Das können die Betriebe nicht, wenn sie lediglich Zugriff auf Daten bekommen. Wenn sie eine Störung bearbeiten wollen, brauchen sie die Daten direkt vom Fahrzeug und die Möglichkeit, mit dem Fahrer zu kommunizieren, damit sie im Problemfall den Fensterheber ansteuern können.

Betriebe müssen aus den Daten und Funktionen einen Mehrwert schaffen, d. h. daraus einen Service kreieren. Wenn sie lediglich Datenpunkte bekommen, können sie darauf kein Geschäftsmodell aufbauen. Die Betriebe benötigen auch das Recht auf Serviceerbringung, damit sie aus den Daten und Funktionen für den Kunden einen Mehrwert schaffen können. Denkbar wäre eine App, die für Kunden den besten Service und Pannenhilfe anbietet.

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Wie sieht der offizielle Zeitplan der EU aus?

Die finale Beschlussfassung im Europäischen Parlament ist für den 13. März geplant. Allerdings gibt es noch viele offene Fragen. Auch im Rat wird noch heftig diskutiert. Nach der Beschlussfassung von Parlament und Rat schließt sich der Trilog an. Die schwedische Ratspräsidentschaft strebt ein finales Ergebnis noch vor dem Ende ihrer Ratspräsidentschaft am 30. Juni an.

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