Coronakrise im Autohandel Der Blick auf die Inzidenzen bleibt
Anbieter zum Thema
Die Bundesnotbremse läuft aus. Nach teils monatelangen Schließungen stehen die Verkaufsräume der Autohäuser den Kunden wieder fast uneingeschränkt offen. Dennoch herrscht Frust im Kfz-Handel.

Die Stimmung in den Kfz-Betrieben ist grundsätzlich positiv. Ob sich versäumte Geschäfte nachholen lassen, lässt sich momentan nicht absehen. In manchen Autohäusern läuft es bereits wie zu normalen Zeiten. Auch die Werkstätten sind wieder besser ausgelastet.
Die Zeiten von „Click and Collect“ und „Click and Meet“ gehören zumindest vorerst der Vergangenheit an. Die Regelungen der Bundesnotbremse sind durch die Maßnahmen der jeweiligen Corona-Schutzverordnungen der Länder weitgehend abgelöst worden, da die kritische 7-Tage-Inzidenz überall unter 100 gesunken ist.
Bundesnotbremse soll auslaufen
Ende Juni soll die im April von der Bundesregierung installierte Bundesnotbremse auslaufen. Dafür hat sich auch Bundeskanzlerin Angela Merkel ausgesprochen. Noch in diesem Monat will laut Medienberichten der Bundestag jedoch die verhängte epidemische Notlage bis zum 30. September verlängern. Beides – die epidemische Notlage und die Bundesnotbremse – sind gesetzliche Instrumente des Staates zur Bekämpfung der Pandemie.
Da die Inzidenzzahlen in vielen Landkreisen und Kommunen sogar unter 50 liegen, dürfen die Kunden ohne Negativtest ins Autohaus. Die weiterhin bestehende beschränkte Kundenzahl wirkt sich aufgrund der großen Verkaufsfläche kaum negativ aus.
Ob sich nun das verpasste Frühjahrsgeschäft nachholen lässt, ist aber fraglich. Im Saarland hatte sich beispielsweise nach Auskunft von Torben Wagner, Justiziar des dortigen Kfz-Gewerbes, die Testpflicht negativ auf den Kundenbetrieb ausgewirkt. Der Umsatzeinbruch in den ersten Monaten des Jahres sei erheblich gewesen. „Auch die Lieferproblematik hinsichtlich Halbleiter und damit verbundener langer Lieferzeiten war und ist natürlich nicht hilfreich“, so Wagner. Erfreulicherweise sei die Werkstattauslastung wieder gestiegen.
Kurzarbeit, Herstellerdruck und geschlossene Zulassungsstellen
In Schleswig-Holstein haben die Autohäuser schon längere Zeit ohne Einschränkung geöffnet. Trotzdem ist im Norden kein Jubeln angesagt. „Es gibt tatsächlich noch Werkstätten, die in Teil-Kurzarbeit sind“, sagt Jan-Nikolas Sontag, Geschäftsführer des Kfz-Gewerbes Schleswig-Holstein.
Die Rückmeldungen aus den Betrieben fallen unterschiedlich aus. Sontag: „Viele Händler stehen enorm unter Druck, weil sie sich sehr ambitionierten Planzahlen der Hersteller ausgeliefert sehen und nun, gerade zum nahenden Quartalsende, sehr viele Tageszulassungen anmelden müssen. Der Verkauf scheint im Monat Mai gegenüber den Monaten März und April zurückgegangen zu sein.“
Insgesamt sei die Stimmung bei den Händlern verhalten positiv. „Am meisten zu schaffen macht uns in Schleswig-Holstein die Situation an den Kfz-Zulassungsstellen – regional allerdings sehr unterschiedlich“, so Nikolas. Das führe wieder zu deutlichen Verzögerungen bei der Zulassung.
Weiterhin abhängig von den Inzidenzen
Auch in Baden-Württemberg herrscht große Erleichterung. Fast alle Landkreise haben Inzidenzen von unter 50. Damit entfällt die Testpflicht. Ähnlich ist es in Bayern: Auch dort sind die Inzidenzen deutlich gesunken und ermöglichen fast überall, uneingeschränkt zu öffnen, natürlich unter Beachtung der Regeln der Landesschutzverordnung.
Da die Öffnung des Autohandels weiterhin von den Inzidenzwerten abhängt, ist das Kfz-Gewerbe nicht zufrieden. „Aktuell ist die fehlende konkrete Perspektive für den Handel eine Herausforderung, da die Politik immer noch auf Sicht fährt und das Öffnungsgeschehen ausschließlich von der Inzidenz vor Ort abhängig ist. Damit ist eine echte Planbarkeit nicht gegeben“, so Christoph Wenzel, Pressesprecher des Kfz-Landesverbands Bayern. Das Geschäft stabilisiere sich, aber vom Nachholen des Frühjahrsgeschäfts könne keine Rede sein.
Unsicherheit der Kunden bei der Antriebsart
Fast normal sind die Verhältnisse in den Autohäusern in Nordrhein-Westfalen. Zwar gilt weiterhin einen Kundenbegrenzung. Jedoch brauchen diese keinen negativen Test mehr, wenn sie ein Autohaus besuchen wollen. „Normale Kundenfrequenzen werden aber nicht erreicht. Die wieder gewonnenen Freiheiten führen die Menschen derzeit wohl hauptsächlich in die Gastronomie und nicht ins Autohaus. Ein Grund für die Kaufzurückhaltung ist sicherlich die finanziell noch immer unsichere Situation vieler Kunden“, teilte Christian Hagemeyer vom Kfz-Landesverband Nordrhein-Westfalen mit.
Ein Grund für die Verunsicherung der Kunden sei auch die Frage nach der Antriebsart, so Hagemeyer. Die Kunden wüssten nicht, für welche Antriebsart sie sich bei ihrem Neufahrzeug entscheiden sollen: für ein E-Auto oder für den bewährten Verbrenner.
Die noch fehlende E-Ladeinfrastruktur und die Aussagen der Spitzenkandidatin der Grünen, Geringverdiener beim Kauf eines E-Autos finanziell stärker unterstützen zu wollen, spielten dabei mit eine Rolle. Hagemeyer: „Selbst wenn in einigen Wochen und Monaten wieder Normalität eintreten sollte: Die monatelange Zwangspause wird unseren Betrieben noch lange zu schaffen machen.“
Abbau der Bestände, fehlender Nachschub
Nach Auskunft des Kfz-Gewerbes Sachsen herrscht in vielen Betrieben weiterhin eine Verunsicherung, auch wegen unterschiedlicher Regelungen. Markengebundene Autohäuser kämpften aktuell mit erheblichen Lieferschwierigkeiten durch die Hersteller. Zwar würden die Fahrzeugbestände sukzessiv abgebaut, was für Liquidität sorge, weil aber keine Neufahrzeuge geliefert werden, fehle die Planungssicherheit.
Viele Betriebe seien bislang mit einem „blauen Auge“ davongekommen. Allerdings rechne das Kfz-Gewerbe Sachsen flächendeckend mit weiteren Umsatzeinbußen im Verkauf und Service. Als derzeit hinderlich für den Verkauf werde noch die aktuelle Testpflicht und die Kontaktdatenerfassung für Kunden gesehen.
Peckruhn: Wir sehen eine mäßig anziehende Nachfrage
Wie die Situation in den Kfz-Betrieben wahrgenommen wird, fragt der ZDK nun bei seinen Mitgliedern ab. Das Ergebnis der Blitzumfrage stellt der Verband an diesem Donnerstag bei seiner Mitgliederversammlung vor. „Wir sind froh, dass die Inzidenzen sinken, somit die Bundesnotbremse nicht mehr greift und Einschränkungen wie Click and Collect oder Click and Meet wegfallen. Wir sehen bereits eine wenn auch mäßig anziehende Nachfrage nach unseren Produkten und Dienstleistungen. Wir hoffen, dass die Kunden bald ihre Verunsicherung und Zurückhaltung verlieren und in den nächsten Wochen wie gewohnt Kaufverträge abschließen und Werkstattleistungen buchen“, sagt ZDK-Vizepräsident Thomas Peckruhn.
(ID:47457643)