E-Mobilität: Der Blackout lässt sich verhindern
Kommt es zu Versorgungsproblemen, wenn ab dem kommenden Jahr immer mehr Autofahrer ein E-Auto kaufen? Dieser Frage ist die EnBW-Tochter Netze BW in einem aufwendigen Projekt nachgegangen.
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2020 soll nun die Elektromobilität aus der Nische herauswachsen. Immer mehr Autohersteller werden im kommenden Jahr strombetriebene Fahrzeuge in ihrem Angebot haben. Fragen, die in diesem Zusammenhang immer wieder auftauchen, sind: Was geschieht, wenn alle Bewohner einer Straße auf Elektrofahrzeuge umsteigen? Ist das Stromnetz darauf vorbereitet?
Um Antworten darauf zu finden, hat die EnBW-Tochter Netze BW ein laut Unternehmensangaben in Deutschland einmaliges Pilotprojekt durchgeführt: die „E-Mobility-Allee“ in Ostfildern bei Stuttgart. Für das Projekt hatte die Netze BW zehn Haushalten in der Belchenstraße in Ostfildern Elektroautos und die notwendige Ladeinfrastruktur für zu Hause zur Verfügung gestellt. Ursprünglich für zwölf Monate geplant, war das Projekt wegen des großen Interesses auf eineinhalb Jahre verlängert worden und ging Ende Oktober zu Ende. Das Besondere an der Blechenstraße ist laut der Veranstalter, dass die teilnehmenden Haushalte vom Vielfahrer bis zum Gelegenheitsfahrer reichten und von der Familie mit Kindern bis zu Rentnern. Sie hätten damit ein typisches Wohngebiet mit Eigenheimen, wie es häufig in Ballungsräumen vorkommt, repräsentiert – eine Konstellation also, in der schon bald relativ viele Elektroautos unterwegs sein dürften.
Besonders wichtig für das Projekt war zudem: Alle Haushalte hingen am gleichen Stromkreis, in dem durch den Versuch eine E-Auto-Quote von 50 Prozent erreicht wurde. Zum Einsatz kamen verschiedene Fahrzeugtypen wie VW E-Golf, Renault Zoe, BMW i3 und ein Tesla Model S.
Schnelle Lerneffekte
Zwei wesentliche Anliegen sollte das Projekt laut Netze BW klären: Welche Auswirkungen hat das Ladeverhalten von E-Auto-Nutzern auf das lokale Stromnetz? Und wie kann ein Netzbetreiber gegensteuern, wenn das Netz an seine Belastungsgrenzen kommt? Zu beiden Aspekten hat die „E-Mobility-Allee“ nach Ansicht der Veranstalter aufschlussreiche Ergebnisse erbracht.
So veränderte sich das Ladeverhalten der Teilnehmer im Zeitverlauf erkennbar: Sie gewannen Vertrauen in die Reichweite der E-Autos und luden nach der Anfangsphase deutlich seltener. Auch nutzten sie nur am Anfang der Projektphase einen Sofortladeknopf an ihren Wallboxen. Dadurch und durch die unterschiedlichen Nutzungsarten und Fahrzeugtypen waren nie mehr als fünf Fahrzeuge gleichzeitig am Netz – und selbst das nur in extrem seltenen Fällen(0,1% der Zeit). In 70 Prozent der Zeit wurde überhaupt nicht geladen. „Die oft geäußerte Befürchtung, wonach alle E-Autos nach Feierabend gleichzeitig laden und dadurch das Netz überlasten, scheint nach dieser Erfahrung nicht realistisch zu sein“, folgerte Projektleiterin Selma Lossau. Um auch ein solches Szenario einmal durchzuspielen, sollten die Teilnehmer an einem Tag alle Autos gleichzeitig ans Netz hängen. Dieser Test brachte das Stromkabel dann allerdings nah an seine Belastungsgrenze.
Wichtiges Lademanagement
Deshalb ist bei den Eingriffsmöglichkeiten für den Netzbetreiber vor allem das „intelligente Lademanagement“ besonders wichtig: „Durch die elektronische Zuteilung von Ladezeiten konnten wir Engpässe vermeiden, ohne dass sich die Teilnehmer davon beeinträchtigt fühlten“, erläutert die Projektleiterin. Als weitere sinnvolle Option erwiesen sich verschiedene Typen von Batteriespeichern, die eingesetzt wurden, um das Netz zu entlasten. Wichtig für einen bedarfsgerechten Netzausbau ist laut Lessau, dass die Netzbetreiber wissen, wo neue Ladepunkte errichtet werden. Deshalb muss jeder Autofahrer, der eine Wallbox in seiner Garage installieren lässt, diese vorher – unabhängig von der Leistung – bei seinem Netzbetreiber anmelden. Das ist seit März 2019 in Paragraf 19 der Niederspannungsanschlussverordnung (NAV) festgelegt. Nur damit ist der Netzbetreiber in der Lage, seine Netze entsprechend auszulegen und über ein Lademanagement abzusichern.
Folgeprojekte geplant
Um für den Hochlauf der Elektromobilität gerüstet zu sein, führt die Netze BW noch weitere Projekte durch: Unter anderem stattet sie im Raum Ludwigsburg ab November 2019 die Bewohner einer großen Wohnanlage mit 45 Elektroautos und 60 Ladepunkten aus, um auch hier das Verhalten und die Auswirkungen auf das Stromnetz kennenzulernen („E-Mobility-Carré“). Und auch in einem ländlich geprägten Raum wird es ein Testfeld geben („E-Mobility-Chaussee“).
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