Gericht definiert „merkantilen Minderwert“

Autor / Redakteur: autorechtaktuell.de / Dipl.-Päd. Gerd Steiler

Laut einem Urteil des Amtsgerichts Berlin-Mitte erwächst ein merkantiler Minderwert „nur bei erheblichen technischen Beschädigungen, die ihrer Natur nach fortwirken können“.

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Das Amtsgericht (AG) Berlin-Mitte hatte unlängst über den „merkantilen Minderwert“ eines Unfallfahrzeugs zu befinden, das 8 ½ Jahre alt war und eine Laufleistung von gut 97.000 Kilometer aufwies. In seiner jetzt veröffentlichten Entscheidung (Urteil vom 2.6.2010, AZ: 112 C 3181/08) kam das Gericht zu dem Ergebnis, das ein merkantiler Minderwert im vorliegenden Fall nicht zu erstatten war.

Dabei hielten die Richter nicht das Alter oder die Laufleistung des Fahrzeugs für entscheidend, sonder vielmehr die Art der Beschädigung. Nach der Definition des Gerichts erwächst ein merkantiler Minderwert „nur bei erheblichen technischen Beschädigungen, die ihrer Natur nach fortwirken können“. Dabei bezieht sich das Gericht auf jüngste Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (BGH).

Nach früherer Rechtsprechung des BGH wurde eine Entschädigung für merkantile Wertminderung dann nicht anerkannt, wenn das Fahrzeug eine Laufleistung von über 100.000 Kilometer hatte oder älter als 5 Jahre war. Dies schien dem höchsten deutschen Zivilgericht vor dem Hintergrund des damaligen Gebrauchtwagenmarktes angemessen, da solche Fahrzeuge damals nur einen geringen Handelswert besaßen. Dies hat sich inzwischen geändert.

Entscheidend ist heute statt Fahrzeugalter und Laufleistung, die Art und Schwere der Beschädigung. Bei Bagatellschäden wird deshalb eine Entschädigung für merkantile Wertminderung prinzipiell nicht zuerkannt. Autorisierte Fahrzeugbewerter wie Schwacke oder DAT, die Fahrzeugbewertungen von bis zu 12 Jahre alten Fahrzeugen vornehmen, weisen in ihren Gutachten zudem ausdrücklich darauf hinweisen, dass sich sämtliche Marktnotierungen auf unfallfreie Fahrzeuge beziehen. Damit ist die frühere Betrachtung der Gerichte hinfällig.

Auszüge aus der Urteilsbegründung

„Dem Kläger steht die geltend gemachte Wertminderung nicht zu. Nach der Rechtsprechung des BGH handelt es sich beim merkantilen Minderwert um die Minderung des Verkaufswertes eines bei einem Unfall erheblich beschädigten Kraftfahrzeuges trotz völliger und ordnungsgemäßer Instandsetzung. Der merkantile Minderwert erwächst allein aus der Tatsache, dass unfallbeschädigte Fahrzeuge wegen des Verdachts verborgen gebliebener Schäden vom Käufer in der Regel nur zu einem geringeren Preis erworben werden (vgl. BGH-Urteil vom 23.11.2004, AZ: VI ZR 357/03).

Eine Entschädigung für den merkantilen Minderwert gibt es deshalb nur bei erheblichen technischen Beschädigungen, die ihrer Natur nach fortwirken können. Dies ist bei den vorliegenden Schäden ... laut Sachverständigen-Gutachten nicht der Fall. Darüber hinaus war der Pkw des Klägers zum Zeitpunkt des Unfalls bereits 8 ½ Jahre alt und hatte eine Laufleistung von 97.238 Kilometer. Beim Verkauf eines solchen Fahrzeugs wirkt sich mithin ein Vorunfall geringen Umfangs - wie hier - nicht mehr wertmindernd aus. Vielmehr stehen im konkreten Fall der Erhaltungszustand, das Alter und die Laufleistung des Fahrzeugs im Vordergrund.“

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