Mercedes-Nutzfahrzeugchef Bernhard erwartet große Umwälzungen ab 2020

Autor / Redakteur: Hanne Schweitzer/sp-x / Christian Otto |

Elektrische Verteiler-Lkw, vollautomatische Kolonne-Fahrten und mehr Effizienz durch bessere Vernetzung: Wolfgang Bernhard, Vorstand Mercedes-Benz Nutzfahrzeuge, erläutert, was sein Unternehmen zu diesen Zukunftsthemen anbietet.

Dr. Wolfgang Bernhard sieht vor allem in der Vernetzung weitere Potenziale für die Kunden.
Dr. Wolfgang Bernhard sieht vor allem in der Vernetzung weitere Potenziale für die Kunden.
(Bild: Daimler)

Redaktion: Elektrische schwere Lkw, Transporter mit Drohnen, selbstfahrende Busse – die Nutzfahrzeuge von Daimler scheinen die Pkw in Sachen Innovationen zu überholen. Oder ist das eine Momentaufnahme dieser IAA?

Wolfgang Bernhard: Ich glaube, dass sich die Nutzfahrzeugbranche in einem grundlegenden Wandel befindet. Wir werden in den nächsten zehn Jahren mehr Veränderungen erleben als in den vergangenen 50 Jahren. Die IAA ist dabei immer ein Wegweiser, in welche Richtung die Entwicklung geht.

Sie zeigen zum Beispiel den schweren vollelektrischen Verteiler-Lkw für die Stadt.

Wir versuchen ein Zukunftsbild zu entwerfen, wie Güterversorgung in den nächsten 10, 20 Jahren in der Stadt aussehen wird. Zum einen durch unseren Urban E-Truck mit 26 Tonnen Gesamtgewicht und 200 Kilometern Reichweite. Wer es im schweren Bereich schafft, elektrisch zu fahren, der schafft es auch im mittleren und leichten Bereich. Darüber hinaus stellen wir auf der IAA den Fuso E-Canter der dritten Generation vor, in der Klasse bis zu sechs Tonnen, sowie die Studie eines vollelektrischen Transporters.

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Wären nicht kleine E-Transporter dringlicher, wie sie jetzt gerade die Post selbst baut, weil anscheinend niemand aus der Autoindustrie liefern wollte oder konnte?

Bei allen Investitionen ist es wichtig, das richtige Timing zu haben. Entscheidender Parameter sind Leistungsfähigkeit und Kosten der Batterien. Wir glauben, dass bis zur Wende des Jahrzehnts – 2020 – der Zeitpunkt erreicht ist, an dem Batterien eine Leistungsfähigkeit und Kosteneffizienz erreicht haben, auf deren Basis wir unseren Kunden wirtschaftliche Lösungen anbieten können.

Wäre das auch die Perspektive für den Urban E-Truck?

Ja, 2020 fortfolgende. Wer zu früh kommt, verliert ein Vermögen, wer zu spät kommt, verliert den Markt. Es gibt viele Beispiel-Unternehmen in der Branche, die viel Geld verloren haben und noch viel Geld verlieren. Ich glaube die Zeitenwende ist Ende dieses, Anfang des nächsten Jahrzehnts. Unsere Kunden müssen mit ihren Nutzfahrzeugen Geld verdienen und legen daher auf Wirtschaftlichkeit großen Wert. Nach spätestens vier Jahren muss sich der höhere Anschaffungspreis in Form von niedrigeren Treibstoffkosten und niedrigeren Servicekosten gerechnet haben.

Bei den Pkw gilt der Plug-in-Hybrid für größere Fahrzeuge als Zwischenschritt. Ist das beim Lkw nicht nötig?

Nein. Zum einen, weil die Anwendungsgebiete im Fernverkehr und im Verteilerverkehr sehr viel klarer sind als im Privat-Pkw. Zum anderen wird sich bei der Langstrecke eine Plug-in-Lösung nie rechnen, weil die Energiemengen, die relativ schnell rein- und rauskommen, die Batterien dramatisch überfordern. Zudem müssten wir so viel Batterie mitschleppen, dass am Ende keinerlei Nutzlast mehr übrig bleibt. Aufwand und Nutzen sprechen nicht für einen Plug-in-Hybrid-Lkw.

Wie ist die Situation bei elektrischen Bussen?

Auch hier hängt es von leistungsfähigen und preiswerten Energiespeichern ab. Zudem stellt sich die Frage, wie oft und wie einfach nachgeladen werden kann, an Haltestellen zum Beispiel. Durch intelligente Streckenwahl und Haltepunkte kann man beim Bus dafür sorgen, dass zwischendurch immer mal wieder geladen werden kann. Wir wollen 2018 elektrische Busse auf den Markt bringen.

Das übergreifende Thema der IAA heißt Vernetzung. Die scheint im Nutzfahrzeug eine viel größere Bedeutung zu haben als im Pkw. Etwa weil es wirtschaftliche Perspektiven gibt?

Da kann ich nur zustimmen. Heute greifen die meisten, die an der Leistungserstellung im Güterverkehr beteiligt sind, auf isolierte Daten zu – Auftraggeber, Fahrer, Spediteur. Dabei ergeben sich durch einen nahtlosen Datenfluss unendliche Möglichkeiten. Durch die Konnektivität bekommt der Spediteur eine viel höhere Transparenz, er vermeidet Wartezeiten, Leerfahrten, Abwicklungszeiten und Störungen. Zum Beispiel mit Mercedes-Benz Uptime, das wir auf der IAA vorstellen – eine internetbasierte Servicedienstleistung, die permanent die Lebensdaten des Lkw auswertet. Stichwort präventive Analyse. Damit werden wir einen großen Schritt machen, unsere Kunden dabei zu unterstützen, ihre Lkw alle am Laufen zu halten und einzugreifen, bevor sich überhaupt Schwierigkeiten ergeben.

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