Rainer Buchmann: Visionärer Paradiesvogel
Sein Leben ist ebenso bunt wie der farbenprächtige Regenbogen-Porsche als seine wohl bekannteste Kreation. Doch Rainer Buchmann war und ist weit mehr als ein Farbtuner. Mit technischen Innovationen wies und weist er den Weg in die Zukunft.

Rainer Buchmann ist auf vielen Bodenbelägen parkettsicher. Zu seinen Freunden zählte der angesehene Historiker und Herausgeber der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ Joachim Fest. In dessen Villa im Taunus nahm Buchmann an den legendären Kamingesprächen teil, konnte aber auch Autolackierern und Karosseriespenglern klarmachen, wie sie Autos nach seinen Vorstellungen umgestalten und veredeln sollten. „Ich wollte immer was Besseres, etwas Neues machen, etwas, was die Automobilindustrie nicht hatte“, sagt Rainer Buchmann. Beinahe wären so bekannte Autos, wie der Regenbogen-Porsche, mit dem Polaroid 1976 auf der „Photokina“ in Köln für Aufsehen sorgte, nie zustande gekommen.
Um seine Visionen, wie Autos auszusehen sollten, umzusetzen, scheute Rainer Buchmann auch nicht vor vollem Körpereinsatz zurück – selbst wenn dieser nicht ganz freiwillig war. Bei einer Ausfahrt in seinem hart zusammengesparten Porsche verwechselte ein Bus auf der B 44 die Fahrspuren und kam ihm auf seiner Seite der entgegen. „Ich hatte die Wahl zwischen Bus oder Baum“, erzählt Rainer Buchmann schmunzelnd. Er entschied sich für den Bus. Als der Fremdkontakt kurz bevorstand, flüchtete sich Buchmann in den Beifahrerfußraum und überlebte zusammengekauert. Allerdings durchbrach sein eigener Kopf beim Aufprall den Armknochen. Eine lange Narbe ist heute noch ein Andenken an diesen Unfall.
Filmreifer Auftritt im Krankenwagen
Amerikanische Soldaten leisteten Erste Hilfe. Buchmann musste alles auf Englisch erklären und fiel so nicht in Ohnmacht. Als die Sanitäter eintrafen, folgte der Tragödie nächster Akt: Für den Transport ins Krankenhaus war versäumt worden, die Trage zu sichern. Als der Rettungswagen auf einer Kreuzung mitten in Frankfurt anfuhr, rollte die Trage aus dem Abteil, und Buchmann hielt sich am Bügel der Hecktür fest. „Die Autofahrer haben nicht schlecht gestaunt“, lacht Buchmann verschmitzt. Die Verletzungen – vor allem der Armbruch – brauchten länger als erwartet, bis die verheilt waren.
Rainer Buchmann hatte ein Jahr im Krankenhaus Zeit, sich Gedanken über seine Zukunft zu machen. Schnell war klar, dass er das Studium an den Nagel hängen und sich selbstständig machen würde: Dabei blieb er seiner Leidenschaft, den Autos, treu. Als Startkapital diente die ungewöhnlich hohe Summe von 50.000 DM, die es nach dem Unfall als Schmerzensgeld gab.
Die Anfänge waren vergleichsweise bescheiden, aber Buchmanns Kreativität machte einiges wett. Den ersten VW Käfer lackierte er mit einem Electrolux-Staubsauger, bei dem man den Schlauch auf der Rückseite so anschließen konnte, sodass er blies statt saugte. Als Lackierinstrument diente eine „Flitspritze“. „Mein Vater war Damenschneider, von ihm habe ich den Sinn für das Ästhetische geerbt“, erklärt Buchmann. Seine ersten Autos waren genauso bunt, wie der Paradiesvogel der Tunerszene selbst. Ob es sich um einen vielfarbigen VW Käfer, einen eidottergelben Karmann Ghia mit schwarzem Dach (Spitzname: „Das Creme-Schnittchen“) handelte oder einen Porsche 356. „Die Porsche 356 waren Rostschüsseln. Einmal ist mir die Batterie durch das Bodenblech gefallen“, erzählt Buchmann. Alle Autos blieben nicht länger als drei, vier Monate. „Ich habe vom Verkaufen der Fahrzeuge gelebt, nicht vom Behalten.“
Die Marke „bb“ entsteht
Buchmann hatte aber nicht nur einen Sinn für Ästhetik, sondern auch viele Ideen, mit denen er seine Autos verbessern wollte. „Ich wollte immer nur das Beste in meinen Autos haben.“ Um seine Visionen zu verwirklichen, quartierte er sich 1974 in einer Hinterhofwerkstatt ein und baute seine im Jahr zuvor gegründete Marke „bb“ weiter aus. Einer seiner ersten Mitarbeiter war Manuel Melero, ein Spanier, der eigentlich Stierkämpfer werden wollte. Manuel bewarb sich als Karosseriespengler, obwohl er nicht vom Fach war. Der Spanier erwies sich als Naturtalent und als Arbeitstier, das mindestens 70 Stunden in der Woche schaffte. „Er hat immer laut gesungen, um nicht einzuschlafen“, erinnert sich Buchmann.
Meleros Arbeit konnte sich sehen lassen. So lobten die Tester der Fachmagazine die verbesserte Karosseriesteifigkeit des Regenbogen-Porsche, der im Film „Car-Napping“ eine Hauptrolle spielte. Der Targa schaffte sogar den Sprung über den großen Teich auf den Titel des „Road & Track“-Magazins. Bald waren die von Buchmann gestylten Fahrzeuge bei den Schönen und Reichen begehrt.
Buchmann war klar, dass er mit den etablierten Motortunern nicht mithalten konnte. Also konzentrierte er sich bei seinen „bb Autos“ auf die Optik, die Elektronik, den Klang und den Komfort. Zusammen mit Peter Roggendorf, einem Elektronikexperten des Max-Planck-Instituts, entwickelte er das erste frei programmierbare und verkäufliche Mikroprozessorsystem für das Auto, das sogar schon sprechen konnte. Ein weiteres Ergebnis war eine Park-Distance-Control mit zentimetergenauer Anzeige plus Sprache. Auch eine weltweit patentierte Lenkradbedienung hatte das Duo ersonnen. Doch den etablierten Autobauern war diese Technik zu teuer oder sie passte nicht in deren Konzept. „Digitales kommt uns nicht ins Auto“, ließ der damalige Mercedes-Entwicklungschef Professor Werner Breitschwerdt verlauten. Für Buchmann aber war nur das Beste gut genug. Deswegen kam bei ihm Digitales sehr wohl ins Auto – und der Erfolg gab ihm recht.
Etliche elektronische Erfindungen gemacht
Die Ideen und die gelungene Umsetzung des Edeltuners sprachen sich bald herum, und die Aufträge kamen stapelweise herein. „Die Leute überboten sich gegenseitig“, erinnert sich Buchmann. Für den Besitzer der damaligen Edeldiskothek „Dorian Gray“ installierte Buchmann eine Lichtorgel in dessen Stretchlimousine. Buchmann peppte auch die anfällige Rolls-Royce-Elektronik auf. Immer wenn die Stereoanlage angeschaltet wurde, ging die Elektronik in die Knie. Deswegen hatte das Auto auch den Spitznamen „King of Darkness“.
Ein weiteres Highlight war der Polo Carat, der auf dem Genfer Automobil Salon mit seinem digitalen Cockpit einen Ausblick auf die Zukunft gab. Informationen wie Durchschnittsgeschwindigkeit und -verbrauch oder eine Außentemperaturanzeige mit Glatteiswarnung standen auf Knopfdruck zur Verfügung.
Den absoluten Höhepunkt des Schaffens Rainer Buchmanns bildete der Mercedes CW 311, eine futuristische Flügeltürflunder mit 375 PS. Mercedes erlaubte, seinen Stern zu verwenden.
Der automobile Tausendsassa ist auch heute noch aktiv. Als nächstes Projekt steht die Veredelung eines Lamborghini Urus an.
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