Reifen-Zukunft: Gummi aus Löwenzahn
Die weltweit wachsende Reifennachfrage macht es nötig, neue Quellen für Naturkautschuk zu erschließen. Die Industrie forscht deshalb an Pflanzen wie Löwenzahn und Guayule.
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Auch wenn man es sich in Deutschland kaum vorstellen kann: Weltweit nimmt die Nachfrage nach Autoreifen kontinuierlich zu. Bis 2025 soll der Absatz von heute 1,1 Milliarden Stück auf 1,5 Milliarden wachsen, heißt es bei Continental. Für diese zusätzliche Menge würde allerdings der Naturkautschuk knapp werden, der in der Mischungsrezeptur unverzichtbar ist. Naturkautschuk wird heute ausschließlich aus dem Kautschukbaum Hevea Brasiliensis gewonnen, der aber nur ein einem beschränkten Gebiet in den Tropen wächst.
Um diese Anbaugebiete zu entlasten und sich vor den stark schwankenden Kautschukpreisen zu schützen, sucht die Reifenindustrie nach alternativen Quellen. Schon seit Jahrzehnten ist bekannt, dass Russischer Löwenzahn und die Guayule-Pflanze sich dafür eignen – allerdings wurden diese Erkenntnisse bislang nicht großtechnisch umgesetzt.
Daran arbeiten mittlerweile die Reifenkonzerne Continental, Bridgestone und Pirelli. Sowohl die Löwenzahnart als auch der Guayule-Strauch stellen sehr viel geringere Anforderungen an Boden und Klima und lassen sich praktisch weltweit anbauen, ohne in Konkurrenz mit der Nahrungsmittelproduktion oder dem Schutz des Regenwalds zu treten.
Die Leistungsfähigkeit stimmt
Dass sich der aus ihnen gewonnene Kautschuk zur Reifenproduktion eignet, steht mittlerweile fest. Continental hat erste Versuchsreifen mit Laufstreifen aus dem sogenannten Taraxagum (Markenname) gefertigt. Es handelt sich um Winterreifen, weil diese traditionell einen besonders hohen Anteil an Naturkautschuk aufweisen. Fahrversuche haben gezeigt, dass es keinen Leistungsunterschied zum heute verwendeten Gummi gibt. Das Ziel von Conti ist es, innerhalb der nächsten zehn Jahre Serienprodukte aus Taraxagum zu entwickeln. Der Löwenzahnanbau in den gemäßigten Zonen Europas, Nordamerikas oder Asiens – und damit in der Nähe zu den Reifenwerken des Unternehmens – soll Vorteile in der Logistik bringen. Selbst Landwirtschaft betreiben will der Konzern allerdings nicht.
Guayule: Die Wüste lebt
Bridgestone und Pirelli setzen derweil auf den Guayule-Strauch, der in den Wüstengebieten Mexikos sowie in den US-Staaten Texas und New Mexico wächst. Der Kautschuk findet sich in den Wurzeln und Stängeln der Pflanze und ist mit dem des Kautschukbaums in Qualität und Beschaffenheit vergleichbar. Die Guayule benötigt nur sehr wenig Wasser und macht keiner anderen Pflanzengattung den Lebensraum streitig.
Bridgestone hat in diesem Sommer die ersten Versuchsreifen produziert, bei dem alle wichtigen Naturkautschuk-Komponenten aus Guayule-Kautschuk bestehen – unter anderem die Lauffläche, die Seitenwände und die Kernreiter. „Die neuen Ergebnisse helfen uns beim Erreichen unseres Unternehmensziels: Bis zum Jahr 2050 sollen alle Bridgestone-Reifen ausschließlich aus nachhaltigen Rohstoffen produziert werden“, heißt es bei dem Unternehmen.
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