Bagatellschaden aus Sicht des Geschädigten
Bei der Beurteilung der Frage, ob ein Bagatellschaden vorliegt, kommt es entscheidend auf die Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten an.
Bei der Beurteilung der Frage, ob ein Bagatellschaden vorliegt, kommt es entscheidend auf die Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten an. Dieser Ansicht ist das Amtsgericht Lünen (Urteil vom 02.03.2010 / AZ: 8 C 974/09).
Immer wieder Anlass zu Auseinandersetzungen gibt die Frage, bis zu welcher Grenze ein so genannter Bagatellschaden vorliegt, mit der Folge, dass ein durch den Geschädigten beauftragtes Gutachten nicht durch die gegnerische Versicherung zu ersetzen ist. In einem Urteil vom 30.11.2004 (AZ: VI ZR 365/03) ist der Bundesgerichtshof bei Reparaturkosten in Höhe von etwa 715 Euro jedenfalls nicht von einem Bagatellschaden ausgegangen, wobei dieser Wert im Allgemeinen als Bruttowert interpretiert wird. Andere Gerichte haben die Grenze zwischen 500 und 1000 Euro angesetzt.
Trotz der relativen Unsicherheit bezüglich solcher fixer Grenzen wird in fast allen Urteilen betont, dass es auf die Sicht des Geschädigten ankommen muss. Als technischer Laie fehlt diesem auch bei Kleinschäden in der Regel die Expertise, um beurteilen zu können, ob die Behebung eines Schadens nun 500, 800 oder 1000 Euro kosten wird. Wie das Amtsgericht Lünen im vorliegenden Fall neigen viele Gerichte daher dazu, die Bagatellschadengrenze großzügig auszulegen.
Auszug aus der Urteilsbegründung:
Auch die für die Einholung des von der Klägerin in Auftrag gegebenen Sachverständigengutachtens angefallenen Kosten sind von der Beklagten zu ersetzen, da es sich um Koste einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung handelt. Für die Frage der Erforderlichkeit und Zweckmäßigkeit einer solchen Begutachtung ist auf die Sicht des Geschädigten zum Zeitpunkt der Beauftragung abzustellen; es kommt darauf an, ob ein verständig und wirtschaftlich denkender Geschädigter nach seinen Erkenntnissen und Möglichkeiten die Einschaltung eines Sachverständigen für geboten erachten durfte (BGH NJW 2005, 356). Insofern ist nicht allein darauf abzustellen, ob die durch die Begutachtung ermittelte Schadenshöhe einen bestimmten Betrag überschreitet oder in einem bestimmten Verhältnis zu den Sachverständigenkosten steht, denn zum Zeitpunkt der Beauftragung des Gutachters ist dem Geschädigten diese Höhe gerade nicht bekannt (BGH a.a.O.).
Im vorliegenden Fall lag der vom Sachverständigen ermittelte Reparaturaufwand bei über 700 Euro. Nach Ansicht des Gericht handelte es sich daher nicht bloß um einen Bagatellschaden. Im Übrigen ist für einen Laien wie der Klägerin gerade im Fall von Lackschäden nur schwer möglich, den Schadenumfang einzuschätzen. Die Klägerin durfte daher die Einholung eines Sachverständigengutachtens jedenfalls aus der maßgeblichen ex ante-Sicht für erforderlich halten.
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