Billig kommt oft teuer
Mit fast 100 km/h prallt der alte Opel gegen Masten und wird regelrecht zerfetzt. Die Folgen unsachgemäßer Unfallinstandsetzung können verheerend sein.
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Der Aufprall lässt auch hartgesottene Zuschauer für einen Augenblick verstummen – mit 97 km/h knallt der 13 Jahre alte Opel Omega in die Stahlsäule. Die Wucht des Einschlags ist so groß, dass der komplette Motorblock abreißt und selbst das Radio aus dem Wagen herausgeschleudert wird. Was nach der Freigabe des „Unfallortes“ durch den Dekra-Testleiter Guido Folster zu sehen ist, lässt vermuten, dass in der Realität wahrscheinlich keiner der Insassen einen solchen Unfall überlebt hätte.
In dem eindrucksvollen Test, den die Dekra kürzlich durchgeführt hat, ging es darum, „die Notwendigkeit von fachgerecht ausgeführten Unfallreparaturen hervorzuheben“, wie Werner von Hebel, Mitglied der Geschäftsführung der Dekra Automobil GmbH, betonte. „Das klingt selbstverständlich“, sagen Axel Grüning, Präsident, und Bernd Schweitzer, Geschäftsführer des Verbandes des Kfz-Gewerbes Schleswig-Holstein in einem anschließenden Pressegespräch, „ist aber leider nicht die gängige Praxis“. Oftmals suchen Autobesitzer aus Gründen der Kostenersparnis Werkstätten mit mangelhafter Kompetenz oder Ausstattung auf, um Unfallschäden beseitigen zu lassen.
Großer Aufwand
Etwa 250.000 Euro hat die Dekra unter dem Motto „Fair Repair“ seit 2003 bereits in umfangreiche Testreihen investiert, um die Auswirkungen nicht fachgerechter Fahrzeugreparaturen zu demonstrieren. So wurden im Rahmen eines anderen Tests bei einer eindrucksvollen Versuchsanordnung zwei baugleiche Passat in derselben Weise ge-crasht. Dann übergab die Dekra den einen einer Fachwerkstatt zur Beseitigung der Unfallschäden, während sie den anderen bewusst nachlässig instandsetzen ließ.
Anschließend kamen beide wieder in die identische Crashsituation. Das Ergebnis war mehr als eindeutig: Der „zurechtgepfuschte“ Wagen schützte seine Insassen bei dem Unfall deutlich schlechter als das fachgerecht reparierte Fahrzeug. Das beweist: Moderne Fahrzeuge mit einer ausgeklügelteren Bauweise und der immer raffinierteren Elektronik können nur von Experten wirklich fachgerecht repariert werden. Das ist leider Theorie. In der Praxis fahren – vorsichtig geschätzt – eine halbe Million Pkw auf deutschen Straßen, die nach einem schweren Unfall nicht ordnungsgemäß repariert wurden.
Mögliche Lösung
Auf die Frage, wie dieser Missstand behoben werden kann, gaben sowohl der Dekra-Geschäftsführer als auch die Vertreter des Deutschen Kfz-Gewerbes einstimmig die Antwort: Bestehende Gesetze müssen durchgesetzt werden. Es sei eine geradezu „hirnrissige“ Situation, dass in Deutschland eine von der Polizei bemängelte defekte und anschließend instandgesetzte Kennzeichenleuchte dokumentiert werden muss. Und dass auf der anderen Seite aber ein Fahrzeug nach einem schweren Unfallschaden von irgend jemandem irgendwie repariert werden kann, ohne dass der Besitzer den Nachweis einer fachgerechten Instandsetzung erbringen muss.
Wie man es besser macht, beweisen Frankreich, Spanien und Italien. Dort verliert ein Halter nach einem schweren Unfall die Zulassung für seinen Wagen. Erst wenn er den Reparaturnachweis einer Fachwerkstatt oder ein Gutachten über eine fachgerechte Instandsetzung seines Fahrzeugs vorlegen kann, darf er wieder auf die Straße.
Wie sinnvoll das ist, zeigt das obige Versuchsbeispiel, bei dem das nicht fachgerecht reparierte Fahrzeug beim Aufprall regelrecht zerrissen wurde – was mit großer Sicherheit durch eine Reparatur in einer Fachwerkstatt hätte verhindert werden können.
Olivier Meyer
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