Dekra: Hightech-Prüfstand für Fußgängerschutz
Mit 70-facher Erdbeschleunigung aus der Gefahrenzone: Dekra hat einen Prüfstand entwickelt, mit dem sich Systeme zum Fußgängerschutz beschädigungslos testen lassen.
Anbieter zum Thema

Die ersten Fahrzeugmodelle im Premiumsegment haben mittlerweile bereits ein System zur Fußgängererkennung an Bord. Für entwicklungsbegleitende Tests solcher Systeme können Automobilhersteller und Zulieferer künftig einen Termin im „Dekra Automobil Test Center“ im brandenburgischen Klettwitz einplanen.
Bei einem Workshop zur Fußgängersicherheit stellte die Sachverständigenorganisation vor Experten aus Europa, USA und Japan kürzlich eine Testanlage für aktive Fußgängerschutzsysteme vor, deren Leistungsfeatures nach eigenen Angaben weltweit einzigartig sind. Der Prüfstand, übrigens der erste einer Prüforganisation in Deutschland, ist auf die Anforderungen der Testszenarien zugeschnitten, die der 2009 gegründete Arbeitskreis „Vorausschauende Frontschutzsysteme“ (VFSS) favorisiert.
Die von Automobilherstellern, der Bundesanstalt für Straßenwesen, der Versicherungswirtschaft und Dekra getragene Vereinigung will die Markteinführung von Assistenzsystemen zum Fußgängerschutz beschleunigen und so die Unfallzahlen senken. Gerade bei Fußgängerunfällen sehen Unfallforscher noch ein großes Verbesserungspotenzial.
Im Jahr 2011 kamen EU-weit 6.360 Fußgänger (Deutschland: 520) ums Leben, das entspricht rund jedem fünften Verkehrstoten. Damit sind Fußgänger die zweitgrößte Gruppe der tödlich Verletzten nach den Pkw-Insassen. Über die Hälfte entfällt allein auf die wachsende Zahl der Menschen über 65 Jahre. „Bei Fußgängern ist ein Schutz durch passive Sicherheitsausstattung in Fahrzeugen nur begrenzt möglich. Aktive Sicherheitssysteme spielen daher eine große Rolle“, sagt Clemens Klinke, Vorstandsmitglied der Dekra SE.
Solche Systeme können in Verbindung mit Notbremsassistenten nicht nur Unfälle vermeiden und Folgen mindern, sie können unter ungünstigen Umständen selbst zur Gefahr werden, zum Beispiel für nachfolgende Fahrzeuge bei einer unnötigen Notbremsung. Ein wichtiger Punkt ist somit die Auslegung der Assistenzsysteme.
Falsch ausgelegte Systeme können zu Konflikten führen
Der Arbeitskreis dringt hier auf eine weitgehende Harmonisierung. „Wir müssen auf weltweit vergleichbare Ergebnisse achten“, sagt Frank Leimbach, Bereichsleiter Dekra Technology Center. „Falsch ausgelegte Systeme können im Straßenverkehr zu Konflikten führen. Daher ist es wichtig, dass die Testszenarien schon vor Auslegung der Systeme entwickelt werden. Nur so können wir den Knoten durchschlagen.“
Der neue Prüfstand deckt nicht nur alle vier von VFSS-Seite vorgeschlagenen Unfallszenarios (40 km/h) ab, auch neue und schnellere Manöver sind machbar. Im Zentrum der Anlage steht eine 12 Meter lange Brücke, an der Fußgänger-Dummys über die Fahrbahn geführt werden. Ein um 180 Grad drehbarer Brückenarm ermöglicht die unterschiedlichsten Anprallkonfigurationen. Damit die getesteten Fahrzeuge unbeschädigt bleiben, wird der Dummy Sekundenbruchteile vor der Kollision aus der Gefahrenzone katapultiert.
Nach dem Prinzip der Magnetschwebebahn
Dieses Kunststück vollbringt ein in 18 Monaten entwickelter Hightech-Elektromotor des österreichischen Prüfstandspezialisten Frontone. Der nach dem Prinzip der Magnetschwebebahn arbeitende Linearmotor könnte den Dummy mit maximal 70-facher Erdbeschleunigung auf einer Strecke von zwölf Metern von 0 auf 200 km/h beschleunigen oder 13 Tonnen heben.
Hinzu kommt eine Kommunikationstechnik vom Feinsten: Dummy und Fahrzeug tauschen jederzeit ihre Standort- und Geschwindigkeitsdaten in Echtzeit aus, sodass die Brücke die Dummybewegung bei Bedarf nachregulieren kann. Die Abweichung von festgelegten Crashpunkt beträgt maximal 0,5 Millimeter.
(ID:42236702)