Mercedes W 124 – der letzte echte Benz?

Autor / Redakteur: Peter Deuschle / Steffen Dominsky

Alte Karre oder künftiger Klassiker? Diese Frage stellt sich bei vielen „alten Gebrauchten“. Die GTÜ-Oldtimer-Kaufberatung zeigt das aktuelle bzw. künftigen Klassikerpotenzial ausgesuchter Modelle auf.

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Miteinander erfolgreich: Die Mercedes-Mitttelklasse „W 124“ – hier noch ohne Cabriolet.
Miteinander erfolgreich: Die Mercedes-Mitttelklasse „W 124“ – hier noch ohne Cabriolet.
(Foto: Daimler)

Noch in den siebziger Jahren diskutierte man ernsthaft, ob die Mercedes-Benz-Modelle, die nach dem 170er auf den Markt kamen, jemals als Veteranen anerkannt werden würden. Damals führte man diese Debatte über die Baureihen W 120/121 und W 180/187, bekannt als „Pontonmodelle“. Insbesondere bei Stern-Fahrzeugen scheint diese Diskussion nie zu enden: Nach dem „Ponton“ stritt man in gleicher Art und Weise über die „Heckflosse“, dann über den „Strich 8“ und genauso über den W 123. Und 30 Jahre nach Serienanlauf erhitzen sich heute die Gemüter, wenn es um die Anerkennung des W 124 als „echten“ Oldtimer geht.

Doch was zeichnet in den Augen der einschlägigen Liebhaber einen „letzten echten“ Mercedes“ aus:

  • Beim 170er war es seinerzeit die Designsprache, die noch aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg stammte.
  • Derzeit ist es beim W 123 (noch) die chromverzierte repräsentative Form der Karosserie und der Mythos der Unzerstörbarkeit – wenn man die Korrosion des Blechs ignoriert.

Und was zeichnet den W 124 aus? Die Karosserieform des E-Klasse-Vorläufers ist im Vergleich zum W 123 geradezu schlicht, aerodynamisch optimiert und in der Urform ohne Chromzierrat. Die „Unzerstörbarkeit“ der Technik ist mit dem W 123 vergleichbar – und das Karosserieblech ist deutlich korrosionsresistenter.

Ein Benz mit historischem Stellenwert

Die Mercedes-Pkw nach dem Zweiten Weltkrieg kann man jeweils einer Designepoche zuordnen. Eingeführt hat der Stuttgarter Autobauer das Design des W 124 von Bruno Sacco erstmals mit dem W 201 (190er). Daraufhin folgten W 124, R 129 (SL) und W 140 (S-Klasse). Der W 124 ist somit der große Bruder des W 201 bzw. der kleinere Bruder des W 140.

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Der W 201 war unstrittig ein wichtiger Meilenstein in der Geschichte der damaligen Daimler-Benz AG. Mit ihm erweiterte man das Pkw-Angebot um eine wichtige (kleinere) Baureihe. Auch wenn der W 124 im Vergleich zum W 201 auf eine lange Ahnengalerie zurückblicken kann, so ist sein historischer Stellenwert für die Marke durchaus bemerkenswert:

  • Qualitätsmängel nach dem Serienanlauf führten erstmalig zu öffentlichkeitswirksamen Protestaktionen der Taxiunternehmer/-fahrer.
  • Mit dem 300 D gab es erstmalig einen Sechszylinder-Diesel in der „mittleren Baureihe“ – als Turbo auch noch ziemlich kräftig.
  • Mit der „4 matic“ gab es optional erstmalig Vierradantrieb in einem Mercedes-Pkw-Modell.
  • Nach dem bereits vor langer Zeit ausgelaufenen W 111 bot man beim W 124 (endlich) wieder ein viersitziges Cabriolet an.
  • Mit 400 E, 420 E und 500 E zog erstmalig ein V8-Ottomotor aus der Oberklasse in den Motorraum der „mittleren Baureihe“ ein, wobei den 500 E sogar Nachbar Porsche im Lohnauftrag baute.

(Quelle: GTÜ)

Bestand dünnt sich zunehmend aus

Mit knapp 2,6 Millionen Einheiten von 1984 bis 1997 war der W 124 für die damalige Daimler-Benz AG ein sehr erfolgreiches Modell – auch wenn man den Produktionsrekord des W 123 mit knapp 2,7 Millionen Einheiten um rund 100.000 Fahrzeuge verfehlte. Im Vergleich zu seinem Vorgänger waren sowohl der interne Wettbewerb mit dem kleinen Bruder W 201, als auch der damals erfolgreiche 5er BMW Gründe dafür, dass man den bis heutige gültigen Produktionsrekord des W 123 nicht (mehr) übertraf.

Mit Stand Ende 2013 waren laut Kraftfahrt-Bundeamt (KBA) im Inland noch rund 174.000 „aktive“ Fahrzeuge der Reihe W 124 gemeldet. Diese verteilen sich folgt:

Erwartungsgemäß sind die meisten Dieselmodelle aufgrund entsprechend hoher Kfz-Steuer und den Umweltzonen inzwischen in den Export geflüchtet. Bei vielen der im Inland verbliebenen Fahrzeuge ist eine abgastechnische Aufrüstung zur Erlangung der „grünen Umweltplakette“ möglich – jedoch zu erheblichen Kosten. Insgesamt ergibt sich derzeit bei der Nutzung des W-124-Bestands im Inland eine sehr große Bandbreite:

  • Gebrauchsfahrzeuge meist mit hoher Laufleistung und der Perspektive „Export“. In dieser Gruppe sind primär Limousinen und (noch) T-Modelle vertreten, bevorzugt 4 Zylinder-Ottomotoren und Diesel.
  • Noch-Gebrauchsfahrzeuge meist mit relativ geringer Laufleistung. In dieser Gruppe sind Limousinen, T-Modelle und insbesondere Coupés vertreten.
  • Liebhaberfahrzeuge in überdurchschnittlichem Pflege- und Erhaltungszustand. In dieser Gruppe sind insbesondere die Cabriolets und Coupés, die Achtzylinder-Modelle und die ersten T-Modelle vertreten.

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