Schlaglöcher und versteckte Wallboxen Mit dem Porsche Taycan unterwegs in Indien

Quelle: sp-x Lesedauer: 5 min

Indien kämpft seit Langem mit Umweltproblemen und fördert deshalb verstärkt Stromer. Ein Roadtrip mit einem Porsche Taycan zeigt: Die Elektromobilität ist auch dort angekommen. Zumindest ein bisschen.

Momentan gibt es nur rund 2.000 Ladepunkte in Indien. Bis 2027 sollen es jedoch 100.000 werden.
Momentan gibt es nur rund 2.000 Ladepunkte in Indien. Bis 2027 sollen es jedoch 100.000 werden.
(Bild: Porsche)

Exakt 747 Kilometer liegen zwischen der zentral-indischen Stadt Hyderabad und Mumbai an der Westküste. Eine Strecke, die man in Deutschland selbst mit einem E-Auto in einem Rutsch schafft. In Indien sollte man für die Distanz besser zwei Tage einplanen.

Achsenbrechende Schlaglöcher und Temposchwellen, die höchstens Schrittgeschwindigkeit zulassen sowie Ortsdurchfahrten, bei denen der Reisende im Verkehrschaos zwischen Auto-Rikschas, Motorrädern und Fußgängern hoffnungslos feststeckt, zehren an den Nerven und kosten Zeit.

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Taycan in Indien für den doppelten Preis

Überhaupt – mit dem Elektroauto durch Indien, geht das? Und warum gerade mit einem Porsche Taycan? Zumal der monatliche Durchschnittsverdienst in Indien gerade mal 150 Euro beträgt. Auf der anderen Seite leben dort über 700.000 Millionäre sowie 166 Milliardäre.

Genug Potenzial also für Autos wie den Taycan, der hier wegen exorbitant hoher Luxuszölle mindestens 230.000 Euro kostet, etwa 2,5-mal so viel wie in Deutschland. Mit Wachstumsraten von je 60 Prozent in den letzten zwei Jahren brummt das Geschäft der Zuffenhausener Marke.

779 Fahrzeuge haben die zehn Porsche-Händler im vergangenen Jahr verkauft, darunter 79 Taycan. Zehn Prozent an den Gesamtverkäufen ist eine ähnlich hohe Quote wie in Deutschland. „Wir spüren, dass die Elektromobilität auch hier angekommen ist“, sagt Manolito Vujicic, Geschäftsführer von Porsche Indien.

Indien ächzt unter den Umweltproblemen

„Der Schritt in die E-Mobilität ist unvermeidlich“, bestätigte Shri Amitabh Kant schon 2018 beim Global Mobility Summit. Kant ist Chef von NITI Aayog, dem Think Tank der indischen Regierung. Er will Wege entwickeln, das Land ökologisch und ökonomisch für die nächsten Jahrzehnte fit zu machen.

Die Zeit drängt: Fast 1,4 Milliarden Menschen leben in Indien. Bald wird das Land China überholen. Und die Menschen ächzen unter den Umweltlasten, vor allem in den Städten. Nach China und den USA ist Indien für den dritthöchsten CO2-Ausstoß weltweit verantwortlich. Millionen Auto-Rikschas und Mopeds blasen ihre Abgase ungefiltert hinaus und beißender Smog nimmt den Menschen in den Metropolen die Luft zum Atmen.

Experten sehen deshalb in der Elektrifizierung der Zwei- und Dreiräder das größte Potenzial für die Umwelt. Eine Studie von McKinsey prognostiziert, dass 2030 zwischen 85 und 100 Prozent aller neuen Rikschas elektrisch fahren. Autos sind ungleich teurer, weshalb Ende der Dekade voraussichtlich nur 10 bis 15 Prozent elektrisch unterwegs sein werden.

2.000 Ladepunkte im ganzen Land

Ungeachtet der schlechten Ladeinfrastruktur – in ganz Indien gibt es nur rund 2.000 öffentliche Ladepunkte – trommelt die Regierung heftig für die E-Mobilität. Eben erst fand mitten in der Industriestadt Hyderabad öffentlichkeitswirksam der erste Formel-E-Lauf auf indischem Boden statt. 25.000 Zuschauer bejubelten die Elektro-Racer auf dem extra abgesteckten Stadtkurs inmitten der Zehn-Millionen-Metropole, dem Startpunkt unserer Indienfahrt.

Vorsichtig tasten wir uns mit dem Taycan aus der Hoteleinfahrt und reihen uns in die Armada knatternder, wild hupender Tuk-Tuks ein. Leise surrt die Limousine Richtung National Highway 65. Die zweispurige Hauptstraße verbindet West- und Ostküste Südindiens, hat aber stellenweise eher den Charakter eines besseren Feldwegs.

350 Kilometer Reichweite meldet der Bordcomputer, ein Zeichen, dass das heckgetriebene Basismodell nur mit der 79-kWh-Batterie ausgestattet ist. In Europa wäre diese Variante ein echter Exot, da sich fast jeder Käufer für den 93-kWh-Akku entscheidet. Nicht so in Indien. „Die meisten Käufer laden zuhause und fahren keine langen Strecken“, sagt Vujicic.

Stop nach 200 Kilometern

Wir aber müssen auf unserer langen Fahrt ein paar kWh nachbunkern. Die App leitet uns nach 200 Kilometern über eine staubige Nebenstraße zu einer 30 kW starken Wallbox, irgendwo im Nirgendwo am Rande einer Kleinstadt. Der öffentlich zugängliche Kasten mit großem Display und CCS-Stecker hängt unglücklich eingekeilt zwischen Hauswand und einem Baum. Bezahlen kann man per App, 20 Cent kostet die Kilowattstunde.

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Vier bis fünf Autos würden im Schnitt pro Tag dort laden, berichtet Gingan Mahesh, der seinen Reifenbetrieb direkt daneben betreibt und schon Potenzial für ein kleines Café wittert. Die meisten Ladekunden fahren Stromer der Marken Mahindra, Tata oder MG und stammen aus der Region. Doch immer öfter steuern auch Durchreisende die Wallbox an.

Förderung durch die Regierung

So wie Saket Kukde. Der IT-Ingenieur ist unterwegs auf einem 450 Kilometer langen Wochenendtrip und hat seinen Tata an die Wallbox angeschlossen. 15.000 Kilometer sei er in einem Jahr mit seinem Nexon gefahren, einem kleinen SUV im Format eines Kia Niro.

Problemlos, wie er betont. Ist er aus Umweltgründen auf ein E-Auto umgestiegen? Kukde überlegt kurz, lächelt dann vieldeutig und wiegelt ab. Als Ingenieur sei er einfach neugierig auf die Technik gewesen. Dann kommt er doch auf den Punkt. Die indische Regierung fördere die E-Mobilität massiv.

Pro Kilowattstunde Batteriekapazität spendiert die Regierung beim Kauf eines Rollers, einer Rikscha oder eines Autos 10.000 Rupien, umgerechnet rund 110 Euro. So bezahlte er für seinen Tata statt 16.500 nur rund 13.000 Euro. „Außerdem ist Kraftstoff extrem teuer. Mit Strom fahre ich für weniger als die Hälfte.“ Tatsächlich kostet der Liter Benzin in Indien gut 1,20 Euro. Mobilität, so lernen wir, ist in hier ein kostbares Gut.

Sympathiebonus für den Taycan

Trotzdem stauen sich etliche Autos an den Zahlstationen entlang des NH65. Was aber nicht nur an den vielen Fahrzeugen, sondern auch an den eher schlecht als recht funktionierenden Scannern der Mauterfassung liegt.

Eingekeilt zwischen bunt bemalten Lkw, auf denen sich meterhoch und oft nur notdürftig mit Planen und Stricken befestigte Kisten und Kartons türmen, warten wir, dass sich die Schranke hebt. Die technischen Probleme der Mautstellen lächelt das Servicepersonal entspannt weg, die Begeisterung für den Porsche macht vieles möglich, was in Deutschland undenkbar wäre.

Der exotische Taycan scheint einen Sympathiebonus zu besitzen. Wo immer er auftaucht, bilden sich Trauben von Menschen. Sie machen Selfies, lachen und bestaunen durchs Fenster das Cockpit mit den drei Bildschirmen. Wie schnell fährt er, ist das wirklich ein E-Auto, wie das grüne Kennzeichen signalisiert? Kilometerlang verfolgen Mopedfahrer den blauen Wagen und filmen mit dem Smartphone. Sozialneid? Keine Spur.

300.000 verkaufte E-Autos 2022

In Pune, einer Industriemetropole mit gut fünf Millionen Einwohnern, sieht das schon anders aus. Auf dem Weg zum Ladestopp des zweiten Tags begegnet der Porsche dem einen oder anderen Modell der gehobenen Fahrzeugklassen.

Audi, Jaguar, Mercedes, BMW, Volvo, alle wollen sich ihren Anteil am indischen Automarkt sichern. Rund 3,6 Millionen Pkw wurden 2022 verkauft, davon 300.000 E-Autos. Tendenz stark steigend. Selbst die schlechten Straßenverhältnisse bremsen Käufer nicht aus. Ebenso wenig wie den Taycan.

Mit seiner Luftfederung und der Möglichkeit, die Karosserie anzuheben, kraxelt er über die fiesesten Bodenschweller und nähert sich unbeirrt dem Moloch Mumbai. Für die letzten 20 Kilometer brauchen wir aber über zwei Stunden, ausgebremst vom täglichen Verkehrswahnsinn der größten indischen Stadt. Elektrisch zu fahren klappt also schon in diesem Land und irgendwie kommt man dann auch ans Ziel.

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