Opel Maxx: Innovativer Ansatz im Kleinstwagensegment
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Bevor Daimler den Smart brachte, hatten die Rüsselsheimer ein Konzept eines Stadtwagens vorgestellt, das dem der Stuttgarter in einigen Punkten überlegen war. Sogar ihren ersten „Hightech“-Dreizylindermotor hatten sie für ihn entwickelt.

Wir schreiben das Jahr drei nach der Übernahme. Zugegeben: Ein „Wackelkandidat“ war der einst größte europäische Automobilbauer schon seit Längerem gewesen. Aber dass er ausgerechnet von PSA geschluckt werden würde? Darauf wäre noch vor einigen Jahren so schnell keiner gekommen. Klar, die Glanzzeiten waren für die Rüsselsheimer Mitte der Neunzigern vorbei. Aber Aufgabe? Verkauf? Nein, daran dachten Opelaner damals (noch) nicht. Stattdessen machten sie, was Autobauer in der Regel so machen: Sie schauten nach vorne und entwickelten die Fahrzeuge von morgen.
Die Ingenieure konstruierten Autos wie den Maxx – zugegeben nur ein Konzeptfahrzeug. Aber erstens ein überaus innovatives. Und zweitens geriet dieser „Stadtwagen“ verdammt seriennah. Immerhin schaffte es sein Antriebskonzept, genauer gesagt sein Motor, in die Serienfertigung – nämlich für den Corsa. Damit war Opel der erste Hersteller, er einen„Hightech“-Dreizylinder entwickelt und ab 1997 in Serie produziert hat; die vom japanischen Mitbewerber Daihatsu seit Ende der Siebzigerjahre verwendeten Motoren dieser Zylinderzahl galten aus Sicht der Rüsselsheimer offenbar als Lowtech. Opels ewiger Gegner VW folgte übrigens erst zwei Jahre später mit einem Dreizylindermotor im Lupo.
Wir schreiben das Jahr 1995. Auf dem Genfer Automobilsalon stellt der Autobauer mit dem Blitz-Logo seinen Maxx vor, ein Konzept für ein künftiges Stadtfahrzeug. Eine der zahlreichen technischen Besonderheiten des Kleinen: Statt aus gepressten Stahlblechen war die Karosserie in Modulbauweise aus Aluminiumprofilen zusammengesetzt. Die verschiedenen Abschnitte waren zu einer Zelle zusammengeschweißt, teilweise freigelegt und in die Außen- und Innenkonstruktionen einbezogen. Diese Zelle bot nicht nur optimale Sicherheit, sondern war auch die Grundlage für den modularen Aufbau. Der Maxx war somit Vorläufer moderner flexibler Fahrzeugarchitekturen.
So kann auf ein- und derselben Plattform ein Cabrio, ein Pick-up, ein Offroader, ein Van oder ein Taxi entstehen. Obwohl die Abmessungen fix sind, können die Kunden Karosserie und Innenausstattung auch nach Abholung des Fahrzeugs ändern. Beispielsweise können die farbigen Karosseriesegmente aus Kunststoff gegen andersfarbige ausgetauscht werden – der Smart lässt grüßen. Mit einer Länge von nur 2,97 Metern und damit zwar einen ganzen halben Meter länger als der Smart sowie mit einer Breite und Höhe von 1,58 Metern bot der zweitürige Maxx aber auch Platz für vier Personen. Wenn der Kunde viel Gepäck hätte mitnehmen wollen, hätte er sich für zwei Sitze plus einen Laderaum entscheiden können, der ungefähr so groß gewesen wäre wie der eines damaligen Astra-Kombis.
Neuartiger Dreizylinder: zwei obenliegende Nockenwellen, vier Ventile pro Zylinder
Sicherheit war ebenso wichtig wie Flexibilität. Neben der stabilen Aluminiumstruktur verfügte der Maxx bereits über einen Fahrerairbag und ein Antiblockiersystem (ABS). Zudem platzierten die Opel-Ingenieure den Kraftstofftank für optimale Sicherheit zwischen den Hinterrädern. Der Maxx wog dank der Verwendung von Leichtmetall lediglich 650 Kilogramm.
Technisches Highlight des City-Flitzers war, wie bereits erwähnt, der Dreizylindermotor. Der neue Benziner war der erste von einem europäischen Automobilhersteller zur Serienreife entwickelte Dreizylinder. Mit einem Hubraum von 973 Kubikzentimetern, zwei obenliegenden Nockenwellen und vier Ventilen pro Zylinder beziehungsweise mit einem Hubraum von rund 330 Kubikzentimetern pro Zylinder hatte das neue Mitglied der Ecotec-Motorenfamilie ein optimales Bohrhubverhältnis, was für ein hohes maximales Drehmoment von 90 Newtonmetern bei nur 2.500 U/min und für eine Spitzenleistung von 37 kW/50 PS bei 5.000 Umdrehungen sorgte.
Skurile Idee für einen Dreizylinder bereits Ende der Sechzigerjahre
Dank dieser Werte übertraf der 1,0-Liter-Motor selbst einige seiner Zeitgenossen mit Vierzylindern. Er verlieh dem Maxx – in Kombination mit dem geringen Gewicht – ein „lebhaftes“ Temperament: Beschleunigung von 0 auf 100 in nur 12,1 Sekunden und eine Höchstgeschwindigkeit von 151 Stundenkilometern. Überzeugend geriet auch der Spritverbrauch: Mit seinem Verdichtungsverhältnis von 10,1:1 benötigte der Dreizylinder laut dem damals aktuellen Testzyklus „Euromix“ bei konstant Tempo 90 nur 3,9 Liter Benzin auf 100 Kilometern.
Aus automobilhistorischer Sicht interessant: Die Entwicklung eines Dreizylindermotors hatte selbst 1995 bei Opel schon eine lange Geschichte. Bereits 1969/1970 beschäftigte sich die Entwicklungsabteilung mit einer kleineren Alternative zum klassischen Vierzylinder. Dabei geriet das erste Dreizylinderkonzept etwas skurril. Soll heißen: Der erste Dreiender sollte ein Vollaluminiummotor sein, und über keinen abnehmbaren Zylinderkopf mit sogenannten Sackzylindern verfügen. Das hätte zwar übliche Selbstverständlichkeiten wie eine Zylinderkopfdichtung, Kopfschrauben und so weiter überflüssig gemacht, hätte aber neue Maschinen, eine aufwendige Bearbeitung und Montage erfordert. Außerdem setzte das Gießverfahren der Gestaltung der Ansaugkanäle zu enge Grenzen. Ergo verwarfen die Opel-Ingenieure diesen komplizierten Ansatz und wandten sich einem ganz pragmatischen zu.
Erste Ansätze auf Basis des vorhandenen OHV-Motors
Sie nahmen einen Vierzylinder-1,5-Liter-CIH-Motor, legten einen Zylinder still und fertigten eine, für einen Dreizylinder entsprechend gekröpfte Kurbelwelle. Doch die Prüfstandsversuche ergaben keine Vorteile gegenüber dem vorhandenen und bewährten 1,0-Liter-OHV-Motor. Opel stoppte vorerst die Entwicklung eines Dreizylinders. Die nahm das Unternehmen aber ab 1975/76 als Folge der Ölkrise von 1973 wieder auf beziehungsweise die eines neuen Kleinstwagens. Für den entwickelten die Rüsselsheimer auf Basis besagten OHV-Antriebs einen Motor mit drei Zylindern. Der verfügte als extremer Kurzhuber (Bohrung 79 mm, Hub 61 mm) über 960 Kubikzentimeter. Der konnte zwar mit, gegenüber einem Vierzylinder, durchaus konkurrenzfähigen Werten glänzen. Zudem übertraf er diesen in einigen Punkten wie Kraftstoffverbrauch, Baulänge und Gewicht. Allerdings fiel der Kostenvorteil pro Aggregat ziemlich bescheiden aus.
Zumal zeichneten sich am Horizont bereits kommende Abgasgrenzwerte ab, die mit einem betagten Stoßstangenmotor aus Grauguss einfach nicht beziehungsweise nur zu teuer zu realisieren gewesen wären. Ergo starb auch dieses Dreizylinderprojekt, zumal ein passendes Klein-/Kleinstfahrzeug im Opel-Programm für die kommenden Jahre auch nicht vorgesehen war. Außerdem bastelten die Entwickler schon an der kommenden Vierzylindergeneration mit Aluminiumzylinderkopf samt Querstromprinzip.
Und als der Dreizylinder dann kam, wurde er auch noch ein Erfolg
Dass es dennoch etliche weitere Jahre bedurfte, bis Opel seinen ersten „Drilling“ in Serie brachte, war einer simplen, bereits genannten Tatsache geschuldet: Der Kostenvorteil gegenüber einem Vierzylinder war einfach zu gering. Es war nicht möglich, die immensen Entwicklungskosten wieder reinzuholen. „Das erkennt man auch an der Tatsache, dass man die Agila-Plattform von Suzuki gekauft hat, da man kein Potential in dieser Wagenklasse gesehen hat, die Entwicklungskosten wieder einzuspielen“, blickt der langjährige Opel-Motorenentwickler Werner Wielan im Gespräch mit Eckart Bartels, einem der Opel-Historienforscher und ausgewiesenen Kenner der Marke, zurück. „Das ist halt die Crux der kleinen Autos, dass sie am Markt keine Erträge erzielen wie die großen Fahrzeuge, aber aufgrund der Kundenansprüche an Komfort und Technik fast ebenso viel in der Herstellung kosten“, so Wielan.
Und er ergänzt: „Dass dem 1995 vorgestellten Dreizylinder allerdings ein derartig langes Leben beschieden war, konnte niemand bei seiner Vorstellung im Maxx vorhersehen. Schließlich war dem Aggregat zum Schluss eine zweite Karriere als Range-Extender für den Ampera I beschieden. Und als Turbo wurde er sogar in Werken in den USA und in Korea gebaut. Das spricht nur für die Güte seiner Konstruktion, obwohl man ursprünglich eigentlich nur einen modernen, aber preisgünstigen Low-end-torque-Motor wollte.“
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