Sanktionen Reifenindustrie zieht sich vom russischen Markt zurück

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Als Produktionsbasis hat Russland für die europäischen Reifenhersteller unterschiedliche Bedeutung. Trotzdem stehen die Zeichen bei den Produzenten auf Abschied – selbst bei einem russischen Fertigungsanteil von 80 Prozent.

Nahe Sankt Petersburg betreibt Nokian bislang sein größtes Werk überhaupt. Nun zieht sich das Unternehmen zurück.
Nahe Sankt Petersburg betreibt Nokian bislang sein größtes Werk überhaupt. Nun zieht sich das Unternehmen zurück.
(Bild: Nokian)

Russland spielte bislang eine wichtige Rolle in der Produktionskette der Reifenindustrie – vor allem als Lieferant von Vorprodukten, aber bei manchen Herstellern auch als Produktionsbasis. So unterhält beispielsweise der deutsche Continental-Konzern ein Reifenwerk in Kaluga, rund 190 Kilometer entfernt von Moskau.

Nachdem der Hersteller das Werk kurz nach Kriegsbeginn am 24. Februar zunähst stillgelegt hatte, nahm er die Produktion kurze Zeit später wieder auf – um Strafmaßnahmen gegen seine Mitarbeiter zu vermeiden, wie es von dem Unternehmen hieß.

Nachdem nun andere in Russland aktive Reifenkonzerne ihren Rückzug angekündigt haben, fragte »kfz-betrieb« erneut in Hannover nach, wie es mit dem russischen Werk weitergeht. „Continental unterstützt und befolgt alle geltenden Sanktionen sowie rechtliche Vorschriften“, teilte ein Sprecher mit. „Wir beobachten die aktuellen Entwicklungen sehr genau und evaluieren kontinuierlich alle uns zur Verfügung stehenden Optionen – dies beinhaltet auch die Prüfung eines kontrollierten Rückzugs unseres Geschäfts aus Russland. Unsere lokalen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bleiben bei unseren Erwägungen weiterhin ein wichtiger Gesichtspunkt.“

Michelin prüft Übergabe an lokales Management

Der französische Michelin-Konzern hatte seine Produktion in Russland zum 15. März ausgesetzt und stellt nun klar, dass eine Wiederaufnahme aus technischen Gründen nicht möglich sei – insbesondere aufgrund von Lieferschwierigkeiten und einem allgemein unsicheren Umfeld. Der Konzern sieht sich daher nach eigenen Angaben gezwungen, die Übergabe aller Aktivitäten in Russland bis Ende 2022 zu planen. Er prüft, die Verwaltungs-, Vertriebs- und Produktionsaktivitäten an das derzeitige lokale Management zu übertragen. Das neue Unternehmen würde dann in einer von Michelin unabhängigen Struktur arbeiten.

Michelin Russland beschäftigt im Land etwa 1.000 Mitarbeiter, davon 750 im Werk Davydovo, rund 100 Kilometer von Moskau entfernt. Der Standort hat eine Produktionskapazität von 1,5 bis 2 Millionen Reifen pro Jahr, hauptsächlich für Pkw. Der Umsatz von Michelin in Russland macht zwei Prozent des Gesamtumsatzes und ein Prozent an der weltweiten Produktion von Pkw-Reifen des Konzerns aus, heißt es in einer Mitteilung.

Nokian verliert 80 Prozent seiner Fertigungskapazität

Deutlich härter dürfte der Russland-Abschied wohl den kleineren finnischen Reifenproduzenten Nokian Tyres treffen, der neben dem Hauptsitz in Finnland nur ein einziges weiteres Reifenwerk in Europa betreibt – nämlich in Russland. Sein Anteil an der Produktionskapazität von Nokian betrug 80 Prozent.

Die Unternehmensleitung hat nichtsdestotrotz einen kontrollierten Rückzug aus dem russischen Markt eingeleitet. „Aufgrund des Krieges in der Ukraine und der anschließenden Verschärfung der Sanktionen ist es für Nokian Tyres plc nicht mehr tragbar, das Geschäft in Russland weiterzuführen“, heißt es in einer Pressemitteilung.

Die Vorbereitungen für den Ausstieg beginnen sofort und das Unternehmen wird verschiedene Rückzugsoptionen prüfen. Als Teil dieses Prozesses wird Nokian Tyres im zweiten Quartal 2022 Wertminderungen in Höhe von rund 300 Millionen Euro für die russischen Vermögenswerte vornehmen. Das Unternehmen beschäftigt in Russland bislang etwa 1.600 Mitarbeiter. Als Ersatz für die russische Produktionskapazität hat Nokian Tyres seine Fabriken in Finnland und in den USA ausgebaut und beschlossen, in vollständig neue Kapazitäten in Europa zu investieren.

„In den vergangenen Monaten haben wir schockierende Entwicklungen in der Ukraine miterlebt. Wir haben die Situation mit großer Traurigkeit verfolgt und verurteilen gemeinsam mit der gesamten internationalen Gemeinschaft eindeutig den Krieg, der unsagbares Leid über so viele Menschen gebracht hat“, sagt Jukka Moisio, Präsident und CEO von Nokian Tyres. „Unser kurzfristiger Fokus lag zunächst auf der Anpassung an das sich schnell verändernde, höchst unsichere Betriebsumfeld und der Beibehaltung der Kontrolle über unsere Aktivitäten in Russland. Nach gründlicher Abwägung und Bewertung verschiedener Optionen haben wir beschlossen, Nokian Tyres ohne Präsenz in Russland neu aufzustellen und uns auf Wachstumsmöglichkeiten in unseren anderen Kernmärkten zu konzentrieren.“

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