Kriegsbilanz Russischer Neuwagenmarkt bleibt 60 Prozent unter Vorjahr
Auf sehr niedrigem Niveau haben sich die russischen Neuwagenverkäufe zuletzt etwas stabilisiert. Von den Sanktionen profitieren die heimischen Hersteller – und die chinesischen Konkurrenten. Ein Zukunftsthema fehlt der Autoindustrie bislang allerdings völlig.

Der russische Neuwagenmarkt hat angesichts des Ukrainekriegs und der Sanktionen das Jahr 2022 erwartungsgemäß desaströs abgeschlossen. Die Neuwagenverkäufe sanken um knapp 60 Prozent. Zuletzt zeigte sich allerdings eine leichte Erholung des Absatzes – verbunden mit einem Umstieg der Käufer auf russische und chinesische Fabrikate.
Laut der Vereinigung europäischer Unternehmen in Russland (AEB) sackte der Absatz im Gesamtjahr 2022 um 58,8 Prozent gegenüber dem Jahr 2021 ab, als noch 1,67 Millionen Einheiten verkauft wurden. Insgesamt wurden den Angaben zufolge noch 687.370 Neuwagen in der Russischen Föderation zugelassen. Nach einem stabilen Start ins Jahr sanken die Neuzulassungen ab März zeitweilig um bis zu 80 Prozent. Zuletzt, im Dezember, waren die Neuzulassungen noch um 50,2 Prozent auf 64.000 Einheiten rückläufig gewesen.
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Kriegsbilanz
Der russische Automarkt ist pulverisiert
Beim Blick auf die Fahrzeugklassen zeigt sich, dass der russische Automarkt stark SUV-dominiert ist. Fast jeder zweite Neuwagen gehört in dieses Segment (48,7 %). Dazu kommen 11,8 Prozent Transporter/Utilities und 1 Prozent Pick-ups. In Sachen Elektrifizierung präsentiert sich der russische Markt komplett rückständig. Nur 840 Einheiten oder 0,13 Prozent der Neuwagen haben einen E-Antrieb. Allerdings stellte Lada jüngst den Prototypen einer Elektrovariante des Vans Largus vor, der wiederum nur ein Dacia-Derivat ist (Dacia Logan). Wann er in den Verkauf kommt, ist unklar. Vor Jahren war bereits einmal eine E-Variante des Lada Vesta im Gespräch.
Infolge des Krieges haben viele westliche Fabrikate allerdings ihre Aktivitäten in Russland eingestellt oder einstellen müssen. Renault beispielsweise, der frühere Lada-Mutterkonzern, wurde faktisch enteignet. Bei den Absatzzahlen etwa von VW, Skoda, BMW oder Mercedes dürfte es sich letztlich um den Abverkauf von Lagerbeständen handeln. Ausgewiesene Absatzrückgänge von 70 Prozent und mehr fürs Gesamtjahr stützen diese Annahme. Wegen der Sanktionen kommen auch keine westlichen Bauteile mehr ins Land.
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Sanktionsfolgen
Lada muss sein einziges SUV wegen fehlender Teile einstellen
Zerstörte Hoffnung: Markt kommt von drei Millionen Einheiten
Mit dem Kriegsausbruch und dem Verfall der Absatzzahlen hat sich Russland endgültig als Hoffnungsmarkt für die Automobilindustrie verabschiedet. Einst, in den Nullerjahren, galt Russland zusammen mit den anderen sogenannten BRIC-Staaten Brasilien, Indien und China als Markt mit großem Potenzial. Im Jahr 2008 wurden in dem Land fast drei Millionen Neuwagen zugelassen, viele Hersteller zog es in das Land. Doch mit Ausbruch der Finanzkrise im selben Jahr und spätestens seit den Sanktionen nach der Krim-Besetzung 2014 ging es stetig bergab. Bezeichnenderweise verzichtet der AEB inzwischen auf Aussagen zur künftigen Marktentwicklung.
Der Rückzug westlicher Fabrikate verändert das Erscheinungsbild des russischen Automarkts: Die russische Kernmarke Lada dominiert wieder. Der Marktanteil des Russland-Klassikers kletterte von 21,0 Prozent im Jahr 2021 auf 27,5 Prozent im Jahr 2022. Gleichzeitig sank aber der reale Lada-Absatz um 46 Prozent auf knapp 190.000 Einheiten. Im Dezember lag der Lada-Marktanteil sogar schon bei 37,5 Prozent. Insgesamt scheint die Produktion bei Lada trotz der Sanktionen zu laufen, allerdings oft mit geringerer Ausstattung oder Teilen aus China und Indien.
Chinesische Fabrikate drängen nach Russland
Das gleiche Bild wie beim Marktführer bietet sich bei den Nutzfahrzeug-Herstellern GAZ und UAZ. Ersterer erhöhte seinen Marktanteil von 3,4 auf 6,1 Prozent, verkaufte absolut aber ein Viertel weniger Neufahrzeuge (2022 noch 42.100 Einheiten). UAZ legte von 1,9 auf 4,9 Prozent zu und konnte den absoluten Absatz sogar um 1.500 Einheiten auf 34.000 Fahrzeuge steigern (+4,6 %).
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Ukraine-Krieg
Renault verkauft Lada für einen Rubel
Die Gewinner sind neben den heimischen Autobauern die chinesischen Hersteller. Die Chery Group steigerte die Verkäufe um 31,4 Prozent auf 53.700 Einheiten. Ihr Marktanteil schoss von 2,5 auf 7,8 Prozent in die Höhe. Great Wall erhöhte den Marktanteil von 2,3 auf 5,1 Prozent, wobei die realen Verkäufe dennoch um 10 Prozent auf 35.300 Einheiten sanken. Und Geely konnte den Marktanteil bei gleichbleibenden Absätzen von 24.500 Einheiten auf 3,6 Prozent mehr als verdoppeln.
Im Gegenzug sind Marken wie VW, Skoda oder Audi, Toyota oder Mazda auf dem russischen Markt bedeutungslos geworden. Für den Renault-Partner Nissan weist die Dezember-Statistik exakt null Neuzulassungen aus.
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