Autojahr in Hessen Trotz schwarzer Zahlen keine Normalität

Von Doris Pfaff Lesedauer: 4 min

Die hessischen Autohäuser und Werkstätten sind bisher gut durch die Krise gekommen. Fast in allen Geschäftsfeldern bilanziert das Kfz-Gewerbe Hessen für das vergangene Autojahr kräftige Zuwachsraten. Nur der Verkauf von Gebrauchten und Benzinern rutschte ins Minus.

Der Landesverband Hessen schaut vorsichtig optimistisch auf 2023: (v. l.) Geschäftsführer Joachim Kuhn, Präsident Jürgen Karpinski, Vizepräsident Michael Kraft und Pressesprecher Roger Seidl.
Der Landesverband Hessen schaut vorsichtig optimistisch auf 2023: (v. l.) Geschäftsführer Joachim Kuhn, Präsident Jürgen Karpinski, Vizepräsident Michael Kraft und Pressesprecher Roger Seidl.
(Bild: Zietz – »kfz-betrieb«)

Das hessische Kraftfahrzeuggewerbe hat das Autojahr 2022 trotz der Krisen gut überstanden. Der Gesamtumsatz stieg um knapp zehn Prozent. Auch bei den Pkw-Neuzulassungen fuhr das hessische Kfz-Gewerbe ein Plus von einem Prozent ein. Gewinner waren wieder die E-Autos und der Verlierer der Gebrauchtwagenmarkt. Mit einer auf 3,1 Prozent gestiegenen Umsatzrendite falle der Blick auf die automobile Welt insgesamt zuversichtlicher aus, sagte Jürgen Karpinski, Präsident des hessischen Kfz-Gewerbes.

Aber trotz der schwarzen Zahlen sei keine automobile Normalität in Sicht, warnte Karpinski. Denn quantitativ sei das Jahr schwach gewesen. Vor allem die gestiegenen Fahrzeugpreise ließen den Umsatz steigen. Insgesamt müsse sich die Branche auf eine Gratwanderung einstellen, da der Automobilmarkt neu aufgeteilt werde.

Markenhandel als Verlierer beim Verkauf von Gebrauchten

Zu den Zahlen: Beim Verkauf neuer und gebrauchter Pkw und Lkw sowie dem Service setzten die Betriebe 24,7 (Vorjahr: 22,5) Milliarden Euro um. In Hessen sind 719.110 (Vorjahr: 795.160) Pkw-Käufe bilanziert worden, davon waren 279.749 (+1 %) Neuzulassungen. Verlierer des Autojahres 2022 ist im Gebrauchtwagenmarkt der Markenhandel, der knapp sechs Prozent weniger umsetzte.

Die Branche mit ihren 4.300 Betrieben in Hessen sehe für die Zukunft laut Karpinski viele Fragezeichen. In einem instabilen Umfeld werde es starke Veränderungen der automobilen Handelslandschaft geben. Mit Agenturmodellen rüttelten die Hersteller am Fundament des klassischen Automobilvertriebs zulasten des stationären Handels.

Außerdem: Die geplanten Zugriffe der Hersteller reichten bis in das Gebrauchtwagengeschäft und den Kundendienst. Die Hersteller versuchten, mit einem „fragwürdigen Datenzugriff“ im Service in eine weitere Domäne des Kfz-Gewerbes zu gelangen, so der Präsident.

Für E-Autos schlägt die Stunde der Wahrheit

Durch die Kürzung des Umweltbonus schlage nun für die Elektromobilität die Stunde der Wahrheit. Dreistellige Zuwachsraten gehörten der Vergangenheit an. Noch in diesem Jahr werde die Innovationsprämie für gewerbliche Fahrzeuge gestrichen. Das werde sich weiter negativ auswirken. Die Politik müsse auf die Kaufzurückhaltung bei E-Autos reagieren und das System der Förderung neu gestalten, so Karpinski.

Bereits im letzten Quartal des Vorjahres sei die private Nachfrage nach neuen Pkw spürbar gesunken. Dieser Trend habe sich zum Jahresstart fortgesetzt. Die Branche fürchtet nun, dass sich eine große Kundengruppe die individuelle Mobilität mit neuen Pkw nicht mehr leisten kann.

Diese Sorge gilt im Besonderen für E-Fahrzeuge. Handel und Verbraucher wünschten sich „bezahlbare Fahrzeuge in der Preisklasse zwischen 20.000 und 30.000 Euro“, erklärte Karpinski. Ob neue chinesische Anbieter diese Lücke füllen könnten, bleibe abzuwarten.

Mit Blick auf die aktuelle Debatte zur Nutzung synthetischer Kraftstoffe betonte Karpinski: Wer einen klimafreundlichen Verkehr auf der Straße wolle, könne den vorhandenen Fahrzeugbestand nicht „links liegen lassen“. In Hessen seien 93 Prozent aller motorisierten Fahrzeuge mit einem Verbrennungsmotor ausgerüstet.

Kritik an den EU-Plänen zur CO2-Flottenregulierung

Scharfe Kritik übte der Verband auch an der Plänen der europäische Kommission zur CO2-Regulierung für schwere Nutzfahrzeuge. Damit schieße die Kommission weit über das Ziel hinaus. Sie setze „überehrgeizige Ziele“ für Null-Emissions-Lkw, noch bevor die notwendigen Grundlagen dafür vorhanden seien.

Gerade die so wichtige Tank- und Ladeinfrastruktur für emissionsfreie schwere Nutzfahrzeuge stecke noch in den Kinderschuhen. Vernünftiger wäre es daher, sich in den kommenden Jahren auf die unmittelbaren Herausforderungen zu konzentrieren und Flottenziele für die 2030er-Jahre erst später festzulegen.

Service: Hohe Werkstattauslastung und dickes Umsatzplus

Ordentlich zugelegt hat der Service, dessen Umsatz von 192,8 Millionen Euro auf 2,01 Milliarden Euro (+10,6 Prozent) gestiegen ist. Auch der Jahresstart 2023 liegt mit einer Werkstattauslastung von 84 Prozent (+ 5 Prozent) über dem Vorjahr. Die Kosten für Wartung und Reparatur sind leicht gestiegen, kräftige Steigerungen hat es im Geschäft der Unfallreparatur gegeben.

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Zugriff auf die Fahrzeugdaten

Um in Zukunft am Markt bestehen zu können, brauchten die Kfz-Betriebe den Zugang zu den Fahrzeugdaten. Karpinski forderte: „Wir brauchen eine sektorspezifische Regelung für die Fahrzeugdaten.“ Dafür müsse die EU noch in diesem Jahr sorgen. Die Branche benötige diese Fahrzeugdaten in den markengebundenen ebenso wie in den freien Betrieben. In Brüssel müsse den Herstellern ein Riegel vorgeschoben werden, denn sie versuchten, die Daten und deren Gebrauch zu monopolisieren.

Entspannung zeichne sich auf dem Ausbildungsmarkt in Hessen ab. Sowohl bei den Kraftfahrzeugmechatronikern als auch bei den Automobilkaufleuten stünden Pluszahlen.

Vorsichtige Prognose: Wieder mehr Neuzulassungen

Für das laufende Autojahr erwartet das Kfz-Gewerbe Hessen bei den Pkw-Neuzulassungen ein Plus um etwa vier Prozent auf 280.000 Erstzulassungen. Davon würde auch der Gebrauchtwagenmarkt profitieren. Zum Jahresstart sei dies mit Zuwächsen um drei Prozent gelungen. Mit Spannung werden nun auf das Frühjahrsgeschäft geschaut, das erste Hinweise darauf geben könnte, ob die Branche wieder auf Normalspur komme.

Umfragen in der Branche zeigten „höchst gegenläufige Erwartungen“. Auch das „emotionale Umfeld der individuellen Mobilität spiele eine große Rolle“, so Karpinski. Der Verkehrsraum dürfe nicht einseitig zulasten des Automobils eingeschränkt werden. Stattdessen müsse es eine Partnerschaft der Verkehrsträger und -systeme geben. „Ein Anteil von nahezu 75 Prozent für den motorisierten Individualverkehr belegt, dass das Automobil unangefochten die Nummer eins im Ranking der Mobilitätswünsche ist“, betonte Karpinski.

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