VW: Händler haben durch Musterfeststellungsklage nichts zu befürchten
Am Donnerstag tritt das Gesetz in Kraft, das Musterfeststellungsklagen in Deutschland ermöglicht. Prominenter Hintergrund dazu sind etwaige Ansprüche betroffener Kunden gegen Volkswagen in der Diesel-Affäre. Der Autobauer sieht dem Verfahren gelassen entgegen.

Am kommenden Donnerstag (1. November) will der Verbraucherzentrale-Bundesverband (VZBV) in Kooperation mit dem ADAC eine Musterfeststellungsklage gegen die Volkswagen AG in Sachen Diesel-Affäre einreichen. Aktuell rechnen die Akteure damit, dass sich rund 26.000 betroffene Kunden dem Verfahren anschließen werden.
Ziel der Kläger ist es, per Urteil feststellen zu lassen, dass Volkswagen Kunden mit dem Einsatz illegaler Software in Diesel-Motoren vorsätzlich sittenwidrig geschädigt und betrogen hat und somit Schadenersatz schuldet. Eine Option ist die Musterfeststellungsklage für alle Käufer von Fahrzeugen der Marken VW, Audi, Seat und Skoda mit Dieselmotoren des Typs EA 189 (Hubraum: 1,2, 1,6, 2,0 Liter) mit illegaler Abschalteinrichtung. Nicht anschließen können sich diejenigen, die bereits ein rechtskräftiges Urteil erwirkt haben, Beschenkte und Leasingnehmer sowie Personen, die ihre Rechte an Sammelkläger wie Myright oder Hausfeld abgetreten haben.
Das alles klingt zunächst nach einer guten Option für alle, die die Möglichkeit haben, sich an der Klage zu beteiligen. Ganz so einfach ist es aus Sicht von Volkswagen aber nicht. In einer Telefonkonferenz äußerten sich Patrick Schroeder und Anne-Kathrin Bertke, beide Anwälte bei der Kanzlei Freshfields, die VW in rechtlichen Fragen rund um Dieselgate vertritt, am Montag zu dem Thema. Sie wiesen darauf hin, dass das Ziel, Kunden mit der Möglichkeit zur Musterfeststellungsklage zu helfen, ihrer Meinung nach nicht erfüllt werden wird. Konkret untermauerten sie ihre Ansicht mit mehreren Argumenten.
Erneuter Verweis auf Software-Updates
Die Musterfeststellungsklage ändere nichts an der generellen Position Volkswagens: Kunden in Deutschland haben keine Ansprüche aufgrund der Verwendung der Umschaltlogik in Fahrzeugen mit Motoren des Typs EA 189, davon ist der Konzern überzeugt. Betroffene Autos seien nach dem vom Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) angeordneten Software-Update uneingeschränkt nutzbar und entsprächen allen rechtlichen Vorgaben.
Das zeige sich auch darin, dass schon heute die Mehrheit der rund 5.000 bereits verhandelten Klagen zugunsten des Autobauers beziehungsweise dessen Händler ausfielen. Laut Volkswagen gibt es bislang lediglich sechs Gerichte, die Klagen gegen den Autobauer überwiegend stattgeben, wohingegen 32 Gerichte derartige Ansinnen überwiegend abwiesen.
Auch der Eindruck, klagende Kunden könnten künftig schneller zum Erfolg kommen, ist aus Sicht der Wolfsburger falsch. Patrick Schroeder sagte dazu: „Verbraucher, die sich einer Musterfeststellungsklage anschließen, wissen aller Voraussicht nach erst nach mehreren Jahren, ob und wie viel Geld ihnen zusteht.“ Das Musterfeststellungsverfahren vor dem OLG Braunschweig werde voraussichtlich mindestens zwei Jahre dauern.
Und selbst dann wird bei einer für Kunden positiven Entscheidung nicht direkt Geld fließen. Volkswagen kündigte für jenen Fall an, vor den Bundesgerichtshof ziehen zu wollen, was wohl mindestens weitere zwei Jahre in Anspruch nehmen würde. Sollte der Autobauer auch dort verlieren, muss jeder Kunde noch zusätzlich eine individuelle Leistungsklage erheben, um eine Entschädigung zu erhalten.
Klagen richten sich nicht gegen einzelne Händler
Der letzte Punkt ist auch für VW-Händler wichtig, wie Schroeder betonte: „Anders als regelmäßig postuliert, können Verbraucher mit einem Urteil in der Musterfeststellungsklage nicht etwa zu ihrem Autohändler gehen und Geld zurückverlangen“, erklärte der Jurist. Generell richtet sich das anstehende Verfahren anders als viele bisherige Einzelklagen allein gegen die Volkswagen AG und nicht gegen einzelne VW-Händler.
Auch die Möglichkeit, sich vor einem Urteil auf einen Vergleich zu einigen, sinke für Kunden, die sich der Musterfeststellungsklage anschließen. Zu unterschiedlich seien die Fälle, die dabei zusammengeführt werden, argumentieren die VW-Anwälte und verweisen unter anderem darauf, dass der Kilometerstand betroffener Autos teilweise weit auseinander gehe. Deswegen gehe man bei Volkswagen aktuell nicht davon aus, sich auf einen Vergleich mit den Klägern zu verständigen.
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